Essen. Der Essener Schuldenberg wächst immer höher. Mit fatalen Folgen: Der geplante Neubau des Fußballstadions für Rot-Weiß Essen droht am Veto der Bezirksregierung zu scheitern. Und auch die von der RWE AG zugesagte Zwei-Millionen-Finanzspritze ist rechtlich noch nicht in trockenen Tüchern.
Was die Stunde geschlagen hat, konnten Spieler und Funktionäre des Fußball-Viertligisten Rot-Weiss Essen vergangenen Donnerstag bei Dienstantritt auf dem Trainingsgelände kaum übersehen. Frustrierte Fans hatten in der Nacht ein Holzkreuz mit der Inschrift „RWE 1907 - 2010” in den Rasen gerammt, daneben T-Shirts mit den Initialen der Spieler im Schatten von Grableuchten drapiert.
Zu derlei sarkastischen Späßen gibt längst nicht mehr allein der Saison-Fehlstart des Traditionsklubs Anlass. Auch finanziell hat sich die Lage rasant verdüstert. Zwar hatten die Stadt Essen und ihre Tochterunternehmen wie Stadtwerke, Sparkasse und Entsorgungsbetriebe die Rot-Weißen mit einer beherzten Aktion vor dem Konkursrichter bewahrt. Zudem keimte im legendären, aber baufälligen Stadion an der Hafenstraße die Hoffnung, dass mit einer 30 Millionen Euro teuren, im Wesentlichen öffentlich bezahlten neuen Arena dereinst an die großen RWE-Zeiten von Helmut Rahn selig angeknüpft würde.
Spätestens seit der Kommunalwahl, bei der die seit zehn Jahren „regierende” CDU abgestraft wurde, erscheint die Stadt jedoch nicht mehr als der beste Vereinsgläubiger. Am 3. September ging bei der städtischen Finanzbuchhaltung ein Brandbrief der Bezirksregierung Düsseldorf ein. Der Leitende Regierungsdirektor Holger Olbrich warnt darin die neue Stadtführung unter Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) vor nicht weniger als: der Pleite.
Eine Stadt am Halsband
Nun können Städte nicht pleite gehen wie Unternehmen. Aber es gibt vier Stufen bis zur politischen Handlungsunfähigkeit. Essen befindet sich auf Stufe dreieinhalb. Paradiesisch leben schuldenfreie Kommunen wie Düsseldorf. Sie können machen, was sie wollen. Städte im Haushaltssicherungskonzept sind an der langen Leine der Bezirksregierung; sie können es aus eigener Kraft schaffen, innerhalb eines Planungszeitraums von drei Jahren wieder einen ausgeglichenen Haushalt hinzulegen. Nothaushaltskommunen wie Essen bewegen sich dagegen nur noch an der kurzen Leine. Und gilt eine Stadt in der amtlichen Deutung erst als „überschuldet” wie Oberhausen, Duisburg oder neuerdings Wuppertal, „dann ist man nur noch am Halsband”, sagt einer aus der Essener Kämmerei.
Essen hat über drei Milliarden Euro Schulden aufgetürmt. In der Wirtschaftskrise brechen die Steuern weg. Im kommenden Haushaltsjahr muss mit einem Rekordminus von 400 Millionen Euro gerechnet werden. Geht es so weiter, gehört die gesamte Stadt, ihre Straßen, Schulen und Stadtbibliotheken, schon 2014 den Banken. Dann wird jeder neue Kredit einzeln von der Bezirksregierung auf absolute Notwendigkeit geprüft.
Haushaltshüter Olbrich, der sich schon oft als bürokratischer Nein-Sager verunglimpft sah, warnt deshalb, die Stadionfinanzierung sei „spätestens für das Jahr 2011 nicht mehr sichergestellt”. Er kann nicht verhehlen, dass er kaum Spielräume für eine Arena-Finanzierung sieht. Also besser erst gar nicht anfangen zu bauen?
Riesenblamage droht
Obwohl noch nicht vereidigt, fuhr der neue OB Reinhard Paß dieser Tage zum Regierungspräsidenten Jürgen Büssow. Paß ahnt: Die Stadion-Pläne drohen zu einer Riesenblamage für die gesamte politische Klasse zu werden. Zunächst gelang es nicht, das städtische Traditionshotel „Handelshof” für den Stadionbau zu versilbern, dann sprang Evonik als privater Großsponsor ab, und nun wird geraunt, die Sparkasse Essen als zentraler Geldgeber wolle eigentlich lieber Rücklagen für das teure Thema West-LB bilden. Dabei sind die Bilder noch präsent, wie die Stadtspitze – natürlich wenige Tage vor dem Wahltag – strahlend den symbolischen Anstoß zum Stadionbau gab.
Finanzspritze von RWE
Außerdem ist die vom Essener Energiekonzern RWE AG zugesagte zwei Millionen Euro Finanzspritze für den Bau des 30 Millionen Euro teuren neuen Stadions des Fußballclubs Rot-Weiß rechtlich immer noch nicht in trockenen Tüchern.
Der einzige private Sponsor des Stadionbaus will für sein Geld die Rechte zur Strom-/Wärmebelieferung und die Rechte an den Namen des Stadions sowie weitere Marketingmöglichkeiten erwerben. Das alte Stadion ist bisher noch nach Vereinsmitbegründer Georg Melches benannt.
„Vor einer Unterschrift müssen noch Details verhandelt werden. Wir stehen aber zu unserer Zusage. Wir unterschreiben dann, wenn alle anderen unterschreiben. An uns liegt es nicht. Die Stadt hat hier die Führung”, sagte ein RWE-Konzernsprecher.
In Essener Unternehmenskreisen heißt es aber auch, dass es für die Stadtspitze nun immer schwieriger werde, alle Teile des Finanzkonzepts zusammenzuhalten. Die schwachen Fußball-Leistungen der RWE-Truppe schreckten private Sponsoren ab, da Zuschüsse an RWE betriebswirtschaftlich kaum zu rechtfertigen seien. Angesichts des zunehmenden Defizits der Stadt wackelt zudem der Finanzanteil der Kommune, da Kredite von der Bezirksregierung gestoppt werden könnten.