Essen. Ludger W. fällt im Unterricht seit Jahren mit extremistischen Thesen auf. Die Schulleitung intervenierte, erhält aber keine Hilfe aus Düsseldorf.
Die Inhalte, die Lehrer Ludger W. seinen Schülern am Berufskolleg Essen-West vermittelt, klingen äußerst befremdlich: „Es gibt keinen deutschen Staat“, „Sie brauchen keine Steuern oder Strafzettel zu bezahlen“, „Sie brauchen der Polizei nicht Folge leisten“ – das sind einige der verbürgten Sprüche, mit denen W. nach Erkenntnissen dieser Zeitung im Unterricht auffiel und die klar auf eine mindestens große Nähe zur so genannten Reichsbürgerbewegung schließen lassen.
Die „Reichsbürger“ bewegen sich im Dunstkreis von Verschwörungstheorien und Rechtsradikalismus und sehen die Bundesrepublik Deutschland nicht als legitimen Staat an – Verfassungsfeinde reinsten Wassers also, wenn auch der spinnerten Art.
Wahrlich nicht die günstigste Voraussetzung, um an einer öffentlichen Schule als Lehrer zu arbeiten, findet der Essener FDP-Landtagsabgeordnete Ralf Witzel, der von dem Fall Kenntnis erhielt und ihn demnächst zum Gegenstand einer offiziellen Anfrage im NRW-Landtag machen will. Das Schulministerium stehe in der Pflicht, am Berufskolleg Essen-West endlich etwas zu unternehmen.
Suspendierung durch die Schulleitung wurde von der Schulaufsicht wieder aufgehoben
Denn der 45-jährige Beamte fällt schon seit mindestens drei Jahren immer wieder mit fragwürdigen Inhalten auf, die über Schülerbeschwerden auch bereits mehrfach an die Schulleitung gelangten. Dort wurden nach Erkenntnissen dieser Zeitung schon sehr viele Krisengespräche mit dem politisch verirrten Pädagogen geführt und sein Verhalten der zuständigen Schulaufsicht der Düsseldorfer Bezirksregierung gemeldet – auch dies bereits mehrfach.
Die Reaktion war anscheinend gleich null. Als die Schulleitung sogar zum Mittel der Suspendierung vom Unterricht griff, soll die Aufsicht sogar angeordnet haben, W. wieder einzusetzen.
Schulleiter Georg Greshake will all das offiziell weder bestätigen noch dementieren und verweist darauf, dass er nicht befugt ist, in Personalangelegenheiten gegenüber Medien Stellung zu nehmen. Aber auch Ralf Witzel weiß: „Eine sichtbare Konsequenz auf die verstörenden Vorfälle ist in der Schulgemeinde nicht bekannt.“
Innenminister machte auch das Schulministerium auf die „Reichsbürger“-Gefahr aufmerksam
Bezirksregierung und Schulministerium sahen sich in den letzten Tagen nicht in der Lage, etwas zu den Gründen ihrer offenkundigen Passivität zu sagen. Witzel findet die Zurückhaltung umso verwunderlicher, da in der Landesregierung das Treiben von „Reichsbürgern“ in NRW nicht unbemerkt blieb. Erst Anfang Februar hat Innenminister Ralf Jäger in einem Bericht die Zahl der bekannten Aktivisten stark nach oben korrigiert – innerhalb kurzer Zeit sei sie von 300 auf jetzt rund 1000 angestiegen.
In einem Bericht vom November 2016, ebenfalls zum Reichsbürger-Thema, findet sich unter anderem folgender Satz: „Bereits im Januar 2015 hat der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen ein Informationsschreiben mit konkreten Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Reichsbürgern, z. B. sich nicht auf rechtliche Diskussionen einzulassen und konsequentes Verhalten an den Tag zu legen, allen Ressorts zukommen lassen.“
Von „konsequentem Verhalten“ kann laut FDP-Mann Witzel keine Rede sein
„Allen Ressorts“ – also habe auch das Schulministerium Kenntnis von den Handlungsempfehlungen erhalten, folgert Witzel. Und die in Jägers Innenministerium angesiedelten Abteilungen für disziplinarisches Fehlverhalten von Landesbediensteten hätten womöglich auch dem Essener Fall bereits einige Aufmerksamkeit widmen müssen.
Von „konsequentem Verhalten“ könne am Berufskolleg West aber absolut keine Rede sein, ganz im Gegenteil. „In der Schulgemeinde sorgt es für eine nachhaltige Verwunderung, dass der mit den Vorwürfen konfrontierte Lehrer von der Schulministerin offiziell als wichtiger Ansprechpartner für die Förderung der Kompetenzentwicklung und des Kompetenzerwerbs in der beruflichen Bildung präsentiert wird“, so FDP-Mann Witzel.
W. wird sogar in einem Landesprogramm als Ansprechpartner genannt
Tatsächlich taucht W’s Name wie zum Hohn in der offiziellen Broschüre jenes landesweiten Qualifizierungsprogramms namens „Komet NRW“ auf – als Mitglied einer Arbeitsgruppe. „Nur noch grotesk“ findet dies Witzel. „Vieles spricht für ein großes Behördenversagen bei der Schulaufsicht, das es nun parlamentarisch näher zu ergründen gilt.“
Bis dahin darf W. wohl weiter sein Unwesen treiben – und das gegen den Willen der Schulleitung, wie dieser Zeitung bekannt ist. Eine Gesprächsanfrage ließ der Lehrer unbeantwortet.