Essen. „Einzigartig und wertvoll“ preisen Denkmalschützer die seltene Stuckdecke im Schloss Schellenberg. Wie Fachleute sie vor dem Einsturz bewahren.
Das altehrwürdige und denkmalgeschützte Schloss Schellenberg in Rellinghausen blickt auf eine Jahrhunderte lange Geschichte zurück. Herzstück des hoch über der Ruhr liegenden Adelssitzes ist die sogenannte Burg aus dem 13./14. Jahrhundert und mitten darin der alte Rittersaal mit der kostbaren Stuckdecke. Neugierigen Schlossfans bleibt der Zutritt zu diesem kunsthistorischen Kleinod allerdings schon seit geraumer Zeit versperrt. Weil vor Jahren ein uralter Eichenbalken zerbarst, drohte die handwerklich filigran zusammengesetzte Decke komplett herabzustürzen. Die gute Nachricht: In einem aufwendigen und technisch äußerst anspruchsvollen Eingriff wird der schützenswerte barocke Stuck jetzt stabilisiert und restauriert.
Rheinisches Amt für Denkmalpflege urteilt über die Stuckdecke: „Bau- und kunsthistorisch einzigartig und wertvoll“
Die Stuckdecke im ältesten Teil des Herrenhauses sei ein prägender Bestandteil für das Schloss Schellenberg, heißt es im Gutachten des Rheinischen Amtes für Denkmalpflege, das die Besonderheit der Stuckdecke fast schon überschwänglich unterstreicht: „Sie ist in ihrer denkmalwerten Substanz und dem frühbarocken Erscheinungsbild des Stucks einzigartig für die Stadt Essen, bedeutend für das Rheinland und darüber hinaus“, betonen die Denkmalexperten. Für sie gehe es um den Erhalt eines Festsaals mit Dekorationen des 17. und 18. Jahrhunderts, von denen es insbesondere in Westdeutschland wenige gebe. Der große Saal im Schloss Schellenberg, so betonen sie, sei wegen der authentischen Stuckgestaltung „bau- und kunsthistorisch einzigartig und wertvoll“.
Schlossherr Max Freiherr von Elverfeldt weist ausdrücklich darauf hin, bislang noch nie öffentliche Gelder für den Erhalt des Schlosses in Anspruch genommen zu haben. Doch dieses Mal sei der Aufwand so immens, dass die Finanzhilfe aus der Staatskasse unvermeidbar gewesen sei. Knapp eine halbe Million Euro sind für die Deckensanierung veranschlagt, allein 200.000 Euro fließen aus Bundes- und weitere 100.000 Euro aus Landesmitteln. Ausdrücklich lobt der Baron daher das Engagement des heimischen Bundestagsabgeordneten Matthias Hauer und seines Landtagskollegen Fabian Schrumpf (beide CDU), die sich für die Finanzhilfen stark gemacht hätten.
Beim Rundgang durch die Baustelle wird der hohe Aufwand, der hier betrieben wird, schnell deutlich: Der große Saal ist seit einigen Monaten ausgefüllt mit einer mächtigen Stützkonstruktion aus wuchtigen Kanthölzern und Stahlgerüst-Elementen. Rentmeister Peter Langwald deutet auf eine freigelegte Schicht unter dem Stuck. „Das ist eine Lehmwickeldecke“, erklärt der Schlossverwalter. Soll heißen: Die Lehmwickel und die schweren Eichenbalken aus dem 14. Jahrhundert sind mit einem dunkelbraunen Lehmputz verputzt, auf den dünner Feinputz für die Stuckarbeiten aufgetragen wurde. Ein Dutzend solcher Lehmwickeln liegt sauber herausoperiert auf dem Gerüst. „Bei einigen wurde sogar Dachshaar verarbeitet“, sagt der Rentmeister.
Elf Stahlträger mit jeweils einer Tonne Gewicht sorgen bald für Stabilität
Um die Tragfähigkeit der Decke wieder herzustellen, ziehen die Maurer demnächst elf Stahlträger ein, von denen einer allein schon eine Tonne wiegt. Weil die Rittersleute damals beim Bau wahrlich nicht an Ruhrsandstein sparten, besitzt die 70 bis 100 Zentimeter dicke Grundmauer ausreichend Tragkraft, um insgesamt Tonnen Stahlträger zu stemmen.
Peter Langwald von der Rentei Schellenberg erinnert sich gut daran, wie er vor gut zwei Jahren die ersten Risse in der Stuckdecke erblickte und zunächst noch nichts Schlimmes ahnte. Doch dann stellte sich heraus, dass einer von elf mehr als 300 Jahre alten Balken regelrecht gebrochen war und der Stuck schon anfing, sich von der Lehmschicht zu lösen. Wenn die neuen Stahlträger der Deckenkonstruktion demnächst den entscheidenden Halt geben, rücken weitere Spezialisten an. „Sie werden die Stuckdecke regelrecht festnähen“, sagt der Rentmeister.
Abgeordnete heben den Nutzen der Restaurierung für die Stadtgesellschaft hervor
Die beiden Abgeordneten sehen die öffentlichen Mittel sinnvoll ausgegeben. „Das Schloss Schellenberg mit dem großen Rittersaal wird künftig für die Stadtgesellschaft nutzbar gemacht, etwa für Vorträge, Konferenzen und Führungen“, betonen Hauer und Schrumpf. Auch für Brautpaare ist der Saal eine beliebte Eventadresse.
700 Jahre Schlossgeschichte
Die ältesten Gebäudeteile des Schlosses Schellenberg – Bergfried, Rittersaal und Kapelle – stammen aus dem 13./14. Jahrhundert. Ab 1452 befand sich das Schloss im Besitz der Familie Vittinghoff genannt Schell zu Schellenberg.Melchior Freiherr von Vittinghoff-Schell baute die Anlage von 1660 bis 1672 um zu einem barocken Landschloss. Der Rittersaal erhält größere Fenster und Deckenstuck. Im 18. Jahrhundert werden die Wände mit Rokokostuck verziert: die vier Elemente über den Türen, Jagdtrophäen und Musikembleme. 1910 ziehen die Vittinghoff-Schells nach Weeze-Kalbeck (Niederrhein).Ab 1919/20: Nutzung als Kinder- und Mütterheim durch den katholischen Förderverein für Frauen, Mädchen und Kinder. 1970 bis 2003: Höhere Polizeischule des Landes. Ab 2004: Umnutzung des Schlosses für Büro- und Gewerbevermietung.1993 fällt das Schloss in den Besitz des Adelsgeschlechts Spies von Büllesheim. Schlossherrin Antoinette Freiin von Elverfeldt ist eine geborene Spies von Büllesheim.
Die Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald, die seit jeher eng mit der Rentei und dem Schlossherrn zusammenarbeitet, freut sich bereits auf den Abschluss der Restaurierungsarbeiten und die ersten Führungen durch den neuen alten Rittersaal. Vorstandsmitglied Hermann-Josef Lenze hat auch privat beste Erinnerungen an diesen besonderen historischen Ort. „Ich habe hier meinen 60. Geburtstags gefeiert“, lacht er, „aber das ist aber schon eine Weile her.“