Essen. Wer hat das Sagen? Der Stadtrat oder der Oberbürgermeister? Im Streit um das Bürgerbegehren „Kulturgut“ hat der renommierte Verwaltungsjurist Janbernd Oebbecke nun ein Gutachten erstellt, dass für viele Städte in NRW Sprengkraft besitzen könnte.
Die Initiatoren des Bürgerbegehrens „Kulturgut“, die sich gegen Einsparungen in diesem Sektor wenden, haben gestern noch einmal um neue Mitstreiter geworben. Wenn aber stimmt, was in diesen Tagen durchs Rathaus schwirrt, dann steht eben dieses Bürgerbegehren auf wackligen Beinen. Denn inzwischen liegt dem Oberbürgermeister und einem kleinen Kreis ausgewählter Mitarbeiter das Gutachten vor, das der renommierte Verwaltungsjurist Janbernd Oebbecke seit gut drei Monaten in Arbeit hatte.
Oebbecke soll darin ganz eindeutig die Kompetenzen des Oberbürgermeisters im politischen Gefüge stärken, und das hieße dann indirekt eben auch: Das Bürgerbegehren „Kulturgut“ wäre von der Stadtverwaltung zu Recht zunächst für unzulässig erklärt worden, da es sich gegen die „inneren Angelegenheiten“ der Verwaltung, gegen den internen Gestaltungsspielraum des OB richtet und nicht gegen einen politischen Beschluss des Rates. Und nur letzteres, so die nun offenbar bestätigte Rechtsauffassung der Stadt, kann ein Bürgerbegehren anfechten.
Machtkampf von OB und Rat
Den Kommunalpolitikern in Essen, ohnehin in ihrer großen Mehrheit gegen „Kulturgut“, alarmiert allerdings an dem Gutachten etwas anderes: Im schwelenden Machtkampf zwischen dem Rat auf der einen und dem OB auf der anderen Seite, neigt sich die Waage in Richtung OB.
Verkürzt gesagt: Der Rat glaubte bisher, er könne als demokratisch gewähltes Gremium Entscheidungen, die die Stadtverwaltung betreffen, bis ins Letzte vorgeben, der OB sei wenig mehr als ein ausführendes Organ des Rates. Mit dieser Sichtweise, sagen Eingeweihte, habe Oebbecke aufgeräumt.
„Der OB ist eben auch demokratisch gewählt“, sagt einer, der ungenannt bleiben will. „Daraus resultuiert eine ganz andere Legitimation.“ Die Gemeindeordnung habe in dieser Hinsicht Unschärfen und Ungereimtheiten, das Gewohnheitsrecht des Rates, sich für „allzuständig“ zu halten, werde nun aber deutlich angekratzt. „Das Gutachten hat Sprengkraft für alle Städte in NRW“, heißt es.
Der OB selbst genießt zurzeit noch still. Offiziell will er die Fraktionsvorsitzenden im Rat der Stadt am Freitag unterrichten. „Ich bitte um Verständnis, dass ich mich vorher nicht äußern möchte.“