Essen. Villa Hügel als Schauplatz einer besonderen Performance: Finja Sander begibt sich auf die Spuren von Ernst Barlach und wird zum Kunstwerk.
Die Augen fest geschlossen und ein nachdenklich-ernster Zug um den Mund: Viele Betrachter verstehen „Der Schwebende (Engel)„ von Ernst Barlach mit seinem Bezug zum Leiden und Sterben der Menschen im Ersten Weltkrieg als Friedensdenkmal der besonderen Art. Die Performerin Finja Sander macht aus der Skulptur, die Barlach 1927 für den Güstrower Dom anfertigte, nun eine Arbeit, die nicht nur das Vergangene im Blick hat, sondern auch in die Zukunft weist. Als lebendiges Kunstwerk schwebt die Künstlerin dafür in ihrer Performance „Für Morgen“ eine Stunde lang reglos im Raum: Mit verschlossenen Augen, verschränkten Armen vor der Brust, gehalten von mehreren, an einem schlichten Metallgestell befestigten Gurten.
Ein Dutzend Mal hat Sander ihre Performance „Für Morgen“ im vergangenen Jahr schon gezeigt - an verschiedenen Orten der deutschen Erinnerungskultur, vom Kasseler Mahnmal Karlsaue bis zum Berliner Olympiastadion. Barlachs Figur entstand zwar im Gedenken an die Toten des Ersten Weltkriegs, ist aber auch eng mit den Schreckenstaten der Nationalsozialisten verknüpft. Sie geißelten Barlachs Kunstwerk 1937 als entartet und ließen die Bronze einschmelzen.
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Nur dank eines versteckten Werkmodells konnte nach dem Zweiten Weltkrieg eine neue Skulptur für die Kölner Antoniterkirche entstehen. Diese war auch Inspiration für die Hildesheimer Künstlerin, die ihre Performance nun auch in der Essener Villa Hügel gezeigt hat. Etliche Zuschauer ließen sich das ungewöhnliche Kunstereignis in der großen Halle der altehrwürdigen Krupp-Wohnstätte nicht entgehen.
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Konzertsaal, Leseraum, zuletzt sogar Kinosaal und nun auch Ort für Performance: Die Villa Hügel zeigt auch im Anschluss an die 150-Jahr-Feier, die 2023 für ein spektakuläres Programm sorgte, viele neue Facetten. Mit dem Rechercheprojekt „Alfried Krupp und der Nationalsozialismus“ hat die Krupp-Stiftung die Aufarbeitung der Rolle des Essener Industriellen während der NS-Zeit zudem neu angestoßen und für große Aufmerksamkeit gesorgt. Ein Anknüpfungspunkt auch für Finja Sander, die mit ihrer Arbeit nicht nur die Mechanismen des Gedenkens hinterfragt, sondern in Zeiten zunehmender Militarisierung und Radikalisierung auch zur Debatte stellt, vor welchen Untaten wir in Zukunft die Augen verschließen. MaS
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