Essen. Klaus Pfeffer(49) ist der neue Generalvikar und damit Vertreter des Bischofs. Im Interview spricht er über Glauben, Kirche, über Freunde – und Don Camillo.
Seit November ist Klaus Pfeffer (49) der neue Generalvikar und damit Vertreter des Bischofs. Christina Wandt sprach mit ihm über Glauben, Kirche, über Freunde – und Don Camillo.
Herr Pfeffer, sind Sie mit Glauben und Gemeindeleben aufgewachsen?
Klaus Pfeffer: Ich komme aus einer kirchlich geprägten Familie, habe mir die kirchliche Jugendarbeit aber selbst erschlossen und in meinem Heimatort einen Pfadfinderstamm aufgebaut. Viele erleben Kirche als den eigenen Kirchturm – für mich war es die weltweite Gemeinschaft der Pfadfinder. Dadurch bekam ich Lust, diese Arbeit zum Beruf zu machen. In der Schule habe ich niemandem davon erzählt, das wäre uncool gewesen. Doch als ich Pfarrer wurde, sagten einige Freunde nur: „War doch klar.“
Vorher rutschten Sie in den Journalismus: Einem Verleger gefielen Ihre Texte für die Pfadfinder so gut, . . .
Pfeffer: . . . dass er mir ein Volontariat anbot. Und ich habe gern als Journalist gearbeitet, bis es einen Wechsel an der Verlagsspitze gab und die Stimmung kippte. Das war für mich der Impuls, mich wieder stärker in der Kirche zu engagieren, schließlich Theologie zu studieren.
Zufall oder ein Fingerzeig?
Pfeffer: Man fragt sich schon, wer einem da etwas zuwirft. Die Zufälle des Lebens sind für mich immer auch Fügung. Und ich habe die Entscheidung nie bereut, obwohl es in diesem Beruf schon Krisenzeiten gibt. Die Seelsorge geht nun einmal dicht an die Lebensfragen, da wird auch die Seele des Seelsorgers bewegt und manchmal durchgeschüttelt.
Warum sind Werdegänge wie Ihrer heute so selten?
Pfeffer: Wir erleben eine umwälzende Entwicklung: Die Volkskirche lebte davon, dass die Menschen im katholischen Milieu quasi automatisch Katholiken wurden. Solche Milieus gibt es nicht mehr. Wir leben in einer pluralen Gesellschaft, die dem einzelnen eine große Freiheit gibt. Früher bedurfte es einer starken Überzeugung, sich von der Kirche abzuwenden, heute bedarf es großer Überzeugung, Christ zu sein. Unsere Herausforderung ist, wie wir die junge Generation ansprechen.
Welche Erfahrungen haben Sie da als Rektor der Jugendbildungsstätte St. Altfrid gemacht?
Pfeffer: Zu uns kamen oft Schulklassen, die argwöhnisch waren: „Was will die Kirche von uns?“ Gleichzeitig brachten sie ein spirituelles Interesse mit und waren angerührt, wenn wir abends in der Kirche bei Kerzenschein und Musik über Glaubensfragen sprachen. Da fragt man sich: Warum gelingt uns das selten im Alltag? Jeder Mensch hat eine Sehnsucht nach Transzendenz; nur wie wir das in der katholischen Kirche praktizieren, ist für viele fremd
Die Kirche muss umdenken?
Pfeffer: Wir müssen andere Formen und vor allem eine Sprache finden, die die Menschen erreicht. Ich mag das Bild des Brückenbauers, der die Welt der Kirche und die Welt „draußen“ verbindet. Wir müssen aufmerksamer werden für die Menschen um uns herum. Ich habe Jugendliche erlebt, die ein tieferes Interesse hatten, die die Bibel lesen, über Gottesfragen diskutieren wollten – und in ihrer Gemeinde leider keinen Widerhall darauf fanden. Es gelingt zu wenigen von uns, sich in junge Menschen hineinzuversetzen. Es reicht nicht zu sagen: „Ihr müsst jeden Sonntag kommen, basta.“ Man muss den Leuten erlauben, Kirche punktuell zu erleben. Wenn an Weihnachten die Kirche voll ist, ist das schön – und kein Grund zu jammern, dass es sonst nicht so ist.
Also ist es gar kein Problem, dass die Kirchen immer leerer sind?
Pfeffer: Als früherer Personalchef weiß ich, dass wir in den nächsten 18 Jahren die Hälfte des pastoralen Personals verlieren. Das ist eine desaströse Situation, die existenzielle Auswirkungen haben wird. Trotzdem sehe ich auch die Chance: Wir haben heute weniger Gläubige, die jedoch eine tiefere Überzeugung haben und so eine Kirche mit mehr Strahlkraft schaffen können. Noch beschäftigen wir uns zu sehr mit unseren Binnenfragen wie dem Zölibat. Es gäbe so viele wichtige Themen, zu denen wir als Christen Stellung nehmen sollten, im Namen unserer Werte, unseres Menschenbildes.
Was erwarten Sie vom aktuellen Dialogprozess im Bistum?
Pfeffer: Es ist eine Riesenchance, dass wir im Bistum begonnen haben, offen miteinander zu reden. Wohlwissend, dass wir nicht alles ändern können – wir sind nicht der Vatikan.
Was bedeutet es für Sie, dass Sie seit Februar päpstlicher Ehrenkaplan mit dem Titel Monsignore sind?
Pfeffer: Es ist ein Ehrentitel, der ein wenig nach Don Camillo und Peppone klingt. Wichtiger ist es, als Priester eine überzeugende Persönlichkeit zu sein als einen schönen Titel zu tragen. Schon als Kaplan sagte ich: „Ich heiße nicht Klaus Kaplan, man darf mich Herr Pfeffer nennen.“
Für wen sind Sie noch „der Klaus“?
Pfeffer: Ich habe einen kleinen Freundeskreis, für den ich „der Klaus“ bin. Mein voller Kalender erlaubt mir nicht, viele Freundschaften zu pflegen. Umso wichtiger sind mir die Menschen, die mir in den vergangenen 30 Jahren zu Freunden wurden, die sagen: „Zu uns kannst Du immer kommen.“ Die sagen mir, sollte ich die Bodenhaftung verlieren.
„Kein Täter sah ernsthaft ein, was er getan hat“
Der sexuelle Missbrauch durch Priester hat zu einem massiven Vertrauensverlust der Kirche geführt. Warum tat man sich hier mit der Aufarbeitung so schwer?
Pfeffer: Wenn ich heute lese, dass ein Täter einfach nur versetzt wurde oder den Rat bekam „Treib mehr Sport“, erschüttert mich, dass man glaubte, das helfe. Vor 30, 40 Jahren herrschte aber allgemein ein anderes Denken. Darum bin ich dankbar für einen Aufklärer wie Pater Klaus Mertes, der die Kirche wachgerüttelt hat.
Hat die Kirche ihr Personal nicht sorgfältig genug ausgewählt?
Pfeffer: Wir wissen, dass potenzielle Täter nicht so leicht auffallen. Viele Täter galten als besonders sympathische, gewinnende, fähige Mitarbeiter. In unseren Schulungen wird daher eingeübt, sensibler und aufmerksamer zu werden als früher.
Missbrauch kommt am häufigsten in Familien vor, nicht in der Kirche. Aber er hat in der seelsorgerischen Arbeit noch schrecklichere Folgen, weil Sie als Priester auf einem Podest stehen, als Vertreter des Göttlichen gelten.
Pfeffer: Ich habe übrigens keinen Täter erlebt, der ernsthaft einsah, was er Gravierendes getan hatte. Darum tun wir heute alles dafür, dass die Täter spüren: Dies ist ein Umfeld, wo hingeschaut wird. Jeder, der in der Kinder- und Jugendarbeit tätig ist, wird geschult und muss alle fünf Jahre ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.
Nicht alle Gläubigen unterstützen diese neue klare Linie. . .
Pfeffer: Es kam vor, dass wir Mitarbeiter suspendierten und die Gemeinde war empört: „Unser Pfarrer kann das nicht getan haben.“ Oder: „Seid gnädiger!“