Essen.. Evren Yilmaz und Young-Tak Yoon sind Kleingärtner: Mit ihrem Hobby landen sie als Doku-Darsteller bei den Internationalen Kurzfilmtagen in Oberhausen. “Ali sein Garten“ heißt der Ruhrgebietsstreifen, der das Leben in der Kleingartenanlage zeigt.
Die Deutschen stutzen ihren Rasen mit der Nagelschere, kürzen ihre Hecke auf exakt 1,23 Meter – ganz nach Vereinssatzung. Vor sauber beschnittenen Buxbäumen blühen prächtige Pfingstrosen. Doch gleich hinter dem Gartenzaun endet beim türkischen Nachbarn die Schrebergarten-Idylle: Es wächst und wuchert wie im Urwald. Vor lauter Gestrüpp sieht man die Gurken nicht. Klischee oder Kleingarten-Alltag? Das Ergebnis ist auf jeden Fall der Kurzfilm „Ali sein Garten“, der bei den Internationalen Kurzfilmtagen in Oberhausen gezeigt worden ist.
Die Ausschreibung kam vom ZDF: Ein Ruhrgebietsfilm sollte es sein, der hinter die Fassade von Vorurteilen blickt. Das reizte Regisseurin Undine Siepker aus Köln, die in Dresden geboren ist, in Potsdam und Berlin lebte und noch nie einen Fuß ins Ruhrgebiet gesetzt hatte. Hässlich muss es sein, dachte sie. Hauptspeise Pommes rot-weiß. Schrebergärten, Schalke, Schluss. Die Bilder hatten sich festgefressen. Und Undine Siepker rückte mit Kamera- und Tonmann in Frillendorf an, um ihre Multi-Kulti-Doku in den Kasten zu kriegen.
"Fühlen Sie sich wie zu Hause"
Drehort: Kleingartenanlage Auf’m Uhlenbroich. Drehbuch: das pralle Parzellen-Leben. Der Zuschauer sieht 15 Minuten mit dem Ostpreußen (Typ Hausmeister), dem fröhlich-schnoddrigen Deutschen sowie türkischen und koreanischen Kleingärtnern.
„Fühlen Sie sich wie zu Hause“, grüßt Evren Yilmaz (30) und öffnet die Gartenpforte. Wasser plätschert im Brunnen, den er für seine Mutter gebaut hat. Sie teilen sich die Arbeit: Er pflegt – sie pflanzt. Der Rasen ist gemäht, die Rosen blühen noch nicht. Im Beet sprießen Porree, Lauch, Mangold und Petersilie. Salat knubbelt sich daneben. „Der muss jetzt umgesetzt werden“, erklärt Yilmaz, der als Maschinenbautechniker arbeitet. Aus Mulden in der Erde wachsen bald bis zu zweieinhalb Meter hohe Bohnen. Gurken und Zucchini ziehen sie zu Hause, bevor sie ins Beet kommen: wegen der Schnecken.
Das Häuschen der Familie steht zwischen zwei Gemüsebeeten. Küchenzeile, Couch, Fernseher und WC auf 20 qm. Ob sich dahinter das Unkraut verbirgt? Die Müllberge sich türmen? „Es gibt bestimmt fürchterliche Gärten“, sagt Yilmaz. Aber doch nicht nach Nationalität. Natürlich haben sie einen Verein samt Vorsitzenden und Satzung, die besagt, dass jeder sechs Stunden Gemeinschaftsarbeit im Jahr leisten muss. Hecken zwischen den Gärten nicht höher als einen Meter sein dürfen. „Aber zum Glück rennt niemand mit Zollstock herum.“
Erfolge beim Spinat
Zwölf der 24 Parzellen gehören türkischen Familien, die anderen Koreanern, Deutschen, einen Russen gab es mal. Sicherlich könnte er bei ein oder zwei Gärten mäkeln. Aber weil sie sich alle gut kennen, fragen sie eher nach, warum ein Garten vernachlässigt werde. „Eine Nachbarin war zum Beispiel überfordert, weil ihr Mann gestorben war“, erzählt Yilmaz. Seine künftige Partnerin wird Verständnis für seinen Garten mitbringen müssen: „Wer sich hier nicht wohlfühlt, ist nicht die Richtige für mich.“ Denn der Garten sei nicht nur Beschäftigungstherapie, sondern ein Ort, um zu entspannen und die Natur zu genießen. Auch die beim Nachbarn. Evren Yilmaz zeigt auf die Erfolge des Koreaners: „Sein Spinat wuchert wie verrückt.“
Wenn da nur nicht die Läuse auf den Tomatenpflanzen wären. Young Tak-Yoon (70), der als Krankenpfleger gearbeitet hat, behandelt auch gleich den Apfelbaum: „Mit Spülmittel und Wasser.“ Früher habe er sich mehr geärgert. Heute sammelt er geduldig mit seiner Frau bis zu 300 Schnecken aus dem Beet oder stopft Hundehaare in Maulwurfshügel. Was soll er sich aufregen, viel lieber genießt er bald die bissfesten, koreanischen Birnen oder den türkischen Knoblauch, den er vom Kollegen bekommen hat. Unter der Plane gedeihen Kohlrabis. Auch beim Koreaner keine Drecksecke, kein Wildwuchs. Stattdessen eine überraschte Regisseurin, die ein Miteinander der Kulturen vorgefunden hat. Kaum Konflikte, sondern Respekt im Umgang, den sie aus Berlin-Wedding so nicht kennt. Was von den Vorurteilen blieb: Der türkische Gärtner, der auf den Spaten aus der Heimat schwört: „Von den deutschen bekommt man Rückenschmerzen.“