Essen.. Wohnen in Essen: Die Margarethenhöhe gehört zu den beliebtesten Quartieren. Die Bewerberlisten sind lang. Eine Familie zeigt ihr neues Zuhause dort.

Sonja Mersch mag sich nicht entscheiden, welche Jahreszeit auf der Margarethenhöhe die schönste ist. Der Sommer, wenn der Rhododendron und die Rosenstöcke im Vorgarten blühen? Oder doch der Herbst, der den Wein an den Fassaden satt rot und golden färbt? „Eigentlich ist es immer schön“, sagt die 36-Jährige.

Sonja Mersch wohnt mit ihrem Mann Julius Hölscher (36) und den zwei Töchtern, sieben und vier Jahre alt, seit Januar in der historischen Siedlung, die Margarethe Krupp Anfang des vergangenen Jahrhunderts bauen ließ und die „Die Zeit“ einmal als „bezaubernde Biedermeierkulisse vom Reißbrett“ beschrieb. Auch die Doppelhaushälfte von Familie Mersch/Hölscher hat draußen die typischen Sprossenfenster, die grün-weißen Fensterläden und Türen und die schmalen, weißen Gesimse.

Die 130 Quadratmeter drinnen dagegen sind moderner und geräumiger, als das Haus von außen erahnen lässt. Wohnzimmer, Küche, zwei Kinderzimmer, ein Büro, Schlafzimmer und ein Bad. Das alles auf drei Etagen. Besonders hübsch ist das weiß und grau gestrichene Treppengeländer mit den Sprossen. Die schmalen und steilen Treppen erinnern noch am ehesten an die Enge früherer Tage.

Haus grundlegend saniert

Bevor Sonja Mersch und Julius Hölscher eingezogen sind, wurde das Haus von der Margarethe-Krupp-Stiftung grundlegend saniert und umgebaut – soweit es der Denkmalschutz freilich zuließ. Der alte Kachelofen wurde gegen eine neue Heizung ersetzt. Kleine Räume wurden aufgelöst, die Spülküche, deren Tür in den kleinen Garten führt, ist jetzt Teil des Wohnzimmers, der Durchbruch zwischen Küche und Wohnzimmer gibt dem Raum zusätzlich mehr Luft und auch der Dachboden wurde zum Wohnen ausgebaut. Ein Palast sei es zwar nicht, aber der Platz ist ausreichend für die vierköpfige Familie, die die Kompaktheit und Gemütlichkeit ihres neuen Zuhauses liebt: „Das Haus hat einfach Charakter.“ Über die Miethöhe wollen sie keine Auskunft geben, sie sei aber erschwinglich; im Vergleich zu ähnlichen Immobilien eher am unteren Rand.

Noch vor ein paar Jahren hätten sich die beiden ein Leben auf der Margarethenhöhe eher nicht vorstellen können. Obwohl beide die Siedlung schon immer liebten, schien sie ihnen zu viel Idyll zu sein. Zuletzt lebten beide in einer großen Altbauwohnung in Bochum, zuvor in Holsterhausen – mehr im Großstadt-Leben also. Doch mit der Geburt der Kinder änderten sich auch die Vorstellungen von Sonja Mersch und Julius Hölscher, wie sie wohnen wollten: Früher hätten sie den Wunsch nach einem Häuschen mit Garten wohl als spießig empfunden, heute ist es das nicht mehr.

Über ein Jahr Wartezeit

Warum es unbedingt die Margarethenhöhe sein sollte? „Das Leben hier ist für Familien äußerst praktisch“, sagt Sonja Mersch. Die große Tochter läuft jeden Tag zur Schule. Sie liegt nur zehn Minuten Fußweg entfernt. Nicht in jedem Stadtteil, so betont die 36-Jährige, würde sie ihr Kind allein zur Schule schicken. Auch die Vierjährige hat in der Nähe einen Kita-Platz. Es gibt zudem kaum Verkehr, keinen nächtlichen Trubel: „Es ist absolut ruhig“, unterstreicht Julius Hölscher. Kinder könnten hier noch mit dem Roller auf der Straße fahren.

Mancher würde die Margarethenhöhe vielleicht zu lauschig, zu eng, zu nachbarschaftlich empfinden. Auch Sonja Mersch und Julius Hölscher hatten sich Gedanken darüber gemacht, ob es in dieser kleinstädtisch anmutenden Beschaulichkeit zu viel Klatsch und Tratsch geben würde. „Das hat sich aber zum Glück nicht bewahrheitet.“ Man kennt sich und grüßt sich, und wie viel Nähe man zulasse, liege schließlich an jedem selbst, sagen sie.

Über ein Jahr musste die Familie allerdings warten, bis eine Wohnung in einem der knapp 590 Häuser frei wurde. Die Wartelisten sind nach wie vor lang, vor allem größere Wohnungen für Familien sind begehrt. Es ist eine komfortable Situation für die Margarethe-Krupp-Stiftung. Kaum ein anderer Vermieter in Essen kann sich seine Mieter so gezielt aussuchen und die Quartiersentwicklung somit beeinflussen. Junge Familien wie die von Sonja Mersch und Julius Hölscher sind dabei gern gesehen „Wir wollen hier auf der Margarethenhöhe ja nicht überaltern“, sagt Stiftungsvorstand Thomas Möller.

Sonja Mersch und Julius Hölscher haben nun einen Mietvertrag auf Lebenszeit auf der Margarethenhöhe. Und im Moment können sie sich auch gar nicht vorstellen, hier jemals wieder weg zu ziehen. „Es ist unser Pleasantville“, wie im Film, „zu schön, um wahr zu sein“.

Margarethe Krupp wollte eine schöne Stadt für alle Essener

Margarethe Krupp hinterließ Essen mit der nach ihr benannten Siedlung ein besonderes Kleinod. Die Margarethenhöhe, angelehnt an die Gartenstadtbewegung, sucht im Ruhrgebiet ihres Gleichen. Essen verdankt das städtebauliche Idyll dem ausgeprägten sozialen Gewissen seiner Gründerin. Nach dem Tod ihres Mannes Friedrich Alfred Krupp 1902 war Margarethe Krupp für ihre Tochter Bertha zur Treuhänderin des Firmenvermögens bestimmt worden. 1906, zur Hochzeit Berthas mit Gustav von Bohlen und Halbach, gründete sie die Margarethe Krupp-Stiftung für Wohnungsfürsorge und erwarb 50 Hektar Land. Sie stiftete eine Million Mark.

Nicht nur „Kruppianer“ sollten in der Vorzeigestadt wohnen, sondern sie war für alle gedacht – besonders aber für „Minderbemittelte“, womit man damals Angehörige des Mittelstandes meinte, die sich kein eigenes Haus leisten konnten. Eine Arbeitersiedlung ist sie nie gewesen, genauso wenig eine Sozialsiedlung. Dennoch: Auch wenn die Mieten in den vergangenen Jahren zum Teil deutlich angehoben wurden und die Nachfrage nach Wohnungen weiter hoch ist, so gilt das Wohnen hier immer noch als erschwinglich.

Gebaut wurde die Margarethenhöhe vom Architekten Georg Metzendorf, der seine Idee von einem kleinen Wohnhaus umsetzte. Ihm war die Gebrauchstüchtigkeit eines „Kleinhauses“ im Inneren so wichtig wie die äußere Gestalt oder der Preis. 1987 wurde der größte Teil der „Alten“ Margarethenhöhe mit 586 Gebäuden und 1157 Wohneinheiten unter Denkmalschutz gestellt.