Essen-Südviertel. Die Nonnen, die einst in Essen eine der ersten Babyklappen gründeten und Obdachlosen halfen, haben sich zurückgezogen. Ein schwieriger Abschied.
Die Entscheidung war durchaus umstritten, als die Essener Elisabeth-Schwestern einst eine der ersten Babyklappen in Nordrhein-Westfalen einrichteten. Doch sie haben ihren Entschluss stets gegen alle Widerstände verteidigt. „16 Babys wurde so gezeigt, was sie vielleicht nie erfahren hätten, dass sie nämlich im Leben willkommen sind.“ Dieser Satz steht in der Festschrift, mit der sich die Nonnen jetzt aus ihrem Haus, dem Nazareth-Haus an der Beethovenstraße, verabschieden. Vier Ordensfrauen waren es zum Schluss noch, alle weit über 80, die sich bis zum letzten Arbeitstag um Menschen in Not oder sozialer Schieflage kümmerten.
Elisabeth-Schwestern gründeten in Essen Kindergarten und Schule

Die Babyklappe reiht sich ein in das vielfältige, soziale Engagement, das den Schwestern seit Beginn ihres Wirkens immer am Herzen lag. Ihr Orden entstand Mitte des 19. Jahrhunderts und damit zu einer Zeit, in der Städte wie Essen zwar einerseits zu den aufstrebenden Industrieregionen zählten, sich andererseits aber auch Schattenseiten Bahn brachen. Vielen Menschen war es nicht vergönnt, an dem Aufstieg teilzuhaben, sie lebten in Not und Elend.
Sich ihnen zuzuwenden, sah die Ordensgemeinschaft der Barmherzigen Schwestern von der Heiligen Elisabeth, so der offizielle Name, als ihre Aufgabe an. Das Nazareth-Haus an der Beethovenstraße im Südviertel sollte zu einer ihrer Niederlassungen in Essen werden. Sie gründeten einen Kindergarten, später eine Schule und boten Frauen Obdach, die sonst keine Unterkunft fanden, um nur einige Beispiele zu nennen.

Da sie die Not von Frauen Tag für Tag erlebten, kam, wie in der Festschrift zu lesen ist, im Jahr 2000 der Gedanke auf, dass man mit einem Babyfenster ein wichtiges, ein elementares Hilfsangebot schaffen könne. Als Partner holte der Orden den Sozialdienst katholischer Frauen mit ins Boot und das Elisabeth-Krankenhaus, das sich um die weitere Versorgung der jungen Erdenbürger kümmerte. 2013 übernahm das Hospital dann auch die Babyklappe selbst. Der Standortwechsel ist den Nonnen nicht leicht gefallen, aber Tag und Nacht Präsenz zu leisten, wurde auch angesichts einer schwindenden Zahl an Nonnen immer schwieriger.
Ordensfrauen kümmerten sich um ankommende Flüchtlinge
Sozialen Aufgaben wandten sie sich gleichwohl mit unvermindertem Einsatz zu. Sie sorgten sich 2015 um ankommende Flüchtlinge, nahmen sie bei sich auf, bereiteten ihnen Essen zu. Dass sie sich stets den Herausforderungen der Zeit stellten, zeigte sich unter anderem auch in der Betreuung von Senioren, die lange Jahre zu ihrem Aufgabenfeld gehörte.
Hauskapelle wird demnächst umgebaut
Die Hauskapelle, für die Ordensfrau Mittelpunkt ihres geistlichen Lebens, hat inzwischen der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck profaniert.Der Raum soll in nächster Zeit umgebaut werden und unter anderem als Ort für Veranstaltungen und Versammlungen dienen.In dem jetzigen Mutterhaus des Ordens in Schönebeck leben 22 Nonnen.
Als sich abzeichnete, dass die Schwestern eines Tages das Haus nicht mehr würden bewirtschaften können, wollten sie auf Nummer sicher gehen und ihr Erbe in gute Hände geben. Es solle in ihrem Sinne weitergeführt werden, war das erklärte Ziel. 2017 verkauften sie das Haus an die CSE, ein sozialer Träger unter dem Dach von Caritas und dem Sozialdienst katholischer Frauen. Ins Stammbuch schrieben sie der Organisation, dass das Nazareth-Haus dauerhaft sozialen Diensten zur Verfügung stehen soll.
Das geschieht in vielfacher Weise. Den Mädchen und Jungen in den drei Gruppen des Kindergartens Hoppetosse bietet das Haus viel Platz, Beratungsstellen sind hier zu Hause, zudem hat das Kinderpalliativnetzwerk hier seinen Sitz mit Büro- und Besprechungsräumen für die zahlreichen Helfer und Pflegekräfte. Schließlich sind dort Jugendliche untergebracht, die sich auf ein selbstständiges Leben vorbereiten. Die Zahl der Wohnungen wird sich nun noch weiter erhöhen, die Wohnräume der Nonnen werden nach deren Auszug umgebaut.
Angebot für Obdachlose besteht auch im Lockdown weiter fort

Auf den Fortbestand des Angebotes im Untergeschoss legten die Ordensfrauen schließlich besonderen Wert. Dort ist die Elisabeth-Oase zu Hause, in der Obdachlose Essen erhalten. Sie ist auch im Lockdown nicht geschlossen, allerdings bekommen die Betroffenen derzeit Lunchpakete. Da der Raum recht klein ist, sucht die CSE nach einem neuen Standort, an dem Angebot selbst wolle man aber festhalten, so wie es auch den Nonnen versprochen worden sei.
Die vier Schwestern leben seit wenigen Wochen im Mutterhaus in Schönebeck. Als sie die Beethovenstraße verließen, war es der letzte von einstmals 18 Standorten im Stadtgebiet, an denen der Orden in vielfältiger Weise seine Dienste versah. Von einem Rückzug mag Schwester Diethilde Bövingloh, die heutige Ordensleiterin, nicht sprechen. „Die Ordensfrauen haben ihre Aufgabe vollendet“, sagt sie. Die Dienste würden nun in anderer Form fortgeführt.