Essen. “Greifvögel gehören nicht in Käfige“ - darin sind sich Tierschützer einig. Sie befürworten den Entschluss der Essener Grugapark-Leitung, die Haltung von Wildvögeln auslaufen zu lassen. Park-Tierpfleger betonen hingegen die artgerechte Haltung der Eulen und Adler.
„Luftakrobaten“ steht auf dem Blechschild, das an der Voliere der Weißkopf-Seeadler angebracht ist. Drinnen hocken regungslos die Könige der Lüfte und schauen stumpf vor sich hin. Von Flügen übers Land können die beiden Greifvögel, die zu den Wildtieren im Grugapark gehören, nur träumen: Sie sind in Gefangenschaft groß geworden, kennen nur ihre begrenzte Welt. Weil diese Art der Haltung nicht mehr zeitgemäß ist, sich immer mehr Tierschützer dagegen aussprechen, hat sich die Parkleitung entschlossen, die Haltung auslaufen zu lassen. Das betrifft auch 16 Eulen: vom Bartkauz bis zum Uhu.
„Orientiert man sich an den gesetzlichen Grundlagen, werden Eulen und Greifvögel bei uns nicht nur artgerecht gehalten, sondern weit besser, als die Standards es verlangen“, sagt Hermann-Josef Golbach, seit 30 Jahren oberster Tierpfleger der Gruga. Er kenne deutschlandweit keine bessere Haltung. „Wären die Volieren bei den Greifvögeln größer, würde die Verletzungsgefahr steigen.“ Dann würden die Vögel beim Flugversuch nur noch mehr Geschwindigkeit aufnehmen.
Prinzipiell versteht Golbach die Argumente gegen eine Haltung von Wildtieren in Gefangenschaft. Aber er wehrt sich gegen Stimmen, die behaupten, seine Adler und Eulen würden gequält. „Wir haben ja erfolgreich nachgezüchtet und Jungtiere in Biotope bis nach Ungarn vermittelt.“ Dass die Vögel bis zu ihrem natürlichen Tod in der Gruga bleiben, sei ihm zugesichert worden. „Es gibt ja keine andere Möglichkeit.“ Eine Auswilderung, die viele Tierschützer fordern, komme nicht in Frage: Dafür gebe es keine natürlichen Räume mehr.
Keine Voliere ist groß genug für einen Steinadler
Dass Auswildern kaum möglich ist, darin stimmen Tierschützer wie Thorsten Kestner zu. Er pflegt verletzte Wildvögel und wildert sie aus. Den Ausstieg der Gruga begrüßt ebenfalls Peter Höffken, Diplom-Zoologe und Wildtierfachmann bei Peta: „Greifvögel gehören nie in Gefangenschaft.“ Die Regeln für die Haltung in dieser Form seien völlig überaltert. Ändern werde sich daran so schnell nichts, glaubt er: „Zu groß ist die Lobby von Personen, die Greifvögel als Hobby oder zu gewerblichen Zwecken halten.“
Einig sind sich die Tierschützer auch darin, dass eine Nachzucht keinesfalls ein Indiz dafür ist, dass die Tiere sich wohl fühlen. „Selbst Nerze vermehren sich in ihren engen Käfigen“, sagt Höffken. Dass die Greifvögel in der Gruga immer wieder gegen die Gitter fliegen, führt er auf Stress wegen der vielen Besucher oder auf eine Verhaltensstörung zurück. Fest steht auch für Kestner, dass es keine Voliere gibt, die groß genug sein könnte für einen Steinadler, der sonst durch die Alpen fliegt.
Steinadler bleiben noch 60 Jahre in der Gruga
Seit 1982 gehören Eulen und Adler zum Tierbestand des Grugaparks. Steinkauz, Waldohr-Eule, Schleier-Eule, Schnee-Eule, Bartkauz, Karpaten-Uhu, europäischer Uhu und Weißgesichts-Eule leben wie die Greifvögel paarweise in den Volieren. „In Gefangenschaft werden sie meist noch älter als in der freien Wildbahn“, sagt Tierpflegemeister Hermann-Josef Golbach. So kann das Uhu-Pärchen sicherlich noch 20 bis 30 Jahre lang in der Gruga wohnen bleiben, den Schleier-Eulen bleiben mindestens 15 Jahre.
Ähnlich sieht es bei den Greifvögeln aus: Das Weißkopfseeadlerpaar Elba und Ettel ist gerade mal 26 Jahre alt. Diese Tiere erreichen auch schon mal stolze 60. Mit 13 und 15 sind die beiden europäischen Seeadler fast noch Teenager: Auch sie können maximal 60 Jahre alt werden, bleiben der Gruga bei guter Pflege und Gesundheit bis 2058 erhalten. Etwas geringer ist die Lebenserwartung bei den Steppenadlern (30 u. 18) und den Karakaras (beide 20): Sie werden höchstens 40. Die höchste Lebenserwartung haben die Steinadler mit 80. Das Paar in der Gruga hat gerade seinen 20. Geburtstag gefeiert.