Essen. Erst die 2G-Regel, jetzt die steigenden Inzidenzwerte: In Kneipen und Restaurants bleiben die Gäste aus. Welche Frage am meisten bewegt.
- Seit Beginn der 2G-Regel wird eine Feier nach der nächsten abgesagt: Die Essener Gastronomen beklagen einen massiven Umsatzeinbruch in Coronazeiten.
- Da die Inzidenzwerte in die Höhe schnellen, bleiben auch weitere Besucher in Kneipen und Restaurants aus.
- Die Gastronomen beschreiben die Lage als „katastrophal“ und haben nach eigenen Worten keine Planungssicherheit.
Wenn bei Gastronomen in den vergangenen Wochen das Telefon geklingelt hat, dann mochten sie schon fast das Gespräch nicht mehr annehmen. Sie wussten nämlich, dass sie wieder die Absage einer Feier zu hören bekamen. 90 Prozent aller Feste und Veranstaltungen habe er stornieren müssen, sagt beispielsweise Afshin Sadaghiani, Betreiber der Rüttenscheider Hausbrauerei. Die Branche leide einmal mehr unter massiven Umsatzeinbrüchen.
Zusätzliche Sicherheitskräfte für 2G-Kontrollen eingestellt
Gerade der November und erst recht der Dezember sind, so der Geschäftsführer, die Monate, die das meiste Geld bringen. Doch seitdem die 2G-Regel gelte, sei den Leuten offensichtlich der Spaß an der Freude vergangen. Seitdem die Inzidenzwerte wieder in die Höhe schnellen, komme auch noch die Sorge um das Gesundheitsrisiko hinzu.
Ob es nun Firmen und Vereine seien, die sich eigentlich zur Weihnachtsfeier treffen wollten oder Familien und Freunde, die ein Zusammensein in lockerer Runde planten, fast alle würden derzeit von solchen Plänen Abstand nehmen. Alle Gastrobetriebe, so auch die Hausbrauerei mit 180 Plätzen, haben aber nun mal auch feste Kosten, betont Sadaghiani, und natürlich wolle man auch das Personal halten sowie Kurzarbeit vermeiden.
So groß wie derzeit sei die Unsicherheit in der Gastronomie wohl nie gewesen, sagt Lars Becker, Chef des Brauhauses Löwe am Kopstadtplatz. Zum einen erlebe auch er eine riesige Stornierungswelle, zum anderen kämen neben üblichen Betriebs- und Personalkosten noch zusätzliche Ausgaben hinzu. Um 2G zu kontrollieren, seien im Brauhaus eigens Sicherheitskräfte im Einsatz, die auch bei geringerem Gästeaufkommen bezahlt werden müssten. Große Hoffnungen, dass die aktuellen Verluste schon bald wett gemacht werden könnten, hat Becker nicht, denn „die Feiern sind ein- für allemal abgesagt und werden nicht auf einen späteren Zeitpunkt verschoben“. Die Folgen von Corona treffen aber nicht nur das Veranstaltungsgeschäft, betont der Gastronom. In Zeiten der Motorshow und des Weihnachtsmarktes könnte man eigentlich mit großem Andrang rechnen, doch davon könne momentan keine Rede sein.
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„Gehen die Zahlen hoch, geht der Umsatz runter“
Gespräch zu Überbrückungshilfen
Gastronom Lars Becker (Brauhaus „Der Löwe“) will sich mit dem Bundestagsabgeordneten Dirk Heidenblut in Verbindung setzen, um mit ihm auch über die Überbrückungshilfen zu sprechen.Die Gastro-Betriebe können zwar staatliche Hilfen beantragen, müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um Unterstützung zu erhalten. Unter anderem erlangen sie einen Anspruch erst dann, wenn wie es der Deutsche Industrie- und Handelskammertag erklärt, die Einbußen über 30 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat in 2019 aussieht. Zudem wird in der Branche kritisiert, dass die Betriebe zum Teil recht lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen, bis die Zahlungen erfolgen.Der Vorsitzende der Deutscher Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Essen, Moritz Mintrop vermisst ohnehin von der Politik einen Fahrplan, auf was sich die Gastrobranche einstellen kann.
Drangvolle Enge gehörte eigentlich vor der Pandemie zum Aushängeschild der Goldbar im Südviertel. Das verbiete sich zwar derzeit aus Gründen des Infektionsschutzes, so Betreiber Patrick Sokoll, aber bis zur Einführung von 2G hätte dann doch noch eine stattliche Zahl an Gästen den Weg zum Isenbergplatz gefunden. Seither sei es aber sehr mau geworden. Die Angst, man könne sich infizieren, werde offensichtlich immer größer, gerade beim Aufenthalt in Innenräumen.
„Gehen die Zahlen hoch, geht der Umsatz runter“, so lautet Patrick Ampüttes ernüchternde Erfahrung. Der Betreiber der Kultkneipe Ampütte an der Rüttenscheider Straße spricht von 40 bis 50 Prozent weniger Einnahmen als in den Wochen zuvor. Gerade unter der Woche kämen nur noch wenige Gäste. Auch Ampütte bestätigt, dass große Gruppen zur Seltenheit geworden seien. „Reserviert ist für eine Gesellschaft von 20 Leuten, am Ende kommen acht“, nennt er ein Beispiel.
Aktuell habe er noch einige Reservierungen für Betriebsweihnachtsfeiern. Da spreche man allerdings nicht wie in Vor-Corona-Zeiten von ganzen Firmen, die einen Teilbereich der Kneipe einnähmen, sondern von klein gehaltenen Veranstaltungen mit maximal 15 Gästen. „Geschäftlich lebe ich nur noch in den Tag hinein“, sagt Ampütte. „Ich hoffe, dass die Weihnachtsfeiern nicht abgesagt werden. Aber ich baue nicht darauf.“ Als „dramatisch“ beschreibt Dennis Becker, Geschäftsführer von Haus Gimken (Borbeck) die Lage. „Wir haben quasi nichts zu tun“. Vor allem fehle jedwede Planungssicherheit und das seit Wochen. Dennoch setze man alles daran, die 30-köpfige Belegschaft zu halten.
Essener Gastronom rechnet mit 60 Prozent weniger Umsatz
Ähnliche Überlegungen treiben auch Frank Schikfelder um. Der Betreiber der „Alten Metzgerei“ in der Emmastraße hat gerade erst zwei neue Mitarbeiter eingestellt, die er auf keinen Fall in Kurzarbeit schicken oder gar wieder entlassen möchte. Doch der Gastronom sieht für den Dezember, eigentlich sein stärkster Monat, schwarz: „Ich rechne mit 60 Prozent weniger Umsatz.“
Neun geschlossene Gesellschaften hätten bereits abgesagt, berichtet Schikfelder. Normalerweise beherberge sein Restaurant die Weihnachtsfeiern vieler großer Konzerne, doch die seien nun in den meisten Fällen auf Eis gelegt. Auch privat organisierte Treffen von größeren Gruppen, Matinees, Gänseessen, würden immer häufiger abgesagt – vor allem, wenn es sich um ältere Gäste handele. Momentan sei alles „schwierig und frustrierend“, so Schikfelders Bilanz.
Die Corona-Entwicklung lässt Leute ängstlicher werden
Die klassischen Firmen-Weihnachtsfeiern hat Christian Krause, Betreiber der Rüttenscheider Kneipe „Früher oder Später“ in der Regel nicht. Doch auch er merkt, dass weniger Leute kommen. „Stammgäste sagen mir, dass sie wegen der steigenden Zahlen ängstlicher werden“, berichtet er. Jüngst habe er auch sein traditionelles Kneipenquiz absagen müssen, weil der Quizmaster vorsichtiger geworden sei und in diesen Zeiten keine Menschenmenge erzeugen wolle. Krause sagt außerdem: „In Gesprächen mit Kollegen geht es im Moment nur um eine Frage: Wann müssen wir wieder komplett schließen?“