Essen. Schiedsrichter Helmut Dohse wurde im November bei einem Fußballspiel hinterrücks niederschlagen. Er will kein Opfer mehr sein und pfeift am Samstag wieder.

„Die Schiedsrichterei“, sagt Helmut Dohse und lächelt glückselig, „die Schiedsrichterei ist mein Leben.“ Sie hätte sein Tod sein können.

Am 15. November 2014 wurde der 60-jährige Schiedsrichter bei einem Spiel der Freizeit-Liga Essen hinterrücks niedergeschlagen. Sein Kopf knallte ungeschützt auf den harten Ascheplatz. Er lag bewusstlos im eigenen Blut. Im Krankenhaus wurde ein doppelter Kieferbruch diagnostiziert. Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen. Helmut Dohse las im Krankenhaus von Tugce. Die Deutsch-Türkin war auf einem Parkplatz niedergeschlagen worden. Sie starb an ihren Verletzungen. „Das hätte mir auch passieren können. Auch ich hätte tot sein können“, sagt Helmut Dohse.

Wer die Wohnung des Schiedsrichters in der Bedingrader Triftstraße betritt, für den ist seine Fußball-Leidenschaft unübersehbar. Die Schiedsrichter-Zeitschrift liegt auf dem Wohnzimmertisch. Zwei Urkunden, Referee des Monats im September 1998 und die Silberne Ehrennadel, grüßen als Auszeichnungen von der Wand. Helmut Dohse trägt Adidas-Schuhe, hat die Sporttasche griffbereit im Flur stehen. Samstag kommt sie erstmals wieder zum Einsatz.

Bei 1000 Einsätzen als Schiedsrichter alles im Griff

„25 Jahre habe ich selbst gespielt, 20 Jahren pfeife ich jetzt. Immer ohne Probleme“, sagt Helmut Dohse. Im Fußballkreis Essen Nord/West schätzt man den 60-Jährigen, der mit seinem geduldigen und nachdenklichen Wesen Ruhe, aber mit 1,93 Metern Größe auch Autorität ausstrahlt. Dohse wurde oft bei Spielen angesetzt, in denen Krawall drohte. „Mit Helmut ist es aber immer ruhig geblieben“, lobt Christian Sorgatz, Vorsitzender des Schiedsrichter-Ausschusses. Helmut Dohse lächelt, wenn er das hört. „Ein Spieler hat mir mal gesagt: Herr Dohse, Sie sind ein intellektueller Schiri. Ich denke, ich kann ganz gut Schwingungen aufnehmen.“ Empathie und Sensibilität, die ihm bei seiner Arbeit mit Behinderten in einer Werkstatt der Gesellschaft für Soziale Dienstleistungen helfen. Und auf dem Fußballplatz. „Ich kann weghören, reagiere nicht auf alles.“

Helmut Dohse hatte in seinen über 1000 Einsätzen als Schiedsrichter immer alles im Griff. Bis zur 88. Spielminute an diesem 15. November. Das Duell war entschieden. Ein Spieler motzte trotzdem, sah die Gelb-Rote Karte, wurde zum Täter. Und machte den Schiedsrichter zum Opfer. Das will Helmut Dohse gar nicht mehr sein. „Am Anfang war ich richtig fertig. Aber ich bin nicht traumatisiert. Es ist eine unglaubliche Geschichte, die für mich inzwischen Geschichte ist“, sagt er.

„Wissen Sie, ich hasse den jungen Mann ja nicht"

Dohse lag im Krankenhaus, wurde mehrfach operiert. Sein Mund war fünf Wochen verdrahtet. „Da passte nur Suppe rein. Das ging auf den Magen.“ Viele, viele Freunde, Bekannte und Unbekannte haben sich gemeldet. „So viel Anteilnahme. Ich war gerührt“, gesteht er. An den Täter, der für den Fußball lebenslang gesperrt wurde und der sich noch vor Gericht verantworten muss, will er keine Gedanken verschwenden. „Ich habe seine Entschuldigung zur Kenntnis genommen. Aber ich nehme sie nicht an.“ Helmut Dohse überlegt kurz. „Wissen Sie, ich hasse den jungen Mann ja nicht. Direkt mögen tue ich ihn aber auch nicht.“

Seit kurzem ist er schmerzfrei und arbeitet wieder. Am Samstag pfeift er erstmals seit dem Angriff ein Spiel. Aufhören stand nie zur Debatte. Trotz des Angriffs, der ihn zum Opfer machte. Trotz der zunehmenden Gewalt auf dem Platz, die er in den letzten Jahren beobachtet hat. „An einem Sonntag rief mich ein befreundeter Schiedsrichter an. Nach einem Übergriff. Er konnte nicht mehr.“ Helmut Dohse leitet am Samstag das Spitzenspiel der Freizeit-Liga. Es könnte zur Sache gehen. „Sie haben mich gefragt. Ich freue mich.“ Die Sporttasche im Flur steht seit Tagen bereit.