Essen. Wegen der Schulzeitverkürzung auf zwölf Jahre bis zum Abitur ist der Ruf nach Ganztagsbetrieb laut geworden. Einige Gymnasien kamen dem offiziell nach. Warum aber haben auch zwei Realschulen in Essen offiziell auf „Ganztag“ umgestellt? Die Schulleiter erklären, warum sie ihre Entscheidung nicht bereut haben – und was die Schwierigkeiten waren.
Bei „Ganztagsschulen“ denkt fast niemand an die Realschulen. Immer dann, wenn über den „Ganztag“ diskutiert wird, sind zunächst Grundschulen im Blick – fast alle Häuser in Essen haben mittlerweile einen „Offenen Ganztagsbetrieb“, der auf Wunsch eine Betreuung bis zum Nachmittag sicherstellt. Und seit der Schulzeitverkürzung an Gymnasien und den längeren Lernzeiten bis in den Nachmittag hinein ist der „Ganztag“ auch für sie, die Gymnasien, ein Thema. Längere Lerntage hat so gut wie jedes Gymnasium heutzutage, und neben dem Nordost-Gymnasium (Nordviertel), das seit seiner Gründung eine Ganztagsschule ist, haben zwei städtische Gymnasien mittlerweile offiziell auf Ganztagsbetrieb umgestellt – die Maria-Wächtler-Schule (Rüttenscheid) und das Gymnasium Überruhr.
„Ganztagsoffensive“ des Landes
Als Bernhard Aust vor mehr als sieben Jahren Leiter der Gertrud-Bäumer-Realschule in Altenessen wurde, da wurde ihm ziemlich schnell klar: „Wir sollten hier auch eine Ganztagsschule werden.“ Als das Land dann 2008 die sogenannte „Ganztagsoffensive“ startete und auch Realschulen ermöglichte, umzustellen, zögerte Aust nicht lang. Wobei: „Es war viel Arbeit, intern die entsprechenden Mehrheiten herzustellen. Ich brauchte viel Vorbereitung und gute Argumente.“
Denn Ganztagsbetrieb, das klingt erst mal nach mehr Arbeit für Lehrer in der Schule, vor allem am Nachmittag. Doch Aust hatte sich fest vorgenommen, dem Wunsch der Eltern nach längeren Schulzeiten zu entsprechen: „Die kannten das aus den Grundschulen ihrer Kinder. Die Eltern wollen, dass die Hausarbeiten erledigt sind, wenn die Kinder nach Hause kommen.“
Förderunterricht und AGs
Und so gibt es heute verbindlich Unterricht bis zur achten Stunde, die um 15.05 Uhr endet. Dazwischen gibt es eine Stunde Mittagspause. Es gibt eine Ausgabeküche für das Mittagessen, das aus der Großküche des städtischen Versorgers RGE kommt, die Schüler können aber auch Butterbrote von zu Hause mitbringen. Die Mensa, extra von der Stadt baulich hergerichtet, dient sozusagen als Aufenthaltsort in den Mittagsstunden. Am Nachmittag betreuen die Lehrer dann die Aufgaben, es gibt außerdem Förderunterricht und AGs: Laubsäge-Arbeiten im Technik-Raum, Fußball und Tischtennis, Gesellschaftsspiele, Hiphop-Tanz. Die längeren Präsenzzeiten auch für die Lehrer werden möglich, weil Ganztagsschulen 20 Prozent Aufschlag bei den Stellen erhalten. „Trotzdem“, sagt Aust, „sind wir derzeit leicht unterbesetzt.“ Es ist wie überall: Für Fächer wie Chemie sind kaum geeignete Kräfte aufzutreiben.
Die Gertrud-Bäumer-Schule (710 Schüler) läuft jetzt im vierten Jahr im Ganztagsbetrieb; bis auf die Jahrgänge neun und zehn sind alle Schüler verbindlich bis 15.05 Uhr an der Schule, Ausnahmen: Dienstag und Freitag, da endet der Tag regulär nach der sechsten Stunde. „Dienstags brauchen wir den Nachmittag für Konferenzen und Freitag ist der Start ins Wochenende“, erklärt Aust. Die Anmeldezahlen an der Gertrud-Bäumer-Realschule geben Aust Recht: Die Schule wuchs von drei auf vier Züge (Klassen pro Jahrgang), und von der Krise, die bei den letzten Anmeldungen die städtischen Realschulen erfasste – vier von damals 14 Häusern erzielten die erforderlichen Anmeldezahlen nicht – spürt man in Altenessen nichts. „Ein verbindliches Ganztags-Angebot“, sagt Aust, „ist für diesen Standort genau das Richtige.“