Sieben Ordner, prall gefüllt mit Unterschriftenlisten – „ein wirklich vorzeigbares Ergebnis“ sagt Achim Schräder etwas gedankenverloren, und an diesem Donnerstagmorgen im Wahlamt gewinnt man den Eindruck: Der Kursleiter aus der Volkshochschule kann es selber noch nicht so richtig fassen.
Denn tatsächlich ist es ja so: Die 16.369 Unterzeichner, die dem Bürgerbegehren „Kulturgut Essen“ über die erste rechtliche Hürde helfen sollen, sie kamen nur zusammen, weil die Sammelfrist wegen einer Panne bei der Stadtverwaltung um knapp zwei Monate verlängert worden war. „Ohne diese Verlängerung wären wir gescheitert“, räumt Schräder als einer von drei Vertretungsberechtigten des Begehrens unumwunden ein.
Woran’s lag? Schräder nennt viele Gründe: der kalte Winter, die eigene Unerfahrenheit, die Querschüsse aus der Politik, vor allem das Gutachten über die vermeintliche Unzulässigkeit ihres Vorhabens, Sparbeschlüsse für fünf Kultur-Institutionen zwischen VHS und Folkwang Musikschule wieder rückgängig zu machen. Viele Bürger seien erstaunt gewesen, dass die Unterschriften-Sammlung dennoch weiterging: „Wir dachten, das wäre verboten worden“, hieß es oft.
War es natürlich nicht. Aber frustriert waren viele Helfer und „die Leidensgrenze erreicht“, zumal auch die um Unterschriften angegangenen Bürger oft mit den Augen rollten: „Schon wieder ein Bürgerbegehren?“ Die Sache mit den Straßennamen hatte ihren Bedarf an direkter Demokratie offenbar bis auf weiteres gedeckt.
Nicht zuletzt mit Hilfe von SPD, Grünen und vor allem Linken und deren organisatorischer Unterstützung gab es dann doch noch genügend Schub. Ob der gereicht hat, will das Wahlamt von heute an bis zum Himmelfahrtstag am 9. Mai klären: Drei Prozent der bei einer Kommunalwahl stimmberechtigten Essener müssen „Kulturgut“ stützen, das sind rund 13.500 Bürger ab 16 Jahren mit deutschem Pass oder dem eines anderen EU-Landes. Die übliche Quote der bei der Prüfung aussortierten Unterstützer – Doppel- und Spaßunterzeichner etwa oder jene, die ihre Unterschrift vergessen haben – liegt laut Rüdiger Lohse vom Wahlamt üblicherweise bei 10 bis 15 Prozent.
Es könnte also reichen für Kulturgut – und doch wieder nicht. Denn die Stadtverwaltung hält das Begehren für unzulässig, weil die angesprochenen Themen nach ihrer Ansicht in der Organisationshoheit des Oberbürgermeisters liegen. Und der Rat, der über den Beitritt befindet, steht eh zu seinen Beschlüssen. So kann es sein, dass das Bürgerbegehren Kulturgut am Ende als entscheidende erst noch die juristische Hürde nehmen muss: mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen, für die ein Eilverfahren angestrengt werden soll.
Wer die Initiatoren vertreten soll, ist noch nicht festgelegt, es läuft aber wohl auf Wilhelm Achelpöhler hinaus, einen Fachanwalt für Verwaltungsrecht aus Münster, wo auch das Gutachten herkam, das die Gegenseite anführt. Tatort Münster also, das könnte ein spannender Politkrimi werden.