Astrid Fülling war in ihrem Leben nie ehrenamtlich tätig – bis sie auf die Gruppe „Essen packt an“ stieß.
„Nein, ich hatte mit meinen Kindern sowie der Berufstätigkeit genug zu tun, ehrenamtlich war ich nie engagiert“, berichtet Astrid Fülling. Dann stieß die heute 68-Jährige auf die Gruppe „Essen packt an“ und ihr Leben nahm eine ziemlich neue Richtung. Stellvertretend für die Gruppe soll das Engagement Astrid Füllings hier vorgestellt werden.
„Aufgrund von gesundheitlichen Problemen konnte ich im Jahr 2014 eine Zeit lang nicht arbeiten und hatte schlicht Langeweile. Da bin ich auf die Initiative ,Essen packt an’ gestoßen“, erinnert sich „Apri“, wie sie bei „Essen packt an“ genannt wird. Das Interesse war geweckt.
„Die Hilfe für Bedürftige hält unsere Gesellschaft zusammen.“
Frank Skrube Marketingchef Wohnbau eG
Als es gesundheitlich wieder besser ging, stieg sie ein, und das mit viel Engagement: „Ich habe die Organisation verschiedener Projekte wie Jahresfeiern, Lagerumzüge, Flohmärkte oder auch der Kinderweihnachtstafel übernommen und dabei mit Freunden die Spenden abgeholt und sortiert“, schaut sie zurück. Ihre erste größere Aktion hat sie gut im Gedächtnis: „Das war die Hilfe für die Betroffenen eines Wohnungsbrandes in Frohnhausen“, erzählt die Frillendorferin. Ein Spendenaufruf brachte eine gewaltige Resonanz, nach kurzer Zeit reichte die Frohnhauser „Friesenstube“ als Lager nicht mehr aus. Neue Unterbringungsmöglichkeiten mussten gefunden werden und vor allem jemand, der den Überblick behielt, nach Spenden trommelte und die verteilte. „Da habe ich gesagt, okay, das kann ich machen“, stellt Astrid Fülling fest.
Um zu verstehen, was sie jeden Tag in der Woche zwischen vier bis fünf Stunden auf Trab hält, muss man etwas mehr über „Essen packt an“ wissen. Noch in den ersten Jahren auf verschiedenen Feldern aktiv, hat sich die Arbeit des eher losen Zusammenschlusses von ehrenamtlich aktiven Menschen auf die Unterstützung von Obdachlosen und anderen Bedürftigen konzentriert. Sichtbar ist die Initiative dienstags und samstags, etwa zwischen 18 und 21 Uhr, wenn in der Nähe der Marktkirche in der Innenstadt warme Mahlzeiten, frisches Gemüse, heißer Kaffee, Hygieneartikel oder Kleidung, Schlafsäcke und mehr weitergegeben werden.
Bekannt geworden ist dies weit über die Stadtgrenzen hinaus unter dem Titel „Warm durch die Nacht“ und durch das mobile „Suppenfahrrad“. Zwischen 70 und 120 Bedürftige werden bei jedem Termin versorgt. „Mittlerweile haben wir einen festen Standort, der unserer Klientel bekannt ist“, erläutert Astrid Fülling. Die Rewe-Märkte Köster/Rellinghausen und Stilleke/Überruhr sowie die Bäckerei Gräler/Überruhr sorgen für frische Ware bei der Ausgabe, die warmen Mahlzeiten werden von den Küchen vom „ATLANTIC Congress Hotel Essen“ in Rüttenscheid und dem „Haus Reichwein“ in Überruhr sowie sporadischen Spendern zur Verfügung gestellt.
In Anbetracht zweier richtiger Lager und mehrerer zusätzlicher Lagermöglichkeiten ist dies schon eine Menge Logistik, die zu bewältigen ist. „Heute kümmere ich mich hauptsächlich um den reibungslosen Ablauf der Ausgabe an unseren Stichtagen und die Ordnung in den Lagern, verbunden mit Abholung und Annahme von Spenden“, schildert Astrid Fülling.
Man kann hinzufügen: Auch für die Essener Gruppe der Initiative „Foodsharing“ ist sie unterwegs, sammelt Lebensmittel und verteilt.
Noch nicht genug? Mittlerweile im Ruhestand, organisiert „Apri“ mit Anderen die Sprechstunden von „Essen packt an“ im Ladenlokal „Lokalfieber“ an der I. Weberstraße, mittwochs zwischen 17 und 20 Uhr. Wenn es Spenden zu sichten gibt, dann wird sie häufig angerufen und – auch dies kommt vor – es gehen „Hilferufe“ bei ihr ein, wenn bedürftige Menschen gesichtet werden. Dann ist sie schon einmal erst in der Nacht zu Hause.
Mit Obdachlosen hatte sie vor ihrer Zeit der Ehrenamtlichkeit keinen Kontakt. „Das ist schon ein ganz besonderer Schlag Mensch. Aber Probleme hatte ich nie damit. Man darf nicht erwarten, dass einem in jedem Fall Dankbarkeit entgegenschlägt. Und man darf nie den Eindruck vermitteln, man gebe Almosen“, sagt sie.
Ihr Blick auf die Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. „Früher hätte ich auch gesagt, niemand muss in Deutschland hungern oder ohne Wohnung sein. Jetzt weiß ich: Das soziale Netz ist viel löchriger, als man denkt. Und die Hilfeangebote sind oft zu kompliziert“, so die Ehrenamtliche.
Die Gemeinschaft, das Gefühl zu helfen und das Wissen, etwas Richtiges zu tun, sind ihr Motor. Und manchmal sind es die Begegnungen wie etwa die regelmäßigen Gespräche mit einem jungen obdachlosen Mann, der im Rollstuhl sitzt, die auch ihr etwas zurückgeben. „Man kann schon sagen, dass sich mein Leben in den vergangenen Jahren ganz schön verändert hat.“
ESSEN PACKT AN |
„Essen packt an“ ist eine Gemeinschaft von bis zu 70 aktiven Ehrenamtlichen und sporadischen Helfern, die nicht in einem Verein organisiert sind. Neben den stationären Angeboten (siehe Artikel) wird die Initiative auch in Notfällen – gerade im Winter – benachrichtigt. Dann werden u.a. wärmende Schlafsäcke oder Kleidung verteilt. Der größte Wunsch der Aktiven ist ein Ladenlokal/eine Wohnung im Innenstadtbereich mit WC und Dusch- sowie Waschmöglichkeit für Obdachlose. Informationen unter www.essenpacktan.ruhr. |
Jeder Beitrag zählt
Wohnbau eG und FUNKE stellen Alltagshelden vor Die Geschichte von Astrid Fülling ist eine von vielen unserer Alltagshelden-Serie. „Das ist noch einmal ein Paradebeispiel für Alltagshelden, die denjenigen helfen, die es am nötigsten haben“, zollt Frank Skrube, Marketingleiter der Wohnbau eG Respekt. „Ein nachahmungswürdiges Projekt.“ Die Wohnungsgenossenschaft hatte sich zusammen mit FUNKE auf die Suche nach Menschen gemacht, die im Ehrenamt Außergewöhnliches leisten – eben Alltagshelden.
„Viele Leute sind sozial engagiert, ohne groß darüber zu sprechen“, so Frank Skrube. „Einige wollten wir stellvertretend einmal ins Rampenlicht stellen.“ Um so vielleicht auch Anregungen zu geben für alle, die sich ebenfalls engagieren möchten, aber noch nicht wissen, in welchem Bereich – und wie ein erster Schritt aussehen könnte. Fest steht: Gesellschaftliches Zusammenleben funktioniert nur wirklich gut mit sozialem Engagement, mit Wort und vor allem Tat. Mit Menschen für Menschen. Gerade auch in schwierigen Zeiten. Hoffnung hat Frank Skrube: „Lange Zeit haben wir alle eher an uns selbst gedacht. Die gegenwärtigen Krisen, allen voran der Krieg in der Ukraine, haben aber zu einem Wertewandel geführt, wieder mehr füreinander da sein zu wollen. Wir interessieren uns wieder mehr für unsere Mitmenschen. So nehme ich das jedenfalls wahr. Und jeder Beitrag ist wichtig.“ Infos zum Ehrenamt gibt es bei der
Ehrenamt Agentur Essen
Web: www.ehrenamtessen.de
Telefon: 8 39 14 90
Mail: info@ehrenamtessen.de