Kennen Sie ihn noch? Heinz Schubert als Alfred Tetzlaff, das Ekel? Einige der 25 Episoden der Fernsehserie „Ein Herz und eine Seele“ von Wolfgang Menge darunter „Die Silberhochzeit“ und „Der Silvesterpunsch“ sind zu Standards mit festen Sendeplätzen für jährliche Wiederholungen geworden. Diese Beiden hat Menge zu einem Bühnenabend zusammengestellt.
Am Theater im Rathaus läuft vor vollen Häusern eine von Hans Thoenies inszenierte Version – und legt den Beweis für das kaum möglich Gehaltene vor: Es geht auch mit alternativer Besetzung! Die vier stets unter dem Druck des Vergleichs mit dem Original agierenden Schauspieler (Georg Troeger, Christiane Rücker, Ariane Ott, Tom Keidel) bringen das Kunststück fertig, sich aus dem Schatten der 1973er Tetzlaffs herauszuspielen und der Kopie den Beigeschmack des Abgekupferten zu nehmen. Die politischen Verhältnisse und zeitgeschichtlich typischen Zusammenhänge wurden gelassen, wie sie vor 40 Jahren eben waren. Eine Geschichtsstunde.
Wie in der Fernsehfassung ist natürlich Alfred Tetzlaff, der halb gebildete Widerling, das Ekel, Dreh- und Angelpunkt. Mit der Darstellung des widerborstigen Charakters steht und fällt eine solche Aufführung. Georg Troeger hat Schubert und seine Figur, den Kotzbrocken genauestens studiert und legte einen Tetzlaff hin, der zu seinem Original wie ein eineiiger Zwilling steht. Troeger spielt Schubert spielt Tetzlaff. Das ist schon mehr als die halbe Miete. Horst Neumanns dem Fernseh-Bühnenbild getreu folgende Ausstattung eines aus den 50ern stammenden 70er-Haushalts tat ein Weiteres. Dazu drei individuelle Charaktere, mit denen der Tetzlaffsche Haushalt komplett wird: Else, die „dusselige Kuh“, was anscheinend an ihr abläuft, ihr aber doch zusetzt. Christiane Rücker, in den 60ern durch ihren enormen Sex-Appeal eine der aufregendsten Frauen des deutschen Films, ist in den Hauskittel geschlüpft und zeigt eine etwas weniger forsche Else als Else Weidemann. Sie entledigt sich der diffizilen Aufgabe – immer noch eine sehr attraktive Frau – mit Anstand und leisem Humor.
Ariane Ott macht in ihrem fantastischen 70er-Jahre-Super-Mini, Lackstiefeln sowie der selbstbewussten Haltung einer fest auf dem Boden stehenden jungen Frau in einer sich erneuernden Gesellschaft und moderate Mittlerin eine erstklassige Figur, ein alter ego der Figur der Rita. Dass sie auch eine Augenweide ist, sei am Rande erwähnt. Bleibt Tom Keidel als Michael Graf. Er kommt im Vergleich mit den Original-Charakteren zwar nicht direkt schlecht, aber insgesamt am wenigsten gut weg. Den lakonischen Biss, den Diether Krebs seinerzeit dem Michael gegeben hatte, kann Keidel nicht so vermitteln, wie Krebs es tat.
Die Inszenierung in Essen ist ein knackiger Knüller von gut verdaulichen knapp zwei Stunden. Das Stück wird noch bis zum 30. Juni gespielt.