Essen-Bergerhausen. Wo einst Bauernhöfe, Wälder und Täler waren, gibt es heute dichte Wohnbebauung und Gewerbegebiete. Auf den Spuren der Vergangenheit.

Das Paul-Gerlach-Bildungswerk der Arbeiterwohlfahrt (Awo) bietet historische Rundgänge an. Diesmal nimmt Stadtführer Ingo Pohlmann mit auf eine Zeitreise durch Essen-Bergerhausen. Erstmals im Jahre 943 als „Bergarahuson“ urkundlich erwähnt, also „Bewohner eines Berges“. Der Stadtteil ist als Quartier schwer zu erfassen, denn er besitzt keinen historischen Kern. Eine kurzweilige und informative Tour soll dabei helfen, dieses Bergarahuson näher kennenzulernen.

Heute ist es geprägt von dichter Wohnbebauung und einigen Gewerbegebieten. Doch früher sah es hier ganz anders aus: „Es gab Bauernhöfe, kleinere Wälder und Täler.“ So der versiert vortragende, dabei aber erfrischend lockere Führer: „Sonst nüscht.“

Der Essener Stadtteil Bergerhausen besitzt keinen historischen Kern

Als immer mehr Leute nach Essen kamen, wurde Bergerhausen 1910 eingemeindet: „Und wenn so viele Leute zuziehen, was braucht man da zwingend? Eine Kirche.“ Deshalb beginnt er seine Tour an St. Hubertus. Mit dem immerhin zweithöchsten Kirchturm von ganz Essen. Die Gruppe biegt um zwei Ecken und steht am Nekesweg. Familie Nekes betrieb im 19. Jahrhundert hier eine Töpferei. Jetzt lässt Pohlmann raten: „Und wonach ist die Töpferstraße benannt?“ Richtig, auch nach dieser Töpferei, aus der mit Franz Nekes einer der bedeutendsten Kirchenmusiker des 19. Jahrhundert hervorging.

Die Werraschule wurde, wie andere Essener Schulen auch, während des Zweiten Weltkrieges als Zwangsarbeiterlager genutzt. In drei Klassenräumen waren 200 Arbeiter aus Osteuropa eingepfercht, die in der Trümmerbeseitigung eingesetzt wurden. Apropos Trümmer: Die Werraschule wurde abgerissen, weil für die neue Autobahn eine Schneise durch den Stadtteil geschlagen wurde. Die A52 durchschnitt quasi den Schulhof.

Der Bergbau prägte früher das Leben in Essen-Bergerhausen

An der Rellinghauser Straße war ab 1855 die erste Schachtanlage von Zeche Ludwig: „115 Meter tief, tonnlägig, also schräg, allerdings nur bis 1861, diente danach noch als Wetterschacht.“ Der Schacht sei dann verfüllt worden. Alles gut? Sollte man meinen, aber von wegen: „Bis 2007 im Keller dieses Hauses eine Bewohnerin fast erstickt wäre. Kohlenmonoxid war aufgestiegen und hatte sich angereichert. Da wurde reichlich Beton reingepumpt in den Schacht.“

Einen Stopp machte die Gruppe um Stadtteilführer Ingo Pohlmann vor der Kirche St. Hubertus an der Töpferstraße.
Einen Stopp machte die Gruppe um Stadtteilführer Ingo Pohlmann vor der Kirche St. Hubertus an der Töpferstraße. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Die Sportanlage „Am Krausen Bäumchen“ hätte es fast nicht gegeben. Eigentlich sollte hier auf „Neu Essen II“ im großen Stil Eisen verhüttet werden. Immerhin wurde Eisen und auch Kohle abgebaut. Auf dem Gelände der Zeche Ludwig sind noch zwei Schachthäuser, beide Fördermaschinenhäuser und eine Betriebshalle erhalten. Im Jahr 1937 arbeiteten hier immerhin 1.250 Mann. Nun gut, relativiert Ingo Pohlmann, auf Zollverein waren es 8500. Bis 1973 wurde hier noch eingefahren. Wegen der Wasserhaltung für Zeche Pörtingsiepen: „Damit die da hinten in Fischlaken nicht absoffen, musste hier gepumpt werden.“

Der Schürmannhof in Essen-Bergerhausen hat eine lange Geschichte

Der uralte Schürmannhof gehörte zur Abtei Werden, wird erstmalig 1472 als „Schuyrmans Gud“ erwähnt und gehörte Jahrhunderte lang den Freiherren von Vittinghoff, genannt Schell zu Schellenberg. Nun gibt es hier Seniorenwohnungen und Veranstaltungsräume, zum Beispiel für Hochzeiten.

Auf großes Interesse stieß der Rundgang mit Stadtteilführer Ingo Pohlmann in Essen-Bergerhausen.
Auf großes Interesse stieß der Rundgang mit Stadtteilführer Ingo Pohlmann in Essen-Bergerhausen. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Jetzt wird’s merkwürdig: Warum um alles in der Welt heißt die Straße „Am Frommen Joseph“ so? Beteiligt waren ein exklusiver Wanderverein und ein übler Scherz. Joseph Grüter aus Heidhausen richtete Mitte des 19. Jahrhunderts im einstigen Kappertskotten einen Ausschank ein. Oft vom sogenannten „Trampelklub“ aufgesucht, einer Wandergemeinschaft bekannter Essener Persönlichkeiten. Allen voran die Industriellen Alfred Krupp und Friedrich Grillo. Da Grüter aufbrausend war und so gar nicht lammfromm, bekam er den Spitznamen „frommer Joseph“.

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Und wo kommt „Am Krausen Bäumchen“ her? Hier hielt Altfrid vom Hof Asnithi um das Jahr 870 eine große Andacht. Als der Gründer des Stiftes Essen wenig später starb, wurde ihm hier zu Ehren eine Linde gepflanzt, die fast tausend Jahre gestanden haben soll. Ein Kreuz kam dazu. Dieser „Cruceboom“ markierte die Grenze zwischen den Stiften Essen und Rellinghausen. Daraus wurde der Name Krausenbaum. Und wenn ein Missetäter der strengen Gerichtsbarkeit in Rellinghausen entfloh und Essener Gebiet erreichte, war er am krausen Bäumchen. Also (halbwegs) in Sicherheit.  

Pohlmann führt die Teilnehmenden über die Ruhrallee, mit 60.000 Kfz am Tag ganz schön nervig, ins liebliche Siepental. Der Hoverscheider Siepen war ursprünglich ein bewaldetes Wiesental mit einem Bach, der aber in den 1930er Jahren verrohrt wurde. Idyllisch geht es zu im „Gemeinschaftsgarten“. Angebaut wird hier Seltenes wie etwa „Goldfelberich“ oder „Beinwell“ oder „Pillnitzer Vitaminrose“.

In der Kleingartenanlage gab es Johannisbeeren zum Naschen

In der Kleingartenanlage haben „liebe Geister“ Johannisbeeren hingestellt zum Naschen. Dann wird es noch einmal nachdenklich. Ein unscheinbares Tor wird aufgeschlossen und schon steht die Gruppe auf einem klitzekleinen Friedhof. Er wurde von 1766 bis 1855 von Essener und Steeler Juden belegt. Drei Grabsteine sind noch vorhanden. Nun ist Ingo Pohlmann am Ende seiner höchst informativen Tour angekommen und verabschiedet seine Mitspazierenden.  

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