Essen. Es war klar, dass die internen Vorwürfe gegen die EBB-Fraktionsspitze nicht ohne Folgen bleiben würden. Doch jetzt gerät der Zwist aus den Fugen.
Dass ihre Wählervereinigung „nicht mehr sexy genug ist“, diese Erkenntnis ist dem neuen Chef des Essener Bürger Bündnisses (EBB) jüngst von selbst gekommen. Wenn’s nur das wäre: Inzwischen ist der Streit um fehlerhafte Abrechnungen und seltsame Zahlungsströme bei der dreiköpfigen Ratsfraktion vollends eskaliert. Ihrem Geschäftsführer, der den Oberbürgermeister vor einigen Tagen auf das seltsame Finanzgebaren aufmerksam gemacht hatte, droht jetzt der Rauswurf, sollte er nicht Abbitte leisten. Der denkt nicht dran und spricht von „Nötigung“.
Denn unterschreiben sollte er eine Aufhebungsvereinbarung, in der er ausdrücklich zurückrudert und plötzlich das Gegenteil dessen behauptet, was ihn zur Kontaktaufnahme mit der Stadtspitze getrieben hatte. Tenor: Er habe die Verwendung der städtischen Gelder und die von ihm beanstandeten Vorgänge und Transaktionen noch einmal geprüft, und sorry, Kommando zurück, es war doch alles okay.
Der Geschäftsführer klagt: „Die Fraktion will mich zu einer Falschaussage nötigen“
War es aber nicht, beteuert der Gefragte, der nicht zuletzt aus Sorge, sich selbst strafbar zu machen, den OB informiert hatte und nun Alarm schlägt: „Die Fraktion will mich zu einer Falschaussage nötigen und droht mir andernfalls mit fristloser Kündigung“, so schreibt der Noch-Geschäftsführer in einem Brief an diverse Bündnis-Mitglieder und den Oberbürgermeister. Das aber lasse er nicht mit sich machen, seines Erachtens sei „damit der Straftatbestand der Nötigung erfüllt: Ich behalte mir daher eine Strafanzeige gegen die EBB-FW-Fraktion ausdrücklich vor“.
Was ist Nötigung?
Der Geschäftsführer der EBB-Fraktion im Rat wirft der Fraktionsspitze „Nötigung“ vor, weil sie ihm mit einer fristlosen Kündigung droht, sollte er getätigte Behauptungen nicht zurücknehmen.Im Strafgesetzbuch heißt es dazu in Paragraf 240: „Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Denn erstens habe er im Nachhinein ja gar nicht die Möglichkeit gehabt, sämtliche Belege erneut zu prüfen, und zweitens habe sich an seiner Bewertung der Vorgänge im Prinzip „nichts geändert“. Kurios wäre die schriftlich abverlangte Kurskorrektur zudem schon deshalb, weil da nichts zurückzuholen ist: OB Thomas Kufen hat die internen Anschuldigungen mitsamt dem klaren Dementi von EBB-Fraktionschef Kai Hemsteeg bereits postwendend zur Prüfung an die Staatsanwaltschaft weitergereicht.
Staatsanwaltschaft hat noch keine offiziellen Ermittlungen aufgenommen
Der liegt, wie berichtet, bereits seit Monaten die Strafanzeige weiterer Ex-Mitglieder des Essener Bürger Bündnisses vor, auch dort geht es um zweckwidrige Verwendung von Fraktionsgeldern etwa für den Wahlkampf und zudem um „Scheinrechnungen“ zugunsten von EBB-Aktiven. Doch noch zögert die Behörde offenbar, offiziell Ermittlungen aufzunehmen, so bestätigte es am Montag die Sprecherin der Behörde, Oberstaatsanwältin Anette Milk.
Derweil zeigte sich EBB-Fraktionschef Kai Hemsteeg am Montag irritiert über die Vorwürfe des Fraktions-Geschäftsführers und versicherte: „Wir nötigen niemanden.“ Es gehe vielmehr „um die Frage: Wie kommen wir sauber auseinander?“ Dazu sei man in Verhandlungen, Details über die Vereinbarung mag Hemsteeg allerdings nicht preisgeben. Offen ist noch, wie viele EBB-Mitglieder sich hinter den Geschäftsführer scharen, dessen altersbedingter Abschied aus der Geschäftsstelle des Bürger-Bündnisses mit 71 Jahren ohnehin zum Jahresende anstand. Am Ende geht es beim Rauswurf also wohl weniger um bare Münze – als ums Prinzip.