Essen. Die Unternehmen in Essen sind zu Jahresbeginn wieder deutlich skeptischer, wie eine IHK-Umfrage zeigt. Das liegt vor allem an zwei Faktoren.
Die Aluminiumhütte Trimet in Bergeborbeck produziert seit Monaten mit angezogener Handbremse. Die Produktion ist bereits seit Oktober 2021 gedrosselt. Schuld sind die enorm gestiegenen Strompreise. „Die Aluminiumherstellung ist energieintensiv. Der anhaltend hohe Strompreis trifft uns deshalb besonders hart“, sagt der Vorstandsvorsitzende Philipp Schlüter. Mit diesen Mehrkosten sei eine wirtschaftliche Produktion von Aluminium in Deutschland derzeit nicht möglich.
Bestehende Lieferverträge erfüllt die Trimet freilich, aber neue Aufträge muss die Hütte ablehnen. Eine besonders bittere Situation für das Unternehmen. Denn Trimet verzeichnet nach eigenen Aussagen eine große Nachfrage nach Aluminium. „Wir könnten die Produktionskapazität unserer Aluminiumhütten in hohem Maße auslasten“, so Schlüter.
Trimet ist in Essen der mit Abstand größte Stromverbraucher. Mit sechs Terawattstunden benötigt die Hütte im Jahr so viel Strom wie die restliche Stadt. Deshalb ist Trimet von den derzeitigen Stromkosten auch besonders betroffen, aber ein Einzelfall ist es bei weitem nicht.
IHK: Stimmung in den Betrieben ist gedämpft
Die Industrie- und Handelskammer Essen (IHK) hat am Dienstag ihre neuste Konjunkturumfrage vorgelegt. Die Geschäfte gerade in der Industrie laufen derzeit gar nicht schlecht, sagt IHK-Konjunkturexperte Heinz-Jürgen Hacks mit Blick auf die Umfrageergebnisse. Allerdings blicken die Unternehmen insgesamt wieder deutlich sorgenvoller in die Zukunft als in der vorangegangenen Umfrage im Herbst. „Die Aufbruchstimmung vom Herbst ist verflogen. Der Entwicklung in den nächsten Monaten stehen viele Betriebe abwartend gegenüber“, heißt es im Fazit der IHK zu Essen. Energiepreise, Corona und Rohstoffprobleme: Zu viele Unsicherheiten dämpften die Stimmung.
Besonders die Industrie scheint die Kostenwelle bei Energie- und Rohstoffen zu bedrücken: Fast acht von zehn der befragten Industriebetriebe sehen die Entwicklung mit Sorge, so die Kammer. Der Konjunkturklimaindex in der Industrie geht daher deutlich um 13 auf 120 Punkte zurück. Für einige Unternehmen wird die Kostenlawine zur Überlebensfrage. Nach einer Umfrage der IHK NRW sehen zehn Prozent der Betriebe die hohen Energiepreise für sich als existenzgefährdend an.
Unternehmen geben höhere Preise weiter und sparen bei Kosten
Die Lage am Strom- und Gasmarkt erhöht unterdessen den Druck auf die Unternehmen, Kosten zu senken und sich unabhängiger von der konventionellen Energie zu machen. Sanha, der Essener Hersteller von Rohrleitungssystemen für die Heizungs-, Sanitär-, Kälte- und Klimatechnik, kann sich zwar momentan über die Auftragslage nicht beklagen, dennoch seien die Zeiten mit Blick auf die Energiepreise und den Rohstoffmangel „fordernd“, meint der für die Öffentlichkeitsarbeit Verantwortliche, Sven Kalbitzer.
Um Energie zu sparen, hat das Unternehmen im vergangenen Jahr die gesamte Beleuchtung in seinen Werken auf LED umgestellt und auf zwei Fabriken Photovoltaikanlagen installiert. Der Fuhrpark wird nach und nach auf Elektrofahrzeuge bzw. Hybridfahrzeuge umgestellt, denn auch Diesel ist enorm teuer geworden. Ebenso helfe die Digitalisierung von Prozessen im Büro und der Produktion, Ressourcen zu sparen, sagt Kalbitzer.
Gute Auftragslage, aber Material fehlt
Neben der Energie trifft viele Betriebe, aber auch die Rohstoffsituation hart. Sanha berichtet von Preissteigerungen je nach Werkstoff zwischen 20 bis 50 Prozent. Wer kann, gibt die Preise an seine Kunden weiter. Heinz-Jürgen Hacks kennt Unternehmen, die im vergangenen Jahr dreimal die Preise erhöhen mussten, ohne dass die Kunden auf die Barrikaden gegangen wären.
Doch nicht nur die gestiegenen Rohstoffpreise sind das Problem. Viele Unternehmen, weiß Hacks, kommen momentan nicht an genügend Material. „Die Aufträge sind da und die Betriebe könnten Gas geben, doch die Materialien fehlen.“ Das hört er dieser Tage immer wieder. „In diesem breiten Maß habe ich das noch nicht erlebt“, meint Hacks.
Corona belastet weiter den Einzelhandel stark
Generell blicken Industrie, Handel und Dienstleister in Essen eher verhalten in die nahe Zukunft. Fast jedes fünfte Unternehmen glaubt, dass die Geschäfte in den nächsten Monaten schlechter laufen werden als zuletzt. Als die IHK das Stimmungsbild im Herbst einfing, hatten die Pessimisten nur einen Anteil von zehn Prozent. „Die Unternehmen können nur auf Sicht fahren. Die Planungssicherheit fehlt derzeit in vielen Bereichen“, beschreibt IHK-Hauptgeschäftsführerin Kerstin Groß die Lage.
Gerade der Handel, die Gastronomie, die Veranstaltungs- und Kulturwirtschaft haben weiter unter den Corona-Restriktionen zu leiden. 36 Prozent der befragten Händler – und damit acht Prozentpunkte weniger als noch im Herbst – berichten derzeit von einer guten Geschäftslage. 15 Prozent bewerten ihre Situation hingegen als schlecht. Branchenkenner wissen von Umsatzeinbrüchen im Einzelhandel je nach Sortiment von 25 bis 50 Prozent. Der Einzelhandel fordert daher vehement die Abschaffung der 2G-Regel. Doch wann generell Corona-Lockerungen kommen, ist nach den derzeit unterschiedlichen Signalen aus der Politik und Wissenschaft ungewiss.