Essen-Bredeney. Die Etuf-Ruderriege in Essen-Bredeney feiert ihr 125-jähriges Bestehen. Heute geht es nicht mehr nur um Leistung, sondern auch um Gesundheit.

Vor 125 Jahren wurde die Ruderriege des Essener Turn- und Fechtvereins (Etuf) ins Leben gerufen. Das „Hochzeitsboot“, in dem sich damals auch Bertha Krupp aus der Industriellenfamilie gern auf den Baldeneysee hinausrudern ließ, erinnert noch an die Kruppsche Vergangenheit des Vereins. Der ist noch immer auf dem weitläufigen Gelände an der Freiherr-vom-Stein-Straße in Essen-Bredeney beheimatet. Doch die Zeiten ändern sich, auch im Rudersport.

„Früher war die Sportart weitgehend von Männern dominiert, inzwischen sind es mehr Frauen, die das Rudern aus Gesundheits- und Fitnessgründen anfangen“, erklärt Eberhard Wühle (77), stellvertretender Vorsitzender der Etuf-Ruderriege. Wie die anderen sechs Riegen Segeln, Tennis, Hockey, Golf, Turnen und Fechten ist auch die Ruderriege eine selbstständige Abteilung mit eigenem Vorstand unter dem Dach des Gesamtvereins. Dieser war mit den Sportarten Turnen und Fechten bereits 1884 gegründet worden, die Gründung der Ruderriege erfolgte 15 Jahre später.

Essener Etuf-Ruderriege verdankt ihre Existenz der Familie Krupp

Gefeiert wird das 125-Jährige am Sams­tag, 29. Juni, mit einer Mitgliederfahrt mit der „Wei­ßen Flot­te“ auf dem heimischen Baldeneysee. Am Sonn­tag, 30. Juni, gibt es einen Festakt in der Villa Hügel mit Sekt­emp­fang, Fest­an­spra­chen und der Taufe des Achters „Hügel“.

Die Etuf-Ruderriege ist auf dem weitläufigen Gelände an der Freiherr-vom-Stein-Straße in Essen-Bredeney beheimatet.
Die Etuf-Ruderriege ist auf dem weitläufigen Gelände an der Freiherr-vom-Stein-Straße in Essen-Bredeney beheimatet. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

„Im Gegensatz zu vielen Vereinen, die ganz klein angefangen und erst später Gelände und Vereinshaus bekommen haben, war hier schon alles vorhanden. Die Firma Krupp wollte für ihre Angestellten die Möglichkeit schaffen, sich sportlich zu betätigen und sich gesund zu halten“, sagt Wühle. Deshalb habe Krupp die komplette Infrastruktur bereitgestellt, bis heute sei der Etuf Pächter der Anlage.

Der Breitensportbereich der Essener Ruderriege wird immer wichtiger

Damals habe die Riege schnell erste Erfolge im Leistungssportbereich erzielt. Inzwischen spiele der Breiten- und Freizeitsportbereich eine immer größere Rolle, weil das Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung wachse. Bei der Gründung war der Verein nur für Krupp-Angestellte gedacht, später öffnete er sich für alle Interessierten. Heute hat die Ruderriege rund 250 Mitglieder, davon sind 100 regelmäßig aktiv.

Mitgliederzuwachs und Nachwuchsarbeit sind für die Zukunft der Ruderriege unerlässlich. Laut Wühle gilt die Faustregel, dass von 100 Interessierten, die mit dem Rudern beginnen, 20 dabeibleiben und sich fünf für den Leistungssport eignen. Zwischenzeitlich sei die Nachwuchsarbeit schwierig gewesen, weil es an Betreuern gemangelt habe. Jetzt habe man drei ehemalige Rennruderer als Betreuer gewinnen können, „ein paar mehr wären wünschenswert“, so das Vorstandsmitglied.

Das prachtvolle Bootshaus, hier die Südwestseite um 1900, hatte die Etuf-Ruderriege Friedrich Alfred Krupp zu verdanken.
Das prachtvolle Bootshaus, hier die Südwestseite um 1900, hatte die Etuf-Ruderriege Friedrich Alfred Krupp zu verdanken. © Etuf

„Jugendliche wollen in erster Linie Rennen fahren, suchen den Wettbewerb. Für Menschen, die im fortgeschrittenen Alter mit dem Rudern anfangen, steht oft der Gesundheitsaspekt in Vordergrund. Viele kommen, wenn sie in Familie und Beruf zeitlich nicht mehr so stark eingespannt sind“, weiß der 77-Jährige aus Erfahrung. Für Erwachsene bietet der Etuf deshalb regelmäßig Schnupperkurse an, bei denen die Teilnehmenden zehn Mal testen können, ob ihnen die Sportart liegt.

Die Sportart Rudern sich auch für ältere Menschen meist gut geeignet

Rudern könne eigentlich jeder erlernen. Da die Sportart im Sitzen ausgeübt wird, ist sie auch für ältere Menschen gut geeignet. Rudern trainiert nicht nur viele unterschiedliche Muskeln, sondern fördere auch Kondition, Gleichgewichtssinn und Koordination. „Wichtig ist aber, dass man schwimmen kann, auch wenn es gerade bei größeren Booten sehr unwahrscheinlich ist, dass sie umkippen“, betont Wühle. Bis 2022 hat der „Km-Meister“ der Riege übrigens im Einer rund 4000 Kilometer im Jahr zurückgelegt – mit 91 Jahren.

In den Corona-Jahren hat so mancher die „Natursportart“ Rudern für sich entdeckt. „Selbst, als vieles andere nicht möglich war, konnte man ja im Einer oder als Paar im Zweier aufs Wasser“, blickt der stellvertretende Vorsitzende zurück. Bei der Etuf-Ruderriege gibt es für die Mitglieder keine verpflichtenden Dienste. Im Rahmen des „offenen Ruderbetriebs“ müssen die Mitglieder keine Zeiten buchen und können jederzeit aufs Wasser gehen, wenn es das Wetter zulässt.

Det­lef Kalb, stellvertretender Riegenvorsitzender, mit dem Holzboot „Pelagia“ (oben), in dem sich dem Vernehmen nach schon Bertha Krupp auf den Baldeneysee hinausrudern ließ.
Det­lef Kalb, stellvertretender Riegenvorsitzender, mit dem Holzboot „Pelagia“ (oben), in dem sich dem Vernehmen nach schon Bertha Krupp auf den Baldeneysee hinausrudern ließ. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Im Bootshaus ist die Vergangenheit noch recht lebendig. Dort lagern zum Teil noch alte Holzboote, wie die breite Pelagia, eben jenes sogenannte Hochzeitsboot, das der Verein bis heute etwa sechsmal pro Jahr Hochzeitspaaren für Fotos auf dem See zur Verfügung stellt. Es wurde 1902 in den Niederlanden gebaut, befand sich ursprünglich im Privatbesitz der Familie Krupp und wurde später für 500 Reichsmark an die Ruderriege des Etuf verkauft. Es soll eines der ältesten, noch fahrbereiten Boote im Besitz eines deutschen Ruderclubs sein.

Der Essener Verein hat noch zahlreiche alten Holzboote

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Ein Drittel bis ein Viertel der Etuf-Boote sind bis heute aus Holz. Um sie kümmert sich seit 25 Jahren der pensionierte Holzputzbauer und Modellschreiner Helmut Gerds. Die Rennboote für den Leistungssportbereich werden heute eher aus Epoxidharz und Kohlefaser gefertigt und sind damit viel haltbarer und leichter als die Holzmodelle. Insgesamt stehen den Aktiven über 60 Boote zur Verfügung, davon 40 im Breitensport- und 20 im Leistungssportbereich.

Das Ruderbecken von 1953 wird gerade im Winter gern zu Trainingszwecken genutzt.
Das Ruderbecken von 1953 wird gerade im Winter gern zu Trainingszwecken genutzt. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Etliche der Sportlerinnen und Sportler haben sich bei internationalen Wettkämpfen einen Namen gemacht. Darunter Mareike Adams, die bei den Olympischen Spielen in Rio 2016 den siebten Platz belegt habe. Bei der Weltmeisterschaft 2015 habe sie die Bronzemedaille gewonnen., berichtet Eberhard Wühle. Heute sei sie Sportlehrerin an der Maria-Wächtler-Schule in Rüttenscheid. Einen großen Erfolg verzeichnete Gunther Kaschlun mit dem EM-Titel 1957. Aktuell hat sich Mohamed Taieb vom Etuf für die Olympischen Spiele im Sommer in Paris qualifiziert, allerdings startet er für Tunesien.

Eberhard Wühle (r.) und Helmut Janus von der Ruderriege des Etuf im Bootshaus an der Freiherr-vom-Stein-Straße in Essen. Foto: Uwe Ernst / FUNKE Foto Service
Eberhard Wühle (r.) und Helmut Janus von der Ruderriege des Etuf im Bootshaus an der Freiherr-vom-Stein-Straße in Essen. Foto: Uwe Ernst / FUNKE Foto Service © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Ein Relikt aus der Vergangenheit ist auch der Ruderkasten von 1953 in einem Wasserbecken im Keller des Bootshauses. Der wird bis heute vor allem im Winter gern zum Training genutzt. „Dazu hat es schon einen Vorgänger gegeben“, erklärt Eberhard Wühle. Diese Art von Ruderbecken gebe es nicht mehr oft in Deutschland. „Viele Jahre war das nicht so beliebt, aber irgendwann habe es die Ruderer wiederentdeckt.“

Ihre Reisen haben die Etuf-Wanderruderer von Essen bis nach China geführt

Wem der Baldeneysee nicht reicht, der kann am Wanderrudern teilnehmen, das eine Gruppe des Etuf zuletzt bis nach China geführt hat. Erst seit 2022 im Kalender der Etuf-Ruderriege ist dagegen das „Rudern gegen Krebs“, das in diesem Jahr am 7. September stattfindet und den sportlichen Aspekt mit dem Benefizgedanken verbindet.

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