Essen. Markus Kiesel ist künstlerischer Leiter der Essener Philharmoniker. Ein Job, bei dem es nicht schadet, wenn man Noten genau so gut lesen kann wie Bilanzen.
Wenn sich ein bekennender „Kurpfälzer“ wie Markus Kiesel leichten Herzens aus seiner Heimat verabschiedet, dann muss es schon gute Gründe geben. Zum einen ist Kiesel, der in Dortmund bereits mit John Dew gearbeitet hat, ein großer Freund des kulturreichen Ruhrgebiets. Zum anderen hat ihm Hein Mulders, Doppel-Intendant der Essener Aalto-Oper und Philharmonie, vor zwei Jahren ein Amt angeboten, das im Wortsinne viel Spielraum gibt. Markus Kiesel ist künstlerischer Leiter der Essener Philharmoniker. Keiner, der am Pult steht, Proben begleitet oder Termine disponiert. Kiesel ist das, was man wohl am besten als „Allroundkünstler“ hinter den Kulissen beschreibt. Kümmerer, Kommunikator, Planer, Vertrags-Aushändler und Buchhalter in einem.
Mit der Herausforderung, ein Amt ohne konkrete Stellenbeschreibung angetreten zu haben – denn Kiesels Job hat es vorher in Essen so nie gegeben – hat sich der promovierte Musikwissenschaftler längst angefreundet. „Ich kann meine vielen Kompetenzen wunderbar umsetzen“, schwärmt Kiesel. Will heißen:„Es schadet in diesem Beruf nicht, wenn man Noten genauso gut lesen kann wie Bilanzen“, erklärt der 54-Jährige.
"Ein Orchester, für da es sich einzusetzen lohnt"
All das ist notwendig, um den komplexen Konzert-Betrieb in Gang zu halten. Mehr noch: Um Essen als Musikadresse noch stärker zu einer Marke zu machen. Mit hoher musikalischer Qualität, aber auch mit handverlesenen, dramaturgisch anspruchsvollen Programmen, „die es so in anderen Häusern nicht zu hören gibt“, betont Kiesel. Allein für die Vorbereitung eines Sinfoniekonzerts hört er im Schnitt „rund 30 Stunden Musik“. Wählt aus, verwirft, verpflichtet Gastdirigenten, verhandelt Gagen, guckt dabei aufs Budget, rechnet durch und holt dabei immer wieder Meinungen und Anregungen des Orchesters ein. Schließlich geht es bei den Essener Philharmonikern um „ein Orchester, für da es sich einzusetzen lohnt“, sagt Kiesel, der seine multiplen Befähigungen für das Amt unter anderem als Chefdisponent und Betriebsdirektor an den Theatern in Frankfurt, Cottbus und Wiesbaden sowie als Geschäftsführer der Ludwigsburger Schlossfestspiele gesammelt hat.
Vom Konzert für Demenzkranke bis zur entspannten Klassik-Lounge
Viele Orchester hat er gehört und gesehen, doch von der überragenden Qualität der Essener Philharmoniker ist er überzeugt. „Essen ist als Musikstadt nicht so populär wie Dresden, Leipzig und Wien. Aber die Qualität des Orchesters kann unbedingt mithalten“, gibt sich Kiesel überzeugt. Und dass nach einer Vorstellung der Mozart-Oper „Idomeneo“ unlängst der Satz vom „Salzburg an der Ruhr“ fiel, hat der gebürtige Mannheimer durchaus mit Genugtuung registriert.
Wie dieser Ruf noch selbstverständlicher über die Stadtgrenzen zu tragen ist, auch darüber hat sich Kiesel in seiner Amtszeit Gedanken zu machen. Gastspiele sorgen für Renommee, aber schließlich sind die Philharmoniker vor allem auch das Orchester der Stadt und Ideen, die Arbeit noch publikumsnäher zu gestalten, gibt es seitens der Philharmoniker viele – vom Konzert für Demenzkranke bis zur entspannten Klassik-Lounge. Kiesel unterstützt das Orchester dabei nach Kräften. Als künstlerischer Leiter ist er schließlich „Ansprechpartner für alle Seiten“, Intendanz wie Musiker. Ein schwierige Gratwanderung? Iwo, lacht Kiesel: „Ein herrliches Amt! Man weiß immer als erster alles!“