Essen.. Rund 10.000 Besucher kamen am Samstag trotz durchwachsenen Wetters zur Feier der schwul-lesbischen Community auf den Kennedyplatz in Essen.

Darüber, dass es lange Zeit keine rechtliche Gleichstellung Homosexueller in Deutschland gab, hat sich Pallabi ziemlich geärgert. „Ich bin bisexuell, und allein die Tatsache, dass Schwule und Lesben in Deutschland nicht heiraten durften, hat mich darüber nachdenken lassen, auszuwandern“, so die 16-Jährige. Nun, mit der Einführung der „Ehe für alle“ ist dieser Gedanke bei ihr erstmal vom Tisch, und am Samstag hat die Mülheimerin das mit rund 10 000 anderen beim Ruhr CSD in Essen gefeiert. Doch, der Kampf für mehr Akzeptanz sei noch nicht vorbei, mahnen viele.

Es ist ein buntes, aber ruhiges Fest, das ohne unangenehme Zwischenfälle auskommt. Regenbogenfahnen bestimmen das Bild, als rund tausend Teilnehmer bei der „Glückauf-Parade“, dem Höhepunkt des Essener Christopher-Street-Day-Ablegers, ab 13 Uhr eine Stunde durch die Straßen ziehen. Auch vom durchwachsenen Wetter lassen sie sich nicht vom Marsch abhalten. Wozu gibt es schließlich Schirme in Regenbogenfahne? Und die andere Hand ist auch noch frei, um Transparente wie „Lesben: bunt, fröhlich, sichtbar“, oder „Liebe kennt kein Geschlecht“ stolz hochzuhalten.

Homophobie ist noch nicht abgeschafft

„Homophobie ist noch immer nicht abgeschafft“, mahnt Georg Müller“. Der 35-Jährige ist aus Wuppertal angereist, um sichtbar Stellung zu beziehen. „Auch aus Neugier“ sei er nach Essen gekommen. Von der Parade sei er allerdings ein wenig enttäuscht. Zwar gibt die Samba-Kapelle, die bei der Parade die Stimmung anheizt, richtig Gas, aber: „mit dem CSD in Köln ist das nicht vergleichbar, der ist zehn Mal so groß.“

Mit Köln oder Berlin wolle man sich auch gar nicht messen, räumt Ruhr-CSD-Sprecher Dietrich Dettmann ein. „Das können wir auch gar nicht leisten.“ Die Betonung der Veranstaltung, zu der man „alle offenherzigen Menschen im Ruhrgebiet“ eingeladen habe, liege vor allem im Politischen. „Es braucht Begegnungen, um Toleranz und Akzeptanz zu schaffen“, ist Dettmann überzeugt – der Ruhr CSD wolle dafür eine Bühne schaffen. „Ich freue mich, wenn zum Beispiel ein Kaffeekränzchen älterer Damen uns besucht, um zum Musikprogramm zu schunkeln.“ Schlager, Travestie und Co. habe nämlich trotz des politischen Anspruchs seinen Platz auf dem Kennedyplatz, wo die Parade endet und mit einem buntem Programm weitergefeiert wird: „Es ist ein wenig wie Brot und Spiele: Mit der Musik generieren wir die Aufmerksamkeit, die die politischen Botschaften brauchen.

Essens Oberbürgermeister als Schirmherr

Mit Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen hat der Ruhr CSD da einen besonders prominenten Botschafter. „Es ist doch toll für schwule Jugendliche aus Essen, wenn sie sehen, dass ihr Oberbürgermeister auch schwul ist: Das macht ihnen vielleicht einiges einfacher“, so Dettmann.

Nicht nur bekennt sich Kufen, der die Schirmherrschaft für den Ruhr CSD übernommen hat, offen zur Ehe für alle, er verrät auch:„Meine erste Ehe, die ich in meiner neuen Funktion als Standesbeamter geschlossen habe, war die eines Mitarbeiters mit seinem Mann. Ich war dort nervöser als bei der eigenen Hochzeit mit meinem Mann.“

Politik wirbt um Stimmen

Der politische Anspruch wird auch an der Anwesenheit der Parteien sichtbar: CDU, SPD, FDP, Grüne und Linke sind mit Ständen anwesend und diskutieren mit Besuchern. „Unser Motto dieses Jahr ist: Du hast die Wahl“, so Dettmann, Damit sei nicht nur gemeint, dass man selbst entscheiden könne, wen man liebt und wie man lebt, sondern eben auch, dass man die Partei wählen soll, von der man meint, die dies am besten vertreten könne“, sagt er mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl.

Die Aktivisten wollen ihren Fokus künftig auf die Rechte der Transgender richten: Das sind Menschen, die sich nicht auf die Geschlechterrolle festlegen wollen, die ihnen von Geburt durch körperliche Merkmale gegeben wurde: Denn deren staatliche Diskriminierung sei immer noch gegeben: „Das Transsexuellengesetzt gehört erneuert“, sagt er. Doch den Sieg, den die Community mit der „Ehe für alle“ errungen hat, feiern sie noch bis in die Nacht.