Essen. In der Gemarkenstraße 18 im Stadtteil Holsterhausen betreibt Tankwart Manfred Milz die älteste Tanke zwischen Flensburg und dem Bodensee. Den umsatzstarken Großtankstellen der Mineralölkonzerne setzt der Essener Service, Höflichkeit und Charme entgegen. Viele Stammkunden belohnen dies.

Um solch treue Kundschaft darf man Manfred Milz wirklich beneiden. Als der Tankwart aus der Gemarkenstraße 18 am Mittwochmorgen die just eingetroffene „Route 66“-Ansichtskarte aus der Post fischt, liest er Zeilen, die wohlig unter die Haut gehen.

Martin und Susanne, frischvermühlt und auf Flittenwochen in den Staaten unterwegs, schreiben dem „besten Tankwart der Welt“ dies: „Wir haben schon ganz viele Tankstellen gesehen, da wir fast jeden Tag tanken müssen. Der Sprit ist hier günstig, aber keine Tankstelle ist so schön wie deine.“

Eine andere Art von Tankstelle

Bester Tankwart, schönste Tankstelle - nun ja, mit Superlativen kokettiert auch Manfred Milz gerne. Über der engen Hofeinfahrt prangt eine schmale Werbetafel mit dem nächsten Superlativ. Einem, der den Holsterhausener Traditionsbetrieb als „Älteste Tankstelle Deutschlands“ ausweist. „Der Tankstellenfachverband hat recherchiert und ist so auf uns gekommen“, sagt Manfred Milz stolz. Das allermeiste, was eine Großtankstelle von heute auszeichnet, sucht der Autofahrer hier vergebens: ein Dutzend Zapfsäulen, High-Tech-Waschanlage, den Shop mit warmen Croissants und die breite Ausfallstraße zum Abfahren.

Einmal volltanken, bitte



Friedrich Caspar hat die Tankstelle 1924 gegründet. Sohn Fritz führt das Geschäft fort und adoptiert 1970 Manfred Milz (seit 1996 Inhaber).



Manfred Milz-Caspa
r hat Tankwart gelernt. Service und Menschenkenntnis, sagt er, seien die Seele des Berufs.



Fotostrecke: waz.de/essen

Bei „Manni“, wie ihn die meisten Kunden nennen, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Seine freie Tanke verhält sich zu den Service-Stationen großer Mineralölkonzerne wie ein Slow-Food-Restaurant zum langweiligen Imbiss einer Fast-Food-Kette. Es ist die Entdeckung der Langsamkeit.

„Ich habe einfach einen Gang runtergeschaltet“, sagt Milz augenzwinkernd. Wohl wahr. Seit eh und je hat die älteste Tankstelle zwischen Flensburg und Bodensee dienstags geschlossen. Auf dem alten Schild im Hof steht noch die altmodische Bezeichnung „Kraftwagenanlage“ - und über den drei Säulen eine große Auswahl an Ölkännchen. „Ein Geschäft zum Geschäfte machen ist das nicht“, bekennt Manfred Milz selbstkritisch. „Man muss schon Idealist sein.“

Vertrauen auf Stammkundschaft

Während die Konkurrenz die spritdurstige Kundschaft anspringt, indem sie die Preise binnen zwei Stunden um sieben Cent runter- und raufjagt, gibt Manfred Milz zu: „Die machen in einem Monat soviel Umsatz wie wir in einem Jahr, mithalten können wir da nicht.“

Die älteste Tankstelle

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Die Tankstelle Caspar an der Gemarkenstraße.
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Zum Glück macht auch seine treue Kundschaft bei dieser rasenden Cent-Fuchserei nicht mit. Sie will stattdessen: guten Service und Höflichkeit. „Ich habe Kunden aus Kettwig, die kommen, obwohl sie an zwölf billigeren Tankstellen vorbeifahren.“ Diesen Satz kaum über die Lippen gebracht, schneit quasi als Beweis Manuela Buck herein. Die Golffahrerin aus Heisingen sagt: „Als mein Mann Student war, hat er hier schon auf dem Hof geschraubt.“ Bezahlen muss sie übrigens (heute) nicht. „Diesel für 51 Euro und die Kiste Mineralwasser“ werden mit Hand säuberlich in die alte Registratur eingetragen. Das Geld lässt Milz erst per Ultimo abgebuchen - so wie anno dazumal.

Für junge Leute zählt der Preis

„Einmal volltanken, bitte,“ ruft Kartoffelhändler Hubert von der Stein. Als Milz nach einer kleinen Ewigkeit den Rüssel aus dem grünen Laster zieht, stehen 264,59 Liter und 381,01 Euro auf der Uhr. Wenn alle so viel tanken würden, wäre er ein Krösus. „Aber für die jungen Leute“, sagt er, „zählt nicht Service, sondern nur der Preis.“

Manfred Milz (64), der in seiner Freizeit für die Rockband „Uhrwerk“ in die Saiten greift, denkt noch lange nicht ans Aufhören. „Solange ich mit meiner Gitarre noch auf den Boden komme, werde ich auch an der Säule stehen.“