Essen. Nach drei Jahren verbreitet sich die „Elodea“ wieder rasend schnell. Das hat Gründe. Und dann ist auch noch ein Mähboot kaputt...

Es riecht nach Nordsee, doch Urlaubsstimmung mag an Bord nicht aufkommen. Mit langsamer Fahrt schiebt sich das Mähboot des Ruhrverbandes durch eine undurchsichtige, dunkelgrüne Masse. Unter der Wasseroberfläche bewegen sich scharfe Zähne im Gleichtakt wie eine riesige Heckenschere. Was sie absäbeln, transportiert ein Förderband in den Bauch des Bootes. „Das ist wie im Baumarkt, wenn man einen Teppich abrollt“, sagt Schiffsführerin Victoria Kräling. Nur scheint dieser Teppich niemals zu enden.

Was auf den ersten Blick an Algen erinnert, ist die „Elodea“. Die wuchernde Wasserpflanze ist zurück im Baldeneysee. Wasserpest wird sie auch genannt, und das aus gutem Grund. „So schlimm war es noch nie“, sagt Victoria Kräling, die seit 2015 während der Saison die stolzen Fahrgastschiffe der Weißen Flotte Baldeneyee über den See schippert, nun aber auf dem Mähboot aushilft.

Boris Orlowski, Chef der Weißen Flotte und Seemanager, verantwortet den Einsatz des Mähbootes.
Boris Orlowski, Chef der Weißen Flotte und Seemanager, verantwortet den Einsatz des Mähbootes. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

So schlimm wie in diesem Sommer war es zumindest nicht mehr, seit im Juli 2021 das „Jahrhundertwasser“ den Grund des Sees umpflügte. Die gewaltigen Wassermassen rissen nicht nur Pflanzen mit sich wie die „Elodea“, sondern eine weitere invasive Art, die sich im Baldeneysee sehr wohlfühlt. Die Rede ist von der „Corbicula“, der Körbchenmuschel, auf deren Speiseplan nicht die „Elodea“, aber Algen ganz oben stehen.

Auch die „Körbchenmuschel“ hat sich wieder im Baldeneysee verbreitet

Nach drei Jahren ist die „Corbicula“ wieder in ausreichender Zahl im Baldeneysee vorhanden. Dadurch verschwinden die Algen, die das Wasser in den vergangenen Jahren sichtbar eintrübten. Weil das Sonnenlicht nun wieder ungehindert den Grund erreicht, sprießt die „Elodea“. Diese These halten sie beim Ruhrverband für sehr wahrscheinlich. So hängt einmal mehr alles mit allem zusammen.

Das Mähboot lädt seine Fracht im Hafen des Ruhrverbandes ab.
Das Mähboot lädt seine Fracht im Hafen des Ruhrverbandes ab. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Hinzu kommen die vergleichsweise hohen Wassertemperaturen, sagt Markus Rüdel, Sprecher des Ruhrverbandes. Die lagen schon im Februar über vier Grad, weshalb die „Elodea“ zu wachsen begann, und im März über zehn Grad, was das Wachstum mächtig beschleunigt hat. Nun, wo der Sommer da ist, kann man das Ergebnis bestaunen.

Von der Badestelle am Seaside Beach wurden bislang keine Elodea-Sichtungen gemeldet

Weite Teile des Sees sind bedeckt von der „Wasserpest“, insbesondere dort, wo das Wasser flach ist, gibt es kaum noch ein Durchkommen. Die Fahrrinne für die Schifffahrt sei hingegen frei, dort ist der See drei bis fünf Meter tief. Auch von der Badestelle am Seaside Beach am Nordufer seien noch keine Elodea-Sichtungen gemeldet worden, berichtet Boris Orlowski, Chef der Weißen Flotte und Seemanager in Personalunion. Für Wassersportler allerdings wird die „Elodea“ zunehmend zum Problem.

Die „Elodea“ erinnert an der Wasseroberfläche an einen Algenteppich. Für Wassersportler gibt es kaum noch ein Durchkommen.
Die „Elodea“ erinnert an der Wasseroberfläche an einen Algenteppich. Für Wassersportler gibt es kaum noch ein Durchkommen. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

„Wir versuchen, den Wassersport durch das Abmähen weiter möglich zu machen“, sagt Orlowski. Der Ruhrverband und die Stadt Essen hatten sich vor einigen Jahren auf eine Kooperation verständigt, als die „Wasserpest“ den Wassersport nahezu unmöglich machte. Die Weiße Flotte stellt die Schiffsführer, die Essener Arbeit- und Beschäftigungsgesellschaft (EABG) weiteres Personal an Bord. Die Zusammenarbeit habe sich inzwischen bewährt, so auch in diesem Jahr. Die Deutsche Meisterschaft im Rudern und die Westdeutsche Meisterschaft im Kanusport seien trotz der wuchernden Wasserpflanze problemlos über die Bühne gegangen, berichtet Boris Orlowski und nennt dies „Glück im Unglück“.

Eines der beiden Mähboote des Ruhrverbandes fällt wegen eines Motorschadens aus

Zu glauben aber, der komplette Baldeneysee ließe sich von der „Wasserpest“ befreien, sei eine Illusion. „Den ganzen See schaffen wir nicht“, sagt Orlowski. Zu den Segelvereinen halte man Schneisen frei. „Aber einige Bereiche des Sees mussten wir aufgeben.“ Zu allem Überfluss habe die „Nimmersatt“ am Montag den Dienst quittiert. Das zweite, deutlich größere Mähboot des Ruhrverbandes fällt aufgrund eines Motorschadens aus.

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Ein Bagger füllt derzeit täglich zwei große Container mit den Pflanzenresten.
Ein Bagger füllt derzeit täglich zwei große Container mit den Pflanzenresten. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Die ganze Arbeit muss vorerst das kleinere Mähboot erledigen. Das verfügt zwar über eine GPS-Steuerung, wodurch ganze Elodea-Felder präziser abgemäht werden können. Doch nach wenigen hundert Metern Strecke ist der Laderaum voll. Victoria Kräling und ihre Kollegen müssen dann den Hafen des Ruhrverbandes am Hardenbergufer ansteuern, wo die vor Nässe triefende Fracht entladen wird. Zwei große Container füllt ein Bagger damit, wohlgemerkt jeden Tag, und das fünfmal die Woche. So viel kam im ganzen vergangenen Jahr nicht zusammen, berichtet Boris Orlowski.

Die Aufgabe der Mähbootfahrer auf dem Baldeneysee erinnert an Sisyphus

Die Schiffsführer haben beim Mähen inzwischen Routine. Sie können unterscheiden zwischen abgemähten dunkelgrünen Resten, die noch im Wasser treiben und frischen, hellgrünen Pflanzen, denen sie beim Wachsen förmlich zusehen können. Nach getaner Arbeit dauere es nicht lange, „bis die Elodea wieder an der Oberfläche kitzelt“, berichtet Victoria Kräling. So erinnert die Aufgabe der Mähbootfahrer an die des Sisyphus aus der griechischen Mythologie, den die Götter dazu verdammt hatten, einen schweren Felsbrocken einen steilen Berg hinaufzurollen. Kurz vor dem Gipfel entglitt ihm stets der Brocken und rollte zurück in die Schlucht. Boris Orlowski fasst es mit Blick auf die „Elodea“ kurz und bündig so zusammen: „Es ist einfach die Pest.“

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