Essen. Demonstranten zogen am Freitag (14. Juni) vor die Allbau-Zentrale in Essen. Sie fordern Sanierung statt Abriss, haben aber kaum noch Hoffnung.
Mit Pfeifen, Bannern und Fahnen haben Bewohner und Bewohnerinnen der Siedlung Litterode im Essener Stadtteil Kray-Leithe gegen den geplanten Abriss ihrer Mietshäuser demonstriert. Stattdessen dringen sie, wie bereits berichtet, auf die Sanierung der Gebäude. Die Chancen stehen nicht gut. „Es sieht schlecht aus, aber wir geben die Hoffnung nicht auf“, sagt Hevres Becker, die Sprecherin der Litterode-Siedler.
Die gebürtige Irakerin kam 1987 mit ihren Eltern in die Litterode. „Wir sind aus dem Irak geflüchtet und leben seit bald vierzig Jahren in dieser Siedlung, das soll auch so bleiben“, sagt die Essenerin. Sie könne sich noch gut an die düsteren Anfangsjahre erinnern, als die Litterode ein sozialer Brennpunkt gewesen sei. Es habe viel Aggression und häufige Polizeieinsätze gegeben. „Mülltonnen wurden angezündet, es war wie in der Bronx.“
Litterode in Essen: Mieter fühlen sich von den etablierten Parteien im Stich gelassen
Mehr als dreißig Jahre später habe sich die Situation spürbar gebessert. Hevres Becker hebt besonders den Zusammenhalt in der Siedlung hervor. Man kenne und helfe sich gegenseitig.
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Von den großen Ratsfraktionen, also CDU, SPD und Grüne, erfahre man im Kampf gegen den Abriss keinerlei Unterstützung. „Wir fühlen uns im Stich gelassen“, sagt Hevres Becker und verweist auf die E-Mail der CDU-Fraktionsvorsitzenden in der Bezirksvertretung. Darin stelle diese klar, dass sie auf Seiten des Allbaus stehe und sich für den Abriss der Häuser ausspreche. Weiter heißt es darin: „Ich kann Ihren Unmut verstehen, aber ich sehe diese Siedlung als einen Ort an, der dem gesamten Stadtteil von Leithe noch nie gut getan hat.“
Wie berichtet, hat das städtische Wohnungsunternehmen Allbau die Häuser in der Siedlung im vergangenen Jahr gekauft. Nach dem Abriss sollen dort 60 öffentlich geförderte Neubauwohnungen zur Miete und 13 Einfamilienhäuser zum Verkauf entstehen.
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Die rund 60 Bewohner der Litterode hingegen sprechen sich für eine Sanierung der Häuser und gegen den Abriss aus. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, gehen sie nun auf die Straße. Vom Flachsmarkt ziehen die Demonstranten am Freitagabend über die Rottstraße vor die Allbau-Zentrale. Politische Unterstützung erhalten sie eigentlich nur aus dem linken Spektrum. Neben der Linken gehören dazu auch Splittergruppen wie MLPD und „Kumpel für Auf“.
So sind es vornehmlich die „Architects For Future“ im Ruhrgebiet, die den Mietern den Rücken stärken. In einem Offenen Brief an den Allbau, die Stadt Essen und die im Rat vertretenenen Parteien kritisieren die Architekten den geplanten Abriss. Dem Klimaschutz-Argument der Wohnungsgesellschaft, durch Abriss und Neubau würden die CO2-Emissionen von 112 auf 9 kg je Quadratmeter Nutzfläche und Jahr gesenkt, widerspricht die Architektengruppe vehement. Ihrer Meinung nach fehlten in dieser Kalkulation die so genannten grauen Energien. Das seien die Energien, die für Abriss und Neubau benötigt würden. Deshalb kommen sie zu der Schlussfolgerung: „Eine maßvolle und vorausschauende Sanierung des Gebäudebestands unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Bewohnenden ist das Gebot der Stunde.“
Hevres Becker weist unterdessen darauf hin, dass sie bereits die Kündigung für ihre Wohnung zu Ende Oktober erhalten habe. Ein Angebot für eine neue Wohnung habe sie nicht erhalten. „Nun stehe ich da mit meinem Mann, zwei kleinen Kindern und meinem pflegebedürftigen Vater.“
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