Essen-Holsterhausen. Die Essener Naturheilpraxis ohne Grenzen hat ihren ersten Standort in Indien eröffnet. Die Gründerin berichtet von dramatischen Schicksalen.

Heike Goebel ist hauptberuflich Bauingenieurin, außerdem ausgebildete Heilpraktikerin und Gründerin des seit 2018 aktiven Vereins Naturheilpraxis ohne Grenzen in Essen. Im Mai hat die 51-Jährige die erste Praxis im indischen Kolkata eröffnet. „Die Praxis liegt im größten Slum Kolkatas. Es ist schwer auszuhalten, wenn man Menschen sieht, die mit großflächigen, infizierten Wunden und halb abgefaulten Gliedmaßen auf der Straße liegen oder Witwen vor einem stehen und weinen, weil sie Hunger haben“, erzählt Goebel von ihrem ersten Besuch in Indien.

Es sei immer ihr Traum gewesen, eine Praxis zu eröffnen, mit der sie Menschen, denen es richtig schlecht geht, auch über die Grenzen von Deutschland hinaus helfen könne, so Goebel.

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Naturheilpraxis ohne Grenzen ist seit 2019 in Essen-Holsterhausen zu finden

Begonnen hat alles mit der Naturheilpraxis ohne Grenzen in Essen, die sich seit 2019 in Holsterhausen befindet. Hier können sich Menschen behandeln lassen, die in finanzieller oder sozialer Not sind. Jeden Dienstagnachmittag öffnet die Praxis an der Papestraße von 16 bis 20 Uhr ihre Türen für Menschen in Notlagen.

Essenerin Heike Goebel ist die Gründerin der Naturheilpraxis ohne Grenzen. Sie betont: „Wir händigen unseren Patienten keine Medikamente aus, sondern bieten Nahrungsergänzungsmittel an.“
Essenerin Heike Goebel ist die Gründerin der Naturheilpraxis ohne Grenzen. Sie betont: „Wir händigen unseren Patienten keine Medikamente aus, sondern bieten Nahrungsergänzungsmittel an.“ © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Unter den 15 ehrenamtlich tätigen Therapeuten befinden sich Heilpraktiker, Osteopathen, Physiotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie und Ernährungsberater. Das Angebot umfasst unter anderem Fußpflege, Beratungsgespräche, Massagen und Schmerztherapie. Jedoch seien die Behandlungsangebote kein Ersatz für eine medizinische Behandlung, betont Goebel, da in der Praxis keine Ärztinnen und Ärzte tätig seien. „Wir händigen unseren Patienten auch keine Medikamente aus, sondern bieten Nahrungsergänzungsmittel an.“

Besonders die Schicksale von Kindern im indischen Kolkata haben Essenerin Heike Goebel bewegt.
Besonders die Schicksale von Kindern im indischen Kolkata haben Essenerin Heike Goebel bewegt. © Naturheilpraxis | Goebel

Essener Naturheilpraxis eröffnet ersten Standort in Essen

Finanziert wird das Projekt hauptsächlich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Die Naturheilpraxis ohne Grenzen habe sich in den letzten Jahren in vielen Städten in Deutschland etabliert, nun sei es für Goebel an der Zeit gewesen, das Konzept ins Ausland zu bringen.

„Ich habe im Internet recherchiert und bei einer bereits vorhandenen Organisation, die eine Schule in Kolkata aufgebaut hat, angefragt, ob ich das Hilfsangebot mit der Naturheilpraxis ergänzen darf“, berichtet die Ehrenamtlerin. „Mein Angebot wurde dankend angenommen und so konnte ich im Mai die Praxis in der Schule eröffnen.“

Der indische Standort der Naturheilpraxis ohne Grenzen befindet sich in einer Schule.
Der indische Standort der Naturheilpraxis ohne Grenzen befindet sich in einer Schule. © Naturheilpraxis | Goebel

Essenerin über Aufenthalt in Indien: „Ich habe viel geweint“

Bei aller Euphorie darüber, sich ihren Traum einer Praxis im Ausland erfüllt zu haben, habe es für Goebel viele Eindrücke gegeben, die sie erst verarbeiten müsse: „Neben Infektionskrankheiten wie Cholera, Typhus oder Tuberkulose, mit denen man in Kolkata verstärkt zu tun hat, erschweren Ansammlungen von Müll und die fehlende Kanalisation das Leben der Menschen. Erschreckend für mich ist auch, dass Tiere wie Ratten und Schlangen keinen Halt davor machen, auf dem Boden schlafende Kinder zu beißen.“

In Essen ist Heike Goebel regelmäßig mit dem Naturheilmobil unterwegs, um Menschen in Not in der City oder am Hauptbahnhof zu helfen.
In Essen ist Heike Goebel regelmäßig mit dem Naturheilmobil unterwegs, um Menschen in Not in der City oder am Hauptbahnhof zu helfen. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Dazu seien es viele Einzelschicksale, vor allem von hungernden Witwen oder schwerkranken Kindern, die für die Heilpraktikerin schwer zu ertragen gewesen seien, so sagt sie: „Ich habe viel geweint, weil ich so viel Leid gesehen habe. Auch wenn ich mich darüber freue, dass ich vielen Menschen vor Ort Gutes tun konnte, kann ich leider nicht alle retten.“ Das auszuhalten, falle ihr sehr schwer. „Ich fühle mich seit meinem Besuch in Indien sehr geerdet und kaufe beispielsweise Lebensmittel noch überlegter ein als zuvor.“

Essener Ehrenamtlerin half mit Nahrungsergänzungsmitteln, Massagen oder Taping

Trotzdem habe sie in den vier Wochen, in denen sie vor Ort war, viel bewirken können: „Auf den Straßen habe ich viele Menschen mit großflächigen, infizierten Wunden versorgt. In der Praxis waren zahlreiche Menschen mit Schmerzen.“ Hier habe sie beispielsweise mit Nahrungsergänzungsmitteln, Massagen oder Taping helfen können. „Bei schwerwiegenderen Erkrankungen konnten wir Medizinpatenschaften organisieren, bei denen die Kosten für eine medizinische Behandlung und Medikamente übernommen werden.“

„Ich habe viel geweint, weil ich so viel Leid gesehen habe“, sagt Essenerin Heike Goebel über ihren Besuch in Indien.
„Ich habe viel geweint, weil ich so viel Leid gesehen habe“, sagt Essenerin Heike Goebel über ihren Besuch in Indien. © Naturheilpraxis | Goebel

Über die Menschen, denen sie in Kolkata begegnet ist, schwärmt Heike Goebel in den höchsten Tönen: „Die Leute sind extrem respektvoll und haben mich direkt in ihre Gemeinschaft aufgenommen. Alle haben sich um mich gekümmert und waren sehr dankbar für meine Hilfe. Ich habe mich in diesen Ort verliebt.“

„Ich wünsche mir in Essen ein Hospiz für Menschen ohne Obdach“

Geplant sei nun, dass die Heilpraktikerin einmal im Jahr, immer im November, für vier Wochen nach Indien fliegt, um in der Praxis zu arbeiten. Außerdem werden noch weitere Therapeutinnen und Therapeuten gesucht, die mitarbeiten möchten oder Medizinpatenschaften übernehmen können.

Essenerin Heike Goebel schwärmt von den Menschen, die sie in Indien kennengelernt hat: „Ich habe mich in diesen Ort verliebt.“
Essenerin Heike Goebel schwärmt von den Menschen, die sie in Indien kennengelernt hat: „Ich habe mich in diesen Ort verliebt.“ © Naturheilpraxis | Goebel

Für Heike Goebel ist aber mit der Praxis in Indien noch lange nicht Schluss. Die nächsten Pläne habe sie bereits im Kopf: „Ich wünsche mir in Essen ein Hospiz für Menschen ohne Obdach. Ich bin optimistisch, dass ich auch diesen Plan irgendwann in die Tat umsetzen kann.“

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