Essen-Holsterhausen/Südviertel. Die Erlöserkirche an der Friedrichstraße hat eine bedeutende Orgel. Nach Jahre langem Vorlauf wird sie jetzt saniert. Wie geht das?
Überall werden die Kirchen geschlossen. Moment mal, aber Claus-Uwe Lindl, Orgelbaumeister der Firma Späth aus Freiburg im Breisgau, hat die Auftragsbücher voll bis 2025? Wie geht das denn? Lindl steht gerade vor der riesigen Schuke-Orgel in Holsterhausens Erlöserkirche, die längsten Pfeifen sind 5,55 Meter hoch, und sagt: „Sie müssen nicht nur an Deutschland denken. Denken Sie auch an China und Korea.“
Die Orgelbau-Firma besteht in fünfter Generation, allein in Deutschland gibt es 400 Betriebe, und für China oder die arabischen Länder würden derzeit Orgeln gebaut, die alle Dimensionen sprengen. Natürlich keine Kirchenorgeln, aber Orgeln für gigantische Konzerthäuser, „China will auch kulturell Weltführer werden“, sagt Uldis Weide, Projektleiter in der Erlöserkirchen-Gemeinde.
Die Orgel, die seit mehreren Tagen abgebaut, eingepackt und nach Freiburg in die Werkstatt der Firma Späth transportiert wird. Pfeife für Pfeife, Register für Register, Ventil für Ventil wird die turmhohe Konstruktion aus dem Jahr 1958 auseinandergenommen. Herr Lindl, aus wie vielen Teilen besteht denn so eine Orgel? Der Orgelbaumeister schaut, denkt und schätzt: „Vermutlich 500.000.“ Und was ist, wenn nach dem Wiederzusammenbau noch Teile übrig sind? Der Orgelbaumeister schaut, denkt und lacht: „Na, wir machen vorher Fotos vom Innenleben der Orgel!“ Im Übrigen wisse man in einem Betrieb, der in fünfter Generation arbeitet, wie eine Orgel aufgebaut ist.
Erste Mängel an der Orgel wurden vor zehn Jahren entdeckt
Die Erlöserkirche, an der jeder Essener und jede Essenerin wohl schon mal mit dem Auto vorbeigefahren ist, weil sie so zentral an der Kreuzung Friedrich-/Bismarck-/Kruppstraße liegt, diese ausgesprochen schöne Kirche also kann man mit einigem Recht als das Epizentrum der evangelischen Kirchenmusik in Essen bezeichnen. Nicht nur, weil der berühmte Bachchor, der weit über Essens Grenzen bekannt ist, hier probt und auftritt. Es liegt auch an der schlicht überwältigenden Wirkung, die der Kirchenraum hat, und nicht zuletzt auch an der Orgel des Berliner Herstellers Karl Schuke. „Ihre Stimmung erlaubt die Wiedergabe von Werken barocker Komponisten auf höchstem Niveau“, urteilt Stephan Peller, Kirchenmusikdirektor der Evangelischen Kirche. Vor zehn Jahren wurden erste Mängel festgestellt, Altersschäden; die Gemeinde sammelte Spenden in einer Höhe von 90.000 Euro. Die Idee, die Orgel klanglich zu erweitern, musste aus Kostengründen verworfen oder zumindest aufgeschoben werden.
90.000 Euro Spenden allein reichen leider nicht für eine Sanierung dieses Ausmaßes – pünktlich am Ersten Advent (3. Dezember) soll die Orgel im Winter wieder an Ort und Stelle stehen, sozusagen generalüberholt. Eine Kirchenorgel, das wissen sogar Laien, funktioniert rein mechanisch; nur die Windzufuhr benötigt Strom, doch die Schuke-Orgel in der Erlöserkirche soll jetzt auch elektronische Komponenten erhalten, ein Speicher-Medium, um die Einstellungen für Klangkombinationen zu registrieren, Kirchenmusikdirektor Peller schätzt die Zahl der Klangmöglichkeiten auf knapp 100.000.
Sanierung kostet 235.000 Euro
Diese Zahl, 100.000, spielt auch bei der Finanzierung des Projektes eine große Rolle – so viel Geld erzielte die Gemeinde durch den Verkauf der Orgel aus der ehemaligen Lukaskirche (heute ein Mehrgenerationen-Projekt plus Kita plus Praxisräume). Macht mit den 90.000 Euro Spenden und einem Griff in die Rücklagen der Gemeinde irgendwann 235.000 Euro – so viel Geld ist nötig, um die Sanierung zu bezahlen.