Essen.. Gegen den Drogenhandel in Altendorf machen die Bürger jetzt mobil. Sie fordern mehr Unterstützung von Verwaltung und Polizei. Von Verkäufern, die ihre Ware im Mund mit sich tragen, sie ausspucken, sobald ein Kunde kommt, erzählen Anwohner. Und von Kindern, die als „Kuriere“ missbraucht würden.
An der Straßenecke lungern drei junge Männer. Es ist Abend. Es ist Dunkel. Das ist Altendorf. Vielleicht also ist das Unbehagen, das sich beim Anblick der Jungs auftut, einzig dem schlechten Ruf des Stadtteils geschuldet, mag auch sein, dass das Thema des Abends wie graue Wolken über dem Denken liegt. Über den „Drogenhandel in Altendorf“ will Heinz Rothfuß vom freien Wahlbündnis „Essen steht auf“ sprechen.
Das linksradikale Bündnis hat sich damit eines Themas bemächtigt, das die Bürger im Stadtteil umtreibt. So sind an diesem Abend viele Anwohner ins Haus Röhl gekommen, denen der Ärger über den provokanten Drogenhandel rings um die Helenenstraße bis zur Halskrause steht. Sie berichten von ihren Erfahrungen mit Dealern, die hier längst zum Straßenbild gehören. Das sind zumeist - so bestätigen Staatsanwaltschaft und Polizei - Migranten afrikanischer Herkunft. Und die fallen im Viertel so auf, wie es blässliche Europäer an einer Kreuzung in Nairobi täten. So darf man sich doppelt wundern über die schlecht kaschierten Drogengeschäfte.
Im vergangenen Jahr viel erreicht
Es gibt wütend stimmende Berichte von „Spritzen und Päckchen mit Ecstasy-Pillen, die von Kindern in Grünanlagen gefunden werden“. Das alles lässt ahnen: Nicht leicht ist es, die Händler zu überführen. Nur selten tragen die ihr Sortiment in der Tasche. Bei Razzien werden Tütchen verschluckt oder verdutzt die Schultern gehoben: „Mein Päckchen soll das sein? Nein!“
Bis hierher: „Das Problem mit dem Drogenhandel in Altendorf ist schon nicht klein“, sagt Staatsanwalt Wilhelm Kassenböhmer. Man möge bei aller Empörung aber bitte nicht vergessen, dass im vergangenen Jahr einiges erreicht worden sei, hält Brigitte Liesner, Mitarbeiterin des Stadtplanungsamtes dagegen.
Seit gut einem Jahr arbeitet sie, um die Akteure im Stadtteil – da wären etwa der Werbering und Gerd von Oepens „Aktionsbündnis gegen den Drogenhandel in Altendorf“ - miteinander zu vernetzen, ist im Gespräch mit Polizei und Bürgern; bringt Hilfesuchende und Helfer zusammen. Denn für den Wandel braucht es nicht nur Zivilcourage, sondern auch Ordnungsmacht.
"Wo es Junkies gibt, da wird auch verkauft"
Längst lässt Dirk Heller, Leiter der Altendorfer Polizeiwache, vermehrt Streife laufen, die Drogenfahndung hat den Stadtteil im Auge, die Staatsanwaltschaft sowieso. Das ist ein Anfang – doch Heller bleibt rational: „Wo es Junkies gibt, da wird auch verkauft.“
Anhalten könne man Junkies dazu, den Druckraum in der Hoffnungstraße zu nutzen, Spritzen und andere Hinterlassenschaften einzusammeln. Doch „wenn der Suchtdruck da ist, warten die Leute nicht, bis sie konsumieren. Sie tun das an Ort und Stelle.“
Rund 400 von harten Drogen Abhängige, so zitiert von Oepen behördliche Schätzungen, leben in Altendorf. „Die Mieten hier sind niedrig. Zum Teil wird auch inoffiziell vermietet.“ 120 Euro Kaltmiete für eine Wohnung, das sei für Junkies erschwinglich.
Den Druck gegen die Dealer erhöhen
Doch wo will von Oepen mit seinem Aktionsbündnis, das Mitglieder aus Vereinen, Parteien, Gemeinden eint, nun eigentlich hin? Öffentlichkeit wolle man herstellen, Anwohner zusammen bringen und stärken – all dies, um den Druck gegen die Drogenhändler zu erhöhen.
Von Oepen weiß selbst, dass er sich auf schmalem Grat bewegt. Wenn es gut geht, guckt man auf seine leuchtend rot bedruckten „Stop den Drogenhandel in Altendorf“-Flyer und denkt sich: „Gut, dass die was tun.“ Im schlechtesten Falle jedoch könnte die Stimmung kippen und den Arbeiter-Stadtteil zum hoffnungslosen Drogen-Ghetto stempeln.
Vorsichtig also formuliert von Oepen auf der Hut vor polemischer Schelte, wenn er von seiner Unterschriftensammlung „Stop den Drogenhandel in Altendorf“ spricht. Will er den Drogenhändlern hunderte Bürgerunterschriften überreichen versehen mit der freundlichen Bitte, zu gehen? „Nein“, sagt von Oepen und es klingt durch, das wäre ihm zu viel Luftnummer. Der Verwaltung wolle man das Ansinnen übertragen. „Wir müssen immer wieder darauf aufmerksam machen und dürfen nicht nachlassen.“ Dann - so prophezeit er - werde es mehr Kontrollen geben, mehr Polizeistreifen. Mithin würde es immer enger für die Händler.
Gemeinsames Vorgehen
So herrscht an diesem Abend im „Haus Röhl“ am Ehrenzeller Markt Einigkeit. Gemeinsames Vorgehen. Proteste und Plakataktionen nicht ausgeschlossen. Zum Schutze von Kindern und Bürgern, denen es, so sagen sie, auf der Straße oft bang werde angesichts des Drogenhandels. Wie sehr, das versteht man, wenn man vor das Haus Röhl tritt. Längst hat sich die Szene von der Hauptstraße wegbewegt, hin zum Ehrenzeller Platz. Noch immer stehen da drei Jungs, die man kaum mehr unvoreingenommen betrachten kann. So also muss es sein, hier zu leben.