Essen. Die Krise der Bauwirtschaft trifft auch den öffentlich geförderten Wohnungsbau. Der Allbau baut trotzdem, stößt aber an Grenzen.

Die anhaltende Krise in der Bauwirtschaft schlägt auch auf den sozialen Wohnungsbau in Essen voll durch. Zahlen, die das Landesbauministerium dazu veröffentlicht hat, muten durchaus alarmierend an. So wurden im vergangenen Jahr in Essen gerade einmal finanzielle Mittel für 28 Wohnungen im öffentlich geförderten Wohnungsbau bewilligt.

Damit belegte Essen Platz 49 unter 53 kreisfreien Städten und Landkreisen in NRW. Im Regierungsbezirk Düsseldorf trug die Ruhrstadt gar die „rote Laterne“. Spitzenreiter in dieser Statistik war übrigens Duisburg mit 626 Bewilligungen vor der Landeshauptstadt Düsseldorf mit 355.

„Angesichts der Tatsache, dass mehr als 50 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner in Essen Anspruch auf geförderten Wohnraum haben, ist diese Situation katastrophal“, kritisiert Wolfgang Freye, Kreisvorsitzender und Vertreter der Linken im Planungs- und Bauausschuss des Stadtrates.

Die Zahl an Sozialwohnungen erreicht in Essen einen neuen Tiefststand

Auch Fördermittel der Stadt Essen wurden bei weitem nicht abgerufen. Insgesamt vergab die Stadt Darlehen und Zuschüsse in Höhe von 12,6 Millionen Euro. Im Topf waren rund 40 Millionen Euro.

Die Zahl an öffentlichen Wohnungen geht folglich weiter zurück. Ein seit Jahren zu beobachtender Trend setzt sich fort, weil Förderfristen auslaufen und Sozialwohnungen aus der Mietpreisbindung fallen. Für das vergangene Jahr galt dies zum Stichtag 1. Januar 2024 für 1.273 Wohnungen. Demgegenüber weist die Statistik der Stadt Essen für das zurückliegende Jahr 510 fertiggestellte Sozialwohnungen aus. Mit insgesamt nur noch 17.605 Sozialwohnungen erreichte die Gesamtzahl an öffentlich geförderten Wohnungen einen neuen Tiefststand.

Allbau-Geschäftsführer Dirk Miklikowski fordert beim Klimaschutz Unterstützung von Bund, Land und Kommune.
Allbau-Geschäftsführer Dirk Miklikowski fordert beim Klimaschutz Unterstützung von Bund, Land und Kommune. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Die Stadt Essen zieht mit Blick auf die Flaute im Wohnungsbau ein ernüchterndes Fazit und führt als Ursache Krise am Immobilien- und Wohnungsmarkt an: „Viele Vorhaben wurden zurückgestellt, sodass Bebauungsplanverfahren nicht fortgeführt, Grundstücke nicht verkauft und Förder- sowie Bauanträge nicht gestellt wurden“, heißt es in einem Bericht der Verwaltung.

Dass in Essen weniger öffentliche Mittel für den Bau von Sozialwohnungen beantragt werden als in anderen Kommunen und Kreisen des Landes, erklärt die Stadt damit, dass Projektentwicklern in Essen nur wenige Flächen zur Verfügung stünden.

Der Allbau setzt ganz auf den Bau öffentlich geförderter Wohnungen

Bemerkenswert ist auch: Nach Angaben der Stadt wurde 2023 kein einziger Antrag auf Bewilligung von öffentlichen Mitteln zur Modernisierung von Mietwohnungsgebäuden gestellt.

Auf dem Essener Wohnungsmarkt baut offenbar allein der Allbau gegen den Trend an. Die kommunale Wohnungsgesellschaft setzt seit einigen Jahren nahezu ausschließlich auf öffentlich geförderte Projekte. Allbau-Chef Dirk Miklikowski verweist auf Tradition, Zweck und Selbstverständnis des Unternehmens: „Die Versorgung der Essener Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum ist seit jeher eine unserer wichtigsten Aufgaben.“

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Miklikowski führte im Gespräch mit der Redaktion bereits vor einigen Jahren auch wirtschaftliche Gründe für diese Konzentration an: Angesichts dramatisch gestiegener Baukosten sei der Bau von Wohnungen ohne öffentliche Förderung für den Allbau schlicht unwirtschaftlich. Andernfalls müsste das Unternehmen Mieten verlangen, die der Markt nicht hergibt.

Seit 2010 hat der Allbau nach eigenen Angaben 125 Millionen Euro an Fördermitteln des Landes in Anspruch genommen, davon 71 Millionen für Modernisierungen. Bis 2028 will die Wohnungsgesellschaft eine Reihe von Bauvorhaben realisieren, vor allem im Norden und Nordwesten der Stadt (siehe Info-Box).

Bauvorhaben der Allbau AG

An folgenden Straßen plant der Allbau neue Wohnungen: Kraienbruch (Dellwig) 28 Wohneinheiten für 9,3 Millionen Euro; Ringstraße (Kettwig) 25 WE für 15,2 Mio.; Im Mühlengarten (Stoppenberg) 44 WE für 13 Mio. plus 20 Mieteinfamilienhäuser für 8,6 Mio.; Weberplatz (Innenstadt) 51 WE für 55,6 Mio. inkl. Geschäftshaus; Neustraße (Bergeborbeck) 28 Mieteinfamilienhäuser für 12,4 Mio.; Hanielstraße (Katernberg) 20 WE für 6,7 Mio.; Prosperstraße (Dellwig) 24 WE für 8,1 Mio.; Litterode (Leithe) 60 WE für 21,5 Mio.; Wildstraße (18 WE) für 7 Mio.; Schwanhildenstraße (Stoppenberg) 85 WE für 28 Mio.

Modernisierungen: Butzweg (Borbeck) 176 WE für 14,3 Mio.; Adelkampstraße (Frohnhausen) 19 WE für 3,7 Mio.; Milendonkweg (Bochold) 6 WE für 0,8 Mio.

Hinzu kommen geplante Modernisierungen bestehender Immobilien nach dem Beispiel der Allbau-Immobilien am Butzweg in Borbeck, wo derzeit 176 Wohnungen mit Förderung des Landes umgebaut werden. Ein „relevanter Teil“ der Wohnungen bleibe im sogenannten Niedrigpreissegment insbesondere für Menschen, die auf staatliche Leistungen angewiesen seien.

Neubau oder Modernisierung? Hohe Baustandards bringen den Allbau in eine Zwickmühle

Wiederholt hatte Geschäftsführer Dirk Miklikowski auf Herausforderungen hingewiesen, die der Klimaschutz für die Wohnungswirtschaft bedeute. Die damit verbundene Erhöhung der Baustandards sei wenn überhaupt, dann nur mit ausreichender finanzieller Unterstützung von Bund, Land und Kommune zu meistern.

Selbst dann aber sei es für Unternehmen wie den Allbau schwierig, beides gleichzeitig zu schultern: einerseits die gesetzlichen vorgeschriebenen energiesparenden Sanierungen im Bestand, andererseits den Neubau, der ebenfalls regierungsseitig dringend gewünscht ist. „Man muss sich irgendwann entscheiden“, fordert Miklikowski von der Politik mehr Realismus.

Im Zweifel müsse der Allbau der Sanierung den Vorzug geben. „Die Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 ist eine gesetzliche Verpflichtung, zum Neubau sind wir nicht gezwungen.“

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