Essen. Die Trinkerszene bleibt am Willy-Brandt-Platz, der Misserfolg der bisherigen Verdrängungsstrategie ist offensichtlich. Ordnungsamt beobachtet oft nur.

Die einen sitzen und stehen rund um den U-Bahn-Aufzug und nehmen viel Alkohol zu sich, die anderen sitzen in ihrem Auto und schauen dem Treiben zu. Zwischen der Trinkerszene am Willy-Brandt-Platz und den Mitarbeitern des Ordnungsamtes scheint es so etwas wie eine geordnete Koexistenz zu geben. So jedenfalls kommt es Passanten vor, die am Eingang der Innenstadt so recht keinen Fortschritt erkennen können, seit die Stadt vor vielen Monaten ihr Konzept vorstellte: Eine Mischung aus sozialarbeiterischer Betreuung und robuster Verdrängung.

Kromberg: „Wir haben das, was wir wollten, so nicht erreicht“

„Wir haben das, was wir wollten, so nicht erreicht“, räumt der städtische Ordnungsdezernent Christian Kromberg auf Anfrage ein. Zwar seien immer wieder auch trinkende Kleingruppen am Ersatzstandort gegenüber vom Gildehof anzutreffen, doch sei die Entlastung für den Willy-Brandt-Platz nicht sonderlich spürbar. Den Eindruck, dass seine Mitarbeiter kaum etwas tun, um der Szene das Leben schwerer zu machen, teile er aber nicht. „Wenn unsere Leute dort stehen, verhalten sich die Leute ganz manierlich, sammeln Flaschen ein und drücken ihre Zigaretten sogar in mitgebrachten Aschenbecher aus“, weiß Kromberg. Und durchaus gebe es auch robuste Ansprachen bis hin zu Platzverweisen, die die Polizei ausspreche, wenn es auf dem Platz zu hoch hergehe.

„Dennoch halten wir nun eine weitere Eskalationsstufe für nötig“, sagt der Dezernent. Dem Vernehmen nach soll es bauliche Veränderungen am Willy-Brandt-Platz geben. Näheres will Kromberg erst preisgeben, wenn er Politik und Sozialverbände über seine Pläne unterrichtet hat, was wohl nächste Woche geschieht. „Klar ist, ich gebe nicht auf.“

Alkoholverbot weiterhin eine Option

Auch das Thema Alkoholverbot sei weiter eine Option. Dass die Stadt Herne bei diesem Thema vorpreschen wolle, werde im Rathaus mit Interesse verfolgt. Es bleibe aber das Problem, „dass wir im Fall einer juristischen Auseinandersetzung deutlich machen müssen, dass wir alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben.“ Nur dann bestehe die realistische Hoffnung, dass ein Gericht das Alkoholverbot nicht kippe.

Für ein Alkoholverbot müsse zuvor auch erst einmal eine politische Mehrheit her, die SPD-Ratsfraktion will bislang nicht, führt als Begründung eine Mischung aus sozialen und juristischen Bedenken ins Feld. „Wenn alles andere nichts genützt hat, glaube ich eine Mehrheit zu bekommen“, meint Kromberg.

Bis zur nächsten Eskalationsstufe bleibt am Tor zur Innenstadt jedenfalls wohl erst einmal alles beim Alten. Marc Heistermann, Geschäftsführer des Essener Einzelhandelsverbands, lobt zwar die Hartnäckigkeit Krombergs, mahnt aber auch zur Eile, denn der Willy-Brandt-Platz verliere zusehends an Attraktivität. Heistermann fragt sich allerdings mit Sorge, wohin die Szene nach vielleicht erfolgreicher Verdrängung ausweichen werde.

Sollte es weiter in die Innenstadt hineingehen, wäre wenig gewonnen. Auch die Marktkirche etwa leidet stark an einer Szene, die Trinkgewohnheiten und Körperöffnungen nur bedingt zu kontrollieren versteht. „Was nützt denn eine Doppelstreife, wenn diese beim Vorbeifahren bei Gelagen einfach wegschaut und untätig bleibt“, fragt ein Anwohner, der in diesem Teil der Innenstadt lebt.