Essen. Am 23. Dezember vor genau 25 Jahren endete auf Zeche Zollverein die Bergbautradition. In einer Gedenkfeier erinnerten ehemalige Steiger an ihre Arbeit: „Für die Belegschaft kam das Ende nicht überraschend“, sagt einer der Kumpel.

Bedrückte Mienen, hängende Schultern und das Ende einer Ära: Einer nach dem anderen schleichen die Kohle verschmierten Kumpel von Schacht 10 dem Feierabend entgegen - dem letzten auf Zeche Zollverein. Ein Film zeigt, was sich vor genau 25 Jahren auf Zeche Zollverein abgespielt hat. Am 23. Dezember 1986 fuhren 1300 Bergleute zur letzten Schicht aus. Heute ist ihr einstiger Arbeitsplatz Industriedenkmal und Unesco-Welterbestätte.

Einer von ihnen ist Ulrich Bode. „Für die Belegschaft kam das Ende nicht überraschend“, sagt der ehemalige Steiger, heute Vorsitzender des Vereins Zeche Zollverein, gestern bei einer Feierstunde auf dem ehrwürdigen Gelände. Denn schon Ende der 70er Jahre beschloss die Ruhrkohle AG zunächst die Fördermenge zu reduzieren und die Belegschaft stufenweise zu senken.

"Ich bin mutlos nach Hause geschlichen"

Anfang 1984 fiel der Beschluss, die Schachtanlagen bis Ende 1986 stillzulegen. „Manchen machte das gar nicht mehr viel aus“, sagt Bode, „die hatten schon mehrere Zechenschließungen hinter sich“. Ihn aber habe das sehr getroffen. „Ich bin mutlos nach Hause geschlichen. Am Abschluss-Biertrinken habe ich mich nicht mehr beteiligt.“

Arbeitslos wurde damals zwar niemand - einige wechselten in den Vorruhestand, viele der Zollverein-Kumpel setzten ihre Tätigkeit auf anderen Zechen fort. Aber die Schließung der Anlage als letztes Bergwerk auf Essener Stadtgebiet wurde zum Symbol für die Endphase der Kohle an der Ruhr - und zu einer emotionalen Geschichte.

Auch Günter Stoppa war dabei. Für den damals 55-jährige Bauleiter vom Verbund Bergwerk Nordstern/Zollverein bedeutete das zwar nicht die letzte Sicht. „Ich habe noch bis zum 1. Oktober 1988 weitergearbeitet und bin dann in den Ruhestand gegangen“, sagt er. „Aber es war hart, zu wissen, die vielen liebgewonnenen Kollegen sehe ich ab morgen nicht mehr.“ Heute ist der 80-Jährige der älteste Gästeführer auf Zollverein.

Schicht im Schacht nach 140 Jahren

„Nach 140 Jahren hieß es ,Schicht im Schacht’“, fasst es Jolanta Nölle vom Vorstand der Stiftung Zollverein zusammen. „Das war traurig aber machte gleichzeitig auch den Weg frei für Kunst und Bildung und eine neue Identität des Standortes die wir für alle Menschen öffnen wollen.“ 1000 Arbeitsplätze seien seit der Umnutzung entstanden.

Zehn Jahre Weltkulturerbe

Das Zechenfest zieht jedes Jahr tausende Besucher an - auch, wegen der besonderen Ausblicke, die sich etwa von der Panorama-Terrasse bieten.
Das Zechenfest zieht jedes Jahr tausende Besucher an - auch, wegen der besonderen Ausblicke, die sich etwa von der Panorama-Terrasse bieten. © Jan Dinter/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Das wohl meist fotografierte Bild im Ruhrgebiet: Der mächtige Doppelbock auf Zollverein.
Das wohl meist fotografierte Bild im Ruhrgebiet: Der mächtige Doppelbock auf Zollverein. © Sebastian Konopka/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Egal ob mit Schnee bedeckt...
Egal ob mit Schnee bedeckt... © Sebastian Konopka/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
...als Kulisse für waghalsoge Künstler bei der Extraschicht...
...als Kulisse für waghalsoge Künstler bei der Extraschicht... © Alexandra Umbach/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
...oder bei der unvergessenen Schachtzeichen-Aktion im Kulturhauptstadtjahr...
...oder bei der unvergessenen Schachtzeichen-Aktion im Kulturhauptstadtjahr... © Ulla Michels/ WAZ FotoPool | Unbekannt
...Als Fotomotiv macht sich die Zeche in vielen Lagen gut.
...Als Fotomotiv macht sich die Zeche in vielen Lagen gut. © Kerstin Kokoska/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Selbst Salmiak-Pastillen werden mittlerweile mit dem Wahrzeichen geschmückt.
Selbst Salmiak-Pastillen werden mittlerweile mit dem Wahrzeichen geschmückt. © Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool | Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
Zur Erinnerung: So sah es auf dem Gelände im Jahr 2000 aus - kurz bevor die Zeche Weltkulturerbe wurde.
Zur Erinnerung: So sah es auf dem Gelände im Jahr 2000 aus - kurz bevor die Zeche Weltkulturerbe wurde. © Ulrich von Born/ NRZ | uvb / NRZ
Wie weitläufig das Areal ist...
Wie weitläufig das Areal ist... © Ulrich von Born/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
.... zeigt ein Blick aus der Vogelperspektive.
.... zeigt ein Blick aus der Vogelperspektive. © Hans Blossey | Hans Blossey
Der Strukturwandel brachte vor allem Kunst und Kultur zur Zeche. Jedes Jahr präsentieren sich Künstler bei der Contemporary Art Ruhr, kurz CAR. Zu ihnen gehörte auch Monika Ortmann, die hier zeigt, was sich aus Nylons alles machen lässt.
Der Strukturwandel brachte vor allem Kunst und Kultur zur Zeche. Jedes Jahr präsentieren sich Künstler bei der Contemporary Art Ruhr, kurz CAR. Zu ihnen gehörte auch Monika Ortmann, die hier zeigt, was sich aus Nylons alles machen lässt. © Uwe Möller/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Das Zechenfest zieht jedes Jahr tausende Besucher an - auch, wegen der besonderen Ausblicke, die sich etwa von der Panorama-Terrasse bieten.
Das Zechenfest zieht jedes Jahr tausende Besucher an - auch, wegen der besonderen Ausblicke, die sich etwa von der Panorama-Terrasse bieten. © Jan Dinter/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Oder beim Feuerwerk, das die Zeche in ein magisches Licht taucht.
Oder beim Feuerwerk, das die Zeche in ein magisches Licht taucht. © Jan Dinter/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Ein weiterer Besuchermagnet ist die Gourmet-Meile.
Ein weiterer Besuchermagnet ist die Gourmet-Meile. © Kerstin Kokoska | Kerstin Kokoska
Luftig: Das Fördergerüst dient den Höhenrettern der Berufsfeuerwehr auch als Übungsplatz. Dazu seilen sie sich aus 30 Metern Höhe ab.
Luftig: Das Fördergerüst dient den Höhenrettern der Berufsfeuerwehr auch als Übungsplatz. Dazu seilen sie sich aus 30 Metern Höhe ab. © Ulrich von Born/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Auch die zentrale Grubenwehr übt mit ihrer Abseilmannschaft auf Zollverein.
Auch die zentrale Grubenwehr übt mit ihrer Abseilmannschaft auf Zollverein. © Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Beliebt: Im Oktober öffnete die 3,5 Kilometer lange Ringpromenade.
Beliebt: Im Oktober öffnete die 3,5 Kilometer lange Ringpromenade. © Ulrich von Born/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Seither wird sie von Skatern, Radlern, Joggern und Walkern dicht bevölkert.
Seither wird sie von Skatern, Radlern, Joggern und Walkern dicht bevölkert. © Walter Buchholz/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Natürlich geht auch nichts über einen gemütlichen Spaziergang auf der Promenade.
Natürlich geht auch nichts über einen gemütlichen Spaziergang auf der Promenade. © Kerstin Kokoska/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Darüber hinaus geht es auf Zollverein sportlich zu...
Darüber hinaus geht es auf Zollverein sportlich zu... © WNM | WNM
...das Werksschwimmbad auf dem Gelände der ehemaligen Kokerei bietet eine ebenso ungewöhnliche Kulisse....
...das Werksschwimmbad auf dem Gelände der ehemaligen Kokerei bietet eine ebenso ungewöhnliche Kulisse.... © Remo Bodo Tietz/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
...wie die Eisbahn, die auch am vergangenen Wochenende wieder eröffnete.
...wie die Eisbahn, die auch am vergangenen Wochenende wieder eröffnete. © Sebastian Konopka/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Auch das Riesenrad gehört zu den Attraktionen der Zeche.
Auch das Riesenrad gehört zu den Attraktionen der Zeche. © Kerstin Kokoska/ WAZ FotoPool | Kerstin Kokoska/WAZ FotoPool
Platz für Neues: am 18. Juni lässt die RAG einen 65 Meter hohen  Rauchgaskamin sprengen, um das Gelände weiter gewerblich zu erschließen.
Platz für Neues: am 18. Juni lässt die RAG einen 65 Meter hohen Rauchgaskamin sprengen, um das Gelände weiter gewerblich zu erschließen. © Walter Buchholz/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Der fast majestätische Anblick lockt natürlich auch so manche Prominenz in den Essener Norden.
Der fast majestätische Anblick lockt natürlich auch so manche Prominenz in den Essener Norden. © Kerstin Kokoska/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Von der niederländischen Königin Beatrix...
Von der niederländischen Königin Beatrix... © Dirk Bauer/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
...über Hip-Hop-Star Samy Deluxe...
...über Hip-Hop-Star Samy Deluxe... © Alexandra Umbach/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
...den ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und  Bayern-Regierungschef Horst Seehofer...
...den ehemaligen NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und Bayern-Regierungschef Horst Seehofer... © Oliver Müller/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
...bis hin zum ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, der an der Kulturhauptstadteröffnung teilnahm.
...bis hin zum ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, der an der Kulturhauptstadteröffnung teilnahm. © Ilja Höpping/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Vor allem die Eröffnungsveranstaltung im Januar 2010...
Vor allem die Eröffnungsveranstaltung im Januar 2010... © Walter Buchholz/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
... bot unvergessene Bilder.
... bot unvergessene Bilder. © Ilja Höpping/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Tänzer Justo Moret probt hier für die Festakt-Revue
Tänzer Justo Moret probt hier für die Festakt-Revue "Wir sind das Feuer", die anlässlich der Eöffnung aufgeführt wurde. © Klaus Micke/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Mit Regencapes bekleidet, schützten sich Besucher vor Nässe und Kälte - und boten obendrein noch ein buntes Bild.
Mit Regencapes bekleidet, schützten sich Besucher vor Nässe und Kälte - und boten obendrein noch ein buntes Bild. © Ilja Höpping/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Mit Regencapes bekleidet, schützten sich Besucher vor Nässe und Kälte - und boten obendrein noch ein buntes Bild. Foto: Ilja Höpping
Mit Regencapes bekleidet, schützten sich Besucher vor Nässe und Kälte - und boten obendrein noch ein buntes Bild. Foto: Ilja Höpping © Ilja Höpping/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Bis heute ist das 2010 neu eröffnete Ruhr-Museum ein riesiger Erfolg.
Bis heute ist das 2010 neu eröffnete Ruhr-Museum ein riesiger Erfolg. © Kerstin Kokoska/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Hunderttausende Besucher sahen die Dauerausstellung seither, darunter auch Gäste wie dieser junge Mann.
Hunderttausende Besucher sahen die Dauerausstellung seither, darunter auch Gäste wie dieser junge Mann. © Jan Dinter/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Das illuminierte schneckenförmige Treppenhaus gehört ebenfalls zu den viel fotografierten Motiven.
Das illuminierte schneckenförmige Treppenhaus gehört ebenfalls zu den viel fotografierten Motiven. © Kerstin Kokoska/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Architektonisch mindestens ebenso sehenswert ist der Sanaa-Würfel...
Architektonisch mindestens ebenso sehenswert ist der Sanaa-Würfel... © Hans Blossey | Hans Blossey
...der bei Veranstaltungen wie der Extraschicht mit Videoinstallationen in ein besonderes Licht getaucht wird.
...der bei Veranstaltungen wie der Extraschicht mit Videoinstallationen in ein besonderes Licht getaucht wird. © Ulrich von Born/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Auch Motorenfans zieht die Industriekulisse magisch an: Regelmäßig treffen sich Oldtimer-Liebhaber wie Michael und Daniel, hier mit einem Porsche 911 Targa von 1968, auf dem Kokerei-Areal.
Auch Motorenfans zieht die Industriekulisse magisch an: Regelmäßig treffen sich Oldtimer-Liebhaber wie Michael und Daniel, hier mit einem Porsche 911 Targa von 1968, auf dem Kokerei-Areal. © Alexandra Umbach/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Im September 2010 eroberten die Biker die Zeche.
Im September 2010 eroberten die Biker die Zeche. © Walter Buchholz/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Hunderte Biker nahmen am christlichen Bikerfestival teil. Foto: Walter Buchholz
Hunderte Biker nahmen am christlichen Bikerfestival teil. Foto: Walter Buchholz © Walter Buchholz/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
Zum Kulturhauptstadtjahr erscheint sogar die Haltestelle in neuem Glanz: Anfang 2010 wird die
Zum Kulturhauptstadtjahr erscheint sogar die Haltestelle in neuem Glanz: Anfang 2010 wird die "Design-Haltestelle", an der regelmäßig die Kulturlinie 107 vorbeifährt, eröffnet. © Arnold Rennemeyer/ WAZ FotoPool | WAZ FotoPool
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Im Vordergrund steht die Erinnerung. „Mit diesem Andenken müssen wir pfleglich umgehen“, sagt Bezirksbürgermeister Michael Zühlke. Verlernt haben die ehemaligen Bergleute bis heute jedenfalls nichts. Voller Stolz stimmen sie zusammen mit den übrigen 120 geladenen Gästen mit ein, als der Bergmannschor Consolidation das Steigerlied anstimmt. Geschlossen und ergriffen stehen alle auf. Nur fünf Strophen sind auf Handzetteln abgedruckt, doch die Steiger kennen alle sieben. Zum Abschluss gibt es auch heute noch ein Bier und einen deftigen Eintopf.

Immer neu erfinden

Den Reichtum an Industriekultur verdanke das Ruhrgebiet dem langsamen Rückbau der Kohleförderung, erklärt Ulrich Borsdorf, scheidender Direktor des Ruhrmuseums und Vorstandsmitglied der Stiftung Zollverein. „Ich könnte heulen vor Wehmut und Stolz.“ Zühlke ist gespannt auf die nächsten 25 Jahre. „Auf jeden Fall müssen wir dieses Gelände immer wieder neu erfinden.“