Essen.. Schulleiter von Essener Gymnasien sehen die neue Diskussion um die Schulzeit bis zum Abi skeptisch. Doch es gibt Kritik an den „G8“-Verhältnissen.

Acht Monate vor der NRW-Landtagswahl ist in Düsseldorf die Diskussion um eine Rückkehr der Gymnasien zur neunjährigen Schulzeit („G9“) entbrannt. Damit ist eine Debatte neu entfacht worden, die seit der Einführung des Turbo-Abis („G8“) im Jahr 2005 nur selten richtig Ruhe fand – und doch: Gerade mal eine Schule in Essen, das Gymnasium Borbeck, wagte 2011 den Schritt zurück zu „G9“, damals machte ein Schulversuch die Sache möglich. Landesweit trauten sich das nur ein gutes Dutzend Gymnasien. Die Schülerzahlen am „GymBo“ stiegen seitdem, auch wenn die damalige Entscheidung auch intern hoch umstritten war.

Ursula Alsleben war bis 2014 Leiterin des „GymBo“ und will angesichts der neuen G9-Debatte nicht von „Genugtuung“ sprechen, aber: „Alle Argumente, die jetzt für eine längere Schulzeit an Gymnasien kommen, hatten wir damals auch – und sind teilweise offen dafür angefeindet worden.“ Die Entwicklung der Zeit, ist Ursula Alsleben sicher, „hat uns Recht gegeben.“

Ältere Absolventen

Es gibt heute kaum einen Schulleiter, der „G8“ offen kritisiert – was aber vielerorts zurückgesehnt wird, sind ein wenig ältere Absolventen. Abiturienten, die erst 17 sind, könnten außerdem noch nicht ins Ausland. Jutta Reimann, Chefin am Mädchengymnasium Borbeck, ist selbst Mutter dreier Söhne, zwei machten Abi unter „G9“, einer unter „G8“, und sie sagt heute aus eigenem Erleben über die Berufswahl ihrer Kinder: „Vielen Jugendlichen fällt es mit 17 Jahren noch schwerer, ein gefestigtes Ziel zu verfolgen, als mit 18.“ Entsprechend könne sie der aktuellen Debatte „durchaus etwas abgewinnen“.

Das sieht Berthold Urch, Leiter des Alfred-Krupp-Gymnasiums (Frohnhausen) ähnlich: „Prinzipiell wären wir offen für G9, wenn die Details klar sind.“ Dazu zählt, dass die zweite Fremdsprache wieder später erteilt werden müsste, nicht schon, wie jetzt, ab Klasse sechs.

Einen echten zehnten Jahrgang

Der wichtigste Vorteil für die Schulen wäre an einem neuen „G9“, dass es wieder einen echten zehnten Jahrgang gibt, in dem Abgänger mit einem mittleren Schulabschluss das Gymnasium verlassen können. Wer heute nach der Einführungsphase (EF, früher: Stufe zehn) das Gymnasium verlasse, hat nur einen Hauptschulabschluss nach Stufe 9, aber paradoxerweise die Qualifikation für die Oberstufe, weil die EF schon zur Oberstufe zählt. Das mache die Sache in Einzelfällen manchmal schwierig, berichtet Martin Tenhaven, der Leiter des Leibniz-Gymnasiums in Altenessen. Die derzeitige Aufteilung der Gymnasial-Zeit in fünf Jahre Sekundarstufe I und drei Jahre Sekundarstufe II wird von so gut wie allen Praktikern kritisiert.

Bei allen Überlegungen herrscht aber auch die Meinung: „Die Schulen brauchen jetzt nach Jahren der Umstrukturierung Ruhe zum Arbeiten“, findet Rüdiger Göbel, der Leiter des Gymnasium am Stoppenberg. Beate Zilles, Leiterin des Helmholtz-Gymnasiums in Rüttenscheid, fragt sich außerdem, wie Personalplanung möglich sein soll, wenn Schüler individuell über zwei oder drei Jahre Oberstufen-Laufbahn entscheiden könnten. Thorsten Korthaus, neuer Leiter am Maria-Wächtler-Gymnasium (Rüttenscheid), gibt außerdem zu bedenken: „Wir differenzieren schon in Bilingual- und Nicht-Bilingual-Klassen. Eine weitere Binnen-Differenzierung würde eine große Herausforderung darstellen.“ Petra Schnell-Klöppel vom Burggymnasium kritisiert außerdem, dass ein Zurück zu „G9“ alles zunichte machen würde, was man vor Jahren extra wegen „G8“ eingeführt hat: „Zum Beispiel unser Hausaufgaben-Konzept.“

Lesen Sie auch