Essen. Susanne Buers ist Vorsitzende des Angehörigenbeirats der Franz Sales Werkstätten und gibt den rund 900 Menschen mit Behinderung eine Stimme. Ihr „Jobprofil“: alles
Was ist es, das jemanden zu einem Helden macht? Zu einer Heldin? Es mag ganz unterschiedliche Heldengeschichten geben. Und doch ist ihnen gemein, dass da jemand ist, der da ist. Sich einsetzt. Ein positiver Mensch, der nie aufgibt. Und mit genau dieser Beschreibung wurde Susanne Buers unserer Redaktion als Alltagsheldin vorgeschlagen – natürlich hat das unsere Neugier geweckt.
Susanne Buers leitet ehrenamtlich den Angehörigenbeirat der Franz Sales Werkstätten. Ihr „Jobprofil“, wenn man so will, ist gar nicht so leicht zu beschreiben. Sagen wir einfach: alles. „Manchmal muss ich mir anhören, das sei doch alles gar nicht meine Aufgabe“, so Susanne Buers gut gelaunt. „Aber ich denke immer, entweder mache ich das ganz oder gar nicht.“
Urlaub nehmen, nur weil der ÖPNV streikt?
Nähern wir uns also gemeinsam an. Sie ist 1. Vorsitzende des Angehörigenbeirats „ihres Franz“, wie sie selbst immer wieder sagt. Und in dieser Funktion ist die 60-Jährige ansprechbar u. a. für die Eltern der rund 900 Menschen mit Behinderung, die dort arbeiten, bzw. für die Beschäftigten selbst. „In den Werkstätten ist es ja leider so, dass längst nicht mehr alle dort Eltern oder andere Angehörige haben.“ Im Gegenteil, bei der großen Mehrheit sei dies nicht der Fall. „Mir geht es darum, dass ich auch für die Menschen da bin, die vielleicht keine starke Mutter im Hintergrund haben, die sich einsetzen kann. Und die sich selbst nicht so gut äußern können. Für sie möchte ich eine Stimme sein.“ Sie ist da. Setzt sich ein. Überwindet Widerstände. Gibt nicht auf. Eine Alltagsheldin, auch wenn sich Susanne Buers wohl nie selbst so sehen würde. Das zeigt ihre Überraschung, im Rahmen der gemeinsamen Aktion der Wohnbau eG und der FUNKE Mediengruppe nominiert worden zu sein.
Die Anliegen der Angehörigen und Beschäftigten sind ganz unterschiedlicher Natur. Besorgte Eltern, die es zu beruhigen gilt, wenn sich die Rückkehr des Kindes nach Hause verspätet hat. Organisatorische Themen sind es, wie beispielsweise die Frage nach dem Kinderkrankenschein für ältere behinderte Kinder. Vermittelt hat Susanne Buers sogar im Zusammenhang mit den jüngsten Streiks im öffentlichen Nahverkehr. Nicht nur für die Menschen in den Franz Sales Werkstätten ist eine solche Situation mit Schwierigkeiten verbunden, den Arbeitsplatz zu erreichen. Aber für sie ganz besonders. „Diese Tage sollten erst vom Urlaub abgezogen werden, ich habe mich dann mit dem Landschaftsverband und der Geschäftsführung auseinandergesetzt, damit unsere Beschäftigten nicht zu kurz kommen.“
Und da ist die Planung von Festen und vielen weiteren Aktionen im ganzen Franz Sales Haus, bei der es allerdings nicht bleibt. Mit angepackt wird natürlich auch – vom Anfang bis zum Ende. Beim Tanztee beispielsweise für die schwerstbehinderten Senioren. „Wir laden ein Ehepaar ein, das musiziert“, erzählt Susanne Buers. „Schlager der 1960er-Jahre. Wir bewirten die Gesellschaft, es gibt Getränke und Kuchen, die Musik spielt, wir versuchen, so weit wie es geht, mit den Senioren zu tanzen. Die Teilhabe an dieser Zeit, die Möglichkeit für die Menschen, Spaß und Freude zu haben, das ist einfach immer schön. Viele haben gar keinen Kontakt mehr zu irgendwem, und man kann mit wenig ganz viel bewirken. Die Menschen sind so dankbar.“
Für Susanne Buers einer der Beweggründe, sich so zu engagieren. Ein zweiter: ihre Tochter Kerrin, die ebenfalls in den Franz Sales Werkstätten arbeitet. „Sie hat ihr Leben lang Integration mitgemacht, im Kindergarten, in der Schule. Für sie die schlimmste Zeit. Mit 18 ist sie dann in die Werkstatt gekommen und hat ihre erste Freundin gefunden.“ Da schwingt eine Botschaft mit, die Susanne Buers sehr wohl noch auszuformulieren weiß: „Integration darf nicht nur auf dem Papier stehen, sie muss gelebt werden. Sonst tut man den Menschen keinen Gefallen. Der Platz in der Werkstatt ist genau der richtige für sie. Hier engagiert sie sich selbst für andere. Das macht mich stolz.“
Ein guter Punkt. Denn Susanne Buers ist auch wichtig: Allein ist sie nicht. Ihr Mann Rüdiger ist mit dabei, ebenso ihre Tochter und deren Freund. „Zuletzt hatten wir Sommerfest, da haben wir vier den ganzen Tag den Getränkestand betreut. Es war toll.“
Mit ihrer Tochter hat auch ihr Engagement im Angehörigenbeirat begonnen. Die Leiterin vom Sozialen Dienst sei auf sie zugekommen, sie könne bestimmt einiges bewirken. „Ich dachte: Ich kann mir das ja mal anschauen, tut ja nicht weh.“ Aber wie das immer so ist: Kaum hatte sie Ja gesagt, wurde der Vorsitz vakant und alle waren sich einig: Susanne Buers ist die Richtige. Sie selbst war sich da anfangs gar nicht so sicher. „Ich wusste nicht, ob ich das kann. Ich hatte ja auch keine Ahnung von Paragrafen oder so etwas.“ Heute sagt sie: „Das ist gar nicht notwendig. Wichtig ist die Empathie den Menschen gegenüber. Und man muss nicht alles wissen. Man muss nur jemanden finden, der es weiß. Und das klappt. Es macht großen Spaß, man weiß, für wen man es tut, man muss nur auf sich selbst aufpassen.“
Weil Susanne Buers noch viel mehr macht. Einmal im Jahr schwerst kranken Kindern eine gute Zeit beschert oder sich bei der Caritas oder der International Police Association engagiert. Bis vor fünf Jahren war sie auch noch berufstätig, ehe die Schwiegermutter krank wurde. „Wenn es mal brenzlig wird, muss ich schauen, dass ich mal was zurückstelle, damit mein ,Franz’ nicht zu kurz kommt. Aber es ist schon auch schön, wenn ich mal ein Wochenende habe, wo gar nichts ist.“
Einmal im Monat etwas spielen
Und wie lange will sie das noch machen? Eine Frage, auf die sie noch keine Antwort hat. Weil es heutzutage auch so schwierig sei, jemanden zu finden, der eine Aufgabe ehrenamtlich übernehmen möchte. „Dabei ist Ehrenamt so wichtig. Aber vielleicht kann diese Geschichte ja auch helfen, dass sich Menschen engagieren möchten. Mal einen Tag im Monat mit den Menschen etwas spielen, das würde schon reichen und bereitet große Freude.“
Wer Interesse hat, kann sich an Claudia Rösner wenden, Ehrenamtskoordinatorin des Franz Sales Hauses. Auch Susanne Buers leitet Anfragen gerne weiter.
Kontakt
claudia.roesner@franz-sales-haus.de
rs.buers@googlemail.com
Alltagshelden setzen ein starkes Zeichen
Das Ehrenamt lebt – eine gute Nachricht in schwierigen Zeiten. Die Wohnbau eG und die FUNKE Mediengruppe stellen sozial engagierte Menschen vor
Bereits zum dritten Mal haben sich die Wohnbau eG und die FUNKE Mediengruppe auf die Suche nach Alltagshelden in Essen gemacht. Was zeigt, wie wichtig der Essener Wohnungsbaugenossenschaft und FUNKE das Thema Ehrenamt ist. „Viele Leute bekleiden ein Ehrenamt oder sind sozial engagiert, ohne groß darüber zu sprechen“, erklärt Frank Skrube, Marketing-Leiter der Wohnbau eG. „Und es ist, so glauben wir, wichtig, einige einmal stellvertretend vorzustellen.“
Gesucht – gefunden. „Es ist wirklich schön zu sehen, wie groß das soziale Engagement der Menschen in der Stadt ist“, findet Skrube. Für ihn ein ganz starkes Zeichen in nach wie vor schwierigen Zeiten. „Lange haben wir alle eher an uns selbst gedacht. Die gegenwärtigen Krisen haben aber, so empfinde ich das, dazu geführt, wieder mehr füreinander da sein zu wollen.“ Und gesellschaftliches Zusammenleben funktioniere eben nur so: Mit Menschen für Menschen. „Aber das ist nicht selbstverständlich, und aus diesem Grund wollen wir das würdigen.“
Zahlreiche Einsendungen sind eingegangen, tolle Projekte, die Menschen dahinter und ihre Geschichten haben der Redaktionsjury großen Respekt abverlangt, sie tief berührt. „Ich bin beeindruckt von den vielen Einsendungen, die zeigen, dass man sich auf verschiedenen Wegen engagieren kann“, erzählt auch Marcel Pasch, für die FUNKE Mediengruppe federführend an der Suche nach den Alltagshelden beteiligt.
Geschichten erzählen
Und Frank Skrube ergänzt: „Ich war überrascht, wie lange einige Leute das zum Teil schon machen. Viele, viele Jahre. Und da waren Projekte dabei, die mich emotional sehr beeindruckt haben. Bei denen ich mir selbst eingestehen musste: ,Das könnte ich nicht.‘“
In den kommenden Wochen wollen wir einige dieser Geschichten erzählen. „Mit den ausgewählten Storys geben wir unseren Leserinnen und Lesern vielleicht auch ein paar schöne Anregungen, wenn sie sich selbst einbringen möchten“, so Marcel Pasch. Denn vielen Menschen sei gar nicht bewusst, was man alles machen könne, so auch Wohnbau-Marketingleiter Frank Skrube. „Aber es geht auch darum, die Menschen dahinter auch einmal ins Rampenlicht zu stellen. Jeder Beitrag ist wichtig für die Gesellschaft. Wir müssen einfach zusammenhalten.“
INFOKASTEN
Wer sich zu den verschiedenen Möglichkeiten informieren möchte, sich sozial zu engagieren, kann sich auch an die Ehrenamt Agentur Essen wenden.
Ehrenamt Agentur Essen
Telefon: 0201 / 839 1490
Mail: info@ehrenamtessen.de
Web: www.ehrenamtessen.de