Essen-Werden. Der Alpenverein möchte einen Steinbruch kaufen und im Einklang mit dem Uhu für das Klettern nutzen. Der Nabu glaubt nicht, dass das funktioniert.
Strenger Naturschutz unter Ausschluss des Menschen oder moderate Naturnutzung mit Rücksicht auf Flora und Fauna? Dieser Grundkonflikt des modernen Naturschutzes wird derzeit auch in Essen am Beispiel eines alten Steinbruches in der Nähe der Laupendahler Landstraße wieder einmal durchgekämpft.
Die Sektion Essen des Deutschen Alpenvereins (DAV) möchte das Gelände vom jetzigen Eigentümer Ruhrverband kaufen oder pachten, um die steilen Wände für den Klettersport zu nutzen – die Verhandlungen laufen. Der Naturschutzbund Nabu hält diese Nutzung für grundsätzlich unverträglich und fürchtet vor allem um die Uhus, die sich vor etwa zehn Jahren hier angesiedelt hätten. Ein Streit, den es so oder ähnlich an vielen alten Steinbrüchen und natürlichen Fels-Arealen in Deutschland gibt.
Früher wurden auf dem Gelände Klärschlämme getrocknet
Früher hat der Ruhrverband auf dem circa drei Hektar großen Gelände Klärschlämme getrocknet und zwischengelagert. Als die Kläranlage in Kettwig diese Aufgabe übernahm, wurde der Steinbruch außer Dienst gestellt, die Silos wurden entfernt. Die Natur eroberte sich das Gebiet zurück – und ein Uhu-Pärchen siedelte sich an.
„Wir sprechen hier höchstwahrscheinlich von dem ersten Uhu-Revier in ganz Essen seit etwa 100 Jahren“, sagt Rainer Soest, der den Steinbruch im Namen des Nabu Ruhr und der Stadt Essen als Naturschutzwächter von Beginn an betreut. „Momentan gehen wir von drei bis vier Revieren im Stadtgebiet aus.“ Das seien höchstwahrscheinlich auch die Nachkommen des ersten Werdener Paares.
Naturschutzwächter hat schon oft illegale Kletterer erwischt
Rainer Soest schaut regelmäßig im Steinbruch vorbei, zu seinen Aufgaben gehören neben dem Schutz der Eulenart auch Pflegearbeiten wie das Freihalten der Steinwände. „Der Uhu brütet am liebsten in Felsnischen, die nicht überwuchert sind, damit Feinde wie Fuchs und Waschbär diese nicht etwa über Äste erreichen können“. Obwohl das Gelände aus Sicherheitsgründen umzäunt ist, hat Soest öfter illegale Kletterer erwischt, die sich weder an das Kletterverbot noch an den Artenschutz gehalten haben. Bei einer Nutzung durch den Alpenverein erhöhe sich das Risiko, das Uhu-Refugium nachhaltig zu stören.
Dem widerspricht Detlef Weber, Vorsitzender der DAV-Sektion Essen, der für sich und den Alpenverein in Anspruch nimmt, weit mehr zu sein als ein Bergsteigerclub. Der DAV sei vielmehr auch ein anerkannter Naturschutzverband und stelle dies auch an vielen Stellen tatkräftig unter Beweis. „Für uns ist es beispielsweise selbstverständlich, dass wir zur Brutzeit nicht klettern werden.“ Andererseits spricht aus Sicht Webers nichts dagegen, außerhalb solcher sensiblen Phasen, die durch Steinabbruch geschaffenen Wände für das Klettern zu nutzen.
Wohnortnah eine Klettermöglichkeit in der freien Natur
In einem Naturschutz- und Nutzungskonzept hat sich der Alpenverein mit dem Gelände beschäftigt, das ideal geeignet sei, um wohnortnah eine Klettermöglichkeit in der freien Natur zu bekommen. Längere Fahrten etwa in die Eifel könnten dann entfallen – auch dies sei ein Umweltziel. Bauliche Veränderungen oder andere Umgestaltungen seien ausdrücklich ausgeschlossen, die Kontrolle durch den Verein werde helfen, illegales Klettern zu unterbinden. Auch aus Sicht des DAV handelt es sich um ein in Essen einmaliges und wertvolles Gelände, das man mit einem Regelwerk zu schützen gedenke – aber eben mit dem Menschen, nicht gegen oder ohne ihn.
Frauke Krüger, erste Vorsitzende des Nabu Ruhr, bleibt skeptisch und spricht sich gegen eine Nutzung aus, da sie mit der ökologischen Wertigkeit unvereinbar sei. Warum das Gelände bisher nicht als Naturschutzgebiet oder als geschützter Landschaftsbestandteil deklariert ist, sei unverständlich. „Wir fordern die Stadtverwaltung daher auf, dieses wertvolle Stück Stadtnatur unter Schutz zu stellen, statt es für artenschutzwidrige Freizeitaktivitäten freizugeben.“
Anders als bei anderen Steinbrüchen, wie etwa dem Bochumer Bruch in Wülfrath mit seinen 22 Hektar, sei in Werden eine Vereinbarkeit von Tierschutz und Kletterei nicht möglich, betont Rainer Soest. „Der Uhu reagiert während der Brutzeit auf menschliche Störungen sehr empfindlich und so manche Brut ist schon aufgegeben worden.“ Die aus seine Sicht nötige Schutzzone von 100 Metern könne nicht eingehalten werden.
DAV will nur den Teil des Steinbruchs nutzen, wo die Uhus gerade nicht sind
Das sieht der DAV anders: „Um relevante Störungen von Uhubruten zu vermeiden, soll das Gelände jedes Jahr ab Ende Januar bis zur Feststellung des gewählten Brutplatzes zunächst gänzlich ungenutzt bleiben“, heißt es im Konzept. Nach erfolgter Brutplatzwahl bleibe dann der vom Uhu gewählte östliche oder gegebenenfalls der westliche Steinbruch weiterhin gesperrt, während die nicht zur Brut genutzte Steinbruchwand fürs Klettern freigegeben werden könne.
Eine entsprechende Absperrung zwischen beiden Teilen des Steinbruchs lasse sich problemlos bewerkstelligen, zwei Tore gebe es bereits jetzt. Detlef Weber: „Warum soll in Essen unmöglich sein, was an hunderten ähnlichen Orten in Deutschland funktioniert?“