Essen. Die Genossen in Frohnhausen/Altendorf zählen zu den bundesweit 14 Parteigliederungen, die den Rauswurf des Ex-Kanzlers aus der SPD vorantreiben.

Diese Woche hat er in Hannover noch mal nachgefragt: Was denn nun wird mit dem Rauswurf, wollte Ali Kaan Sevinc wissen, es eilt. Denn so gut könne ja gar keine politische Konkurrenz sein, dass sie den hiesigen Sozialdemokraten im laufenden Landtagswahlkampf dermaßen schadet wie der eigene Genosse und Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Ein ums andere Mal müssen sie sich am Infostand für dessen Position zu Putin, Gazprom und Co. rechtfertigen, also haben Sevinc als Vorsitzender und seine Mitstreiter bei der SPD Frohnhausen/Altendorf Anfang März die Prüfung eines Parteiausschlussverfahrens beantragt. Als eine von 14 Gliederungen bundesweit.

Sie waren dabei nicht die ersten, aber das tut ihrer inneren Befriedigung keinen Abbruch. Denn was nützt so eine „strategische Klausurtagung“ im Münsterland, zu der sie sich da trafen, wenn der vielleicht prominenteste Genosse ein ums andere Mal querschießt und die SPD „als Friedenspartei“ – tja, soll man sagen: „befleckt“?

Sie haben sicherheitshalber eine Nacht drüber geschlafen, aber die Empörung blieb

„Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagt Sevinc, der selbst gerade mal acht Jahre alt war, als Schröder seinen Kanzler-Posten 2005 drangeben musste. Da kann man dann schon mal eine Nacht drüber schlafen, aber die Empörung, sie blieb, einstimmig im SPD-Ortsverein, und deshalb schrieben sie mit Datum vom 9. März die Schiedskommission des SPD-Unterbezirks für die Region Hannover an, die ist zuständig für ein solches Ausschlussverfahren.

Zwei Tage zuvor hatte auch der für alle 27 Ortsvereine zuständige Essener SPD-Vorstand einen scharfen Beschluss gefasst: „Gerhard Schröder hat es in den letzten Tagen unverzeihlicher Weise versäumt, eine klare Haltung gegenüber Putin einzunehmen“, heißt es darin.

SPD beklagt Rückwirkung auf die Sozialdemokratie „wie auf unser Land als Ganzes“

Schröder müsse „sich erkennbar, unmissverständlich und solidarisch an die Seite der ukrainischen Bevölkerung, der Bundesregierung sowie des überwiegenden Teils der Weltgemeinschaft stellen und eigene Interessen zurückstellen“. Der Ex-Kanzler spreche zwar nicht für die SPD, seine Worte hätten aber „eine Rückwirkung sowohl auf die deutsche Sozialdemokratie als auch auf unser Land als Ganzes“. Dieser Verantwortung müsse er gerecht werden: „Alles andere ist aus unserer Sicht mit den Werten der Sozialdemokratie nicht vereinbar.“

Gemeinsam gegen den Ex-Kanzler: die SPD Frohnhausen/Altendorf mit ihrem Vorsitzenden Ali Kaan Sevinc (5. von rechts), einer von 27 Essener Ortsvereinen der örtlichen Sozialdemokraten.
Gemeinsam gegen den Ex-Kanzler: die SPD Frohnhausen/Altendorf mit ihrem Vorsitzenden Ali Kaan Sevinc (5. von rechts), einer von 27 Essener Ortsvereinen der örtlichen Sozialdemokraten. © Unbekannt | Linus Spiegel

Öffentlich machten die Sozialdemokraten diesen Beschluss damals nicht, und einen ausdrücklichen Wunsch, den Genossen achtkantig aus der Partei zu werfen, enthält der Vorstandsbeschluss ebenfalls nicht. Warum auch, sagt Parteichef Frank Müller, zu jenem Zeitpunkt war ja bereits ein Antrag der Sozialdemokraten aus Heidelberg in Hannover eingegangen, und einen weiteren Ausschluss-Antrag aus Essen hinterherzuschieben, schien ihnen überflüssig: „Die Summe solcher Vorstöße macht das auch nicht einfacher.“

„Ich erwarte den Anstand, sich für Deutschland und die richtige Seite zu entscheiden“

Müller lässt gleichwohl keinen Zweifel daran, dass er Schröders Haltung für ebenso „unerträglich“ wie „unappetitlich“ hält – und fühlt sich erst recht bestärkt durch dessen am Samstag erschienenes Interview mit der New York Times, in dem der Ex-Kanzler von seinen Positionen keinen Millimeter abrückt („Ich sage nicht mea culpa – das ist nicht mein Ding“).

„Da gibt’s nicht mehr zu moderieren oder zu rechtfertigen“, sagt Müller, selbst Landtagsabgeordneter, kopfschüttelnd: „Ich erwarte den Anstand von Gerhard Schröder, sich für Deutschland und die richtige Seite zu entscheiden.“

Die Form stimmte, das Verfahren wird eingeleitet: „Kein Triumph“, sagt Sevinc

Ob er das tut, daran darf man nicht nur als Sozialdemokrat Zweifel haben, aber immerhin kommt Bewegung ins Verfahren, wie Ali Kaan Sevinc zufrieden feststellt : „Das ist kein Triumph“, beeilt er sich zu versichern, aber: „Wir haben Wort gehalten. Es erfüllt uns mit Demut, aber auch mit dem nötigen Selbstbewusstsein.“

In Kürze, so hat sein Anruf in Hannover ergeben, wird ein Termin seitens der Schiedskommission angesetzt, ein mündliches Verfahren steht an. Er wird hinfahren, Genosse Sevinc gegen Genosse Schröder. Ende offen.