Essen-Haarzopf/Fulerum. Großer Andrang auf dem Beekmannhof in Essen-Fulerum: Es ging um die Gefährdung von Freiluftflächen. Bedroht ist nicht nur ein Erdbeerfeld.
In der voll besetzten Scheune von Bauer Scheidt auf dem Beekmannhof in Essen-Fulerum informierten sich rund 800 Interessierte, wie es aus Sicht der Bürgerinitiative „Finger weg von Freiluftflächen“ mit ihren Stadtteilen Haarzopf und Fulerum weitergeht. Dort ist nicht nur das Erdbeerfeld bedroht.
„Unser grüner Stadtteil ist in Gefahr. Der Flächenfraß soll weitergehen.“ Jörn Benzinger von der 2019 gegründeten Bürgerinitiative (BI) „Finger weg von Freiluftflächen“ nahm kein Blatt vor den Mund: „Wir müssen hartnäckig dran bleiben, laut und unbequem sein. Nur so können wir etwas erreichen.“ Man habe zuletzt gesehen, wie ein Aufschrei der Bevölkerung zum Beispiel in Mülheim auf die Kommunalwahlen Einfluss genommen habe.
Bürgerinitiative informierte über bedrohte Freiflächen in Haarzopf und Fulerum
Zum Familientag der BI auf dem Beekmannhof strömten die Massen. Der letzte noch vor Ort verbliebene Landwirt Ferdinand Scheidt hatte seinen Hof zur Verfügung gestellt. Rund 800 Menschen vornehmlich aus Fulerum und Haarzopf waren gekommen. Die Kinder tobten auf Heuballen und bestaunten die Traktoren, die Älteren zog es zu den Grill- und Bierständen, die Coverband „The Starfighters“ spielte Oldies. Doch der Anlass des Treffens war nicht erfreulich.
Unter dem Motto „Was wir schützen konnten und was noch zu befürchten steht“ informierte Jörn Benzinger über den Stand der Dinge beim Kampf um die Freiluftflächen. Eine Stunde lang berichtete er in der bis auf den letzten Platz gefüllten Scheune. „Wir führen viele Gespräche im Stadtteil und mussten wir feststellen, dass Leute die aktuellen Entwicklungen gar nicht mitbekommen haben. Wir kämpfen ganz akut um bedrohte Flächen. Auch die Flächen, die gerettet wurden, sind nicht auf ewig sicher. Bei der letzten Info-Veranstaltung waren 400 Menschen da, jetzt sind es doppelt so viele.“
Das Format eines Sommerfestes gebe auch Familien die Möglichkeit, sich zu informieren: „Ich habe mich schon gefragt, wo denn bei unseren Veranstaltungen die vielen jungen Familien sind. Doch jetzt haben wir selbst zwei Kinder und wissen, wie knapp die Zeit wird.“ Der 41-jährige promovierte Geisteswissenschaftler wohnt in der Nachbarschaft. Die Rolle von Verwaltung und Stadtspitze sieht die BI kritisch. Die Aussage, dass das der Markt regele, mache offenbar nicht nur ihm Angst.
Er habe zusammengerechnet, was in den vergangenen 15 Jahren bebaut wurde im Quartier: „Alleine an der Fulerumer Straße 5,2 Hektar, alles in allem so viel wie 22 Fußballfelder, also rund 16 Hektar.“ Man habe den Eindruck, dass dabei Investoreninteressen wichtiger seien als das Allgemeinwohl. Die Infrastruktur sei jedenfalls nicht mitgewachsen. Einiges habe vorerst gerettet werden können, aber: „Auch wenn das Fulerumer Feld kommunalpolitisch gerettet scheint, taucht es doch im neuen Regionalplan Ruhr immer noch auf.“
Für Bauer Scheidt stehen jetzt Verhandlungen an
An der Eststraße seien Flächen verkauft worden, die nicht bebaut werden dürfen: „Laut Bezirksregierung hätte es keine Baugenehmigung geben dürfen.“ In Bezug auf die Renaturierung behalte sich die BI juristische Schritte vor. Immerhin werde die BI als Gesprächspartner respektiert, eine Grundlage sei so geschaffen. Man fordere eine echte Bürgerbeteiligung, eine Absage an Bodenspekulanten und Gewinn-Maximierer, Flächen dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden, so Benzinger.
Die BI sei mittlerweile gut vernetzt: „Es kann eigentlich nicht sein, dass sich nur da etwas verändert, wo die Leute laut werden. Doch wir scheuen keine Auseinandersetzung.“ Benzinger ging in seinem Vortrag auch auf Beispiele ein. So mache sich die Familie Scheidt weiter Sorgen um ihre Existenz. Die Flächen in Fulerum, auf denen Bauer Scheidt vor allem Rollrasen anbaut, gehören der Thelen-Gruppe, die die Pacht massiv erhöhen will. Benzinger: „Wir werden ganz genau beobachten, was jetzt die Verhandlungen ergeben.“