Essen.. Guck mal, wer da stört: „Essen kontrovers“ diskutierte nicht nur die juristische Einzäunung der Bürgerbegehren.
Mit den Bürgern und ihren Begehren ist es manchmal wie mit den Kindern auf dem Bolzplatz: Alle schwören drauf, dass es sie gibt, diese wunderbaren Räume zum Austoben – solange sie nicht selber daneben wohnen und die Blagen zu laut werden. Dann mutieren die „lieben Kleinen“ plötzlich zu ungemütlichen Störfaktoren, und ein Schild kommt an den Zaun: Toben ja, aber nur bis 14 Jahre, nicht nach 18 Uhr, samstags schon gleich gar nicht, und notfalls kriegt der bärbeißige Nachbar einen Schlüssel für die Anlage.
Ähnlich ausgesperrt fühlen sie sich beim Bürgerbegehren „Kulturgut“, das in diesen Tagen 10.000 gesammelte Unterschriften meldet und immer noch nicht weiß, ob die ganze Arbeit am Ende für die Katz ist. Das liegt nicht nur an jenem rechtlichen Verwirrspiel mit falschen Kostenangaben und unzulässigen Textformulierungen, für die sich Rechtsamts-Leiterin Uta von Loewenich beim „Essen kontrovers“-Abend noch einmal ausdrücklich entschuldigte.
Sondern daran, dass das vom OB in Auftrag gegebene und jüngst veröffentlichte Rechtsgutachten mittlerweile den grundsätzlichen Eindruck vermittelt, als sei die Sache mit dem mündigen Bürger, der sich in die Politik einmischt, vorzugsweise graue Theorie. In der Praxis hingegen würden allerlei gute und weniger gute Gründe gesucht und auch gefunden, Bürgerbegehren als Störfaktoren auszuschalten. „Demokratie“, sagte denn auch Anabel Jujol von der „Kulturgut“-Initiative „sollte anders aussehen“.
Aber wie? Uta von Loewenich konnte nur mit den Achseln zucken: Ihr Job ist nicht die Politik, ihr Job ist die Juristerei, und die macht es Bürgerbegehren ausgesprochen schwer, seit das Kölner Verwaltungsgericht zur Sache des jeweiligen OB erklärte, was Bürger bei Spardebatten landauf landab als ihre Chance zur Korrektur sehen. Jeder Stör- ein Einzelfall, eine Gratwanderung der Zuständigkeiten, und immer ein Politikum. Was nützen einem gesenkte Zugangs- und Entscheid-Hürden, wenn einem das Räppelchen mit dem Hinweis aus der Hand genommen wird, dazu dürfe man leider nicht die Bürgerschaft befragen?
Mehrdad Mostofizadeh, der als grüner Landtagsabgeordneter die Einmischung der Bürger begrüßt, ahnt, dass die neue Rechtslage (wenn es denn auch die Gerichte so sehen) auch neuen Regelungsbedarf bescheren könnte, aber er weiß eben auch: „Wir brauchen Spielregeln. Ob die zeitgemäß sind, darüber müssen wir reden.“ Und Mostofizadeh warnt davor, allzu bereitwillig in Klassenkampf-Rhetorik zu verfallen und den Eindruck zu vermitteln, es bräuchte nur Geld, um auch Macht zu erlangen. Gründete die Entscheidung im Rüttenscheider Straßennamenstreit wirklich nur darin, dass die Initiative mehr Geld zur Verfügung hatte?
„Die Bürger haben ein gutes Gespür für das, was nachhaltig ist“, sagte eine Diskutantin, und so mancher Bürger, der sich in der VHS zu Wort meldete, stützte den Eindruck, als würden Bürger, die Sparpläne verhindern wollen, „von oben“ absichtlich ins Abseits gestellt. Eine These, die nicht mal Thorsten Sterk von der Initiative „Mehr Demokratie“ teilte, der auch das Bibliotheks-Begehren für unzulässig hielt. Viel wäre schon gewonnen, glaubt er, wenn die Stadt verbindliche Aussagen zur Zulässigkeit von Bürgerbegehren träfe, „das hätte allen einiges erspart“. Dass dies bei „Kulturgut“ bis heute nicht gelang, ließ nicht nur eine Schweizerin mit dem Kopf schütteln. Und die muss es eigentlich wissen.