Essen-Südviertel. Die Rüttenscheider Straße ist eine florierende Geschäftsmeile, doch der Abschnitt im Südviertel galt lange als schwierig. Das hat sich geändert.

Als etwas problematisch und vergleichsweise wenig attraktiv galt bislang das nördliche Abschnitt der Rüttenscheider Straße, der sich bereits im Südviertel und nicht mehr in Rüttenscheid befindet. Stadtplaner sprachen von Entwicklungsbedarf. Doch schon seit einiger Zeit ist in dem Abschnitt zwischen Kahrstraße und der Hohenzollernstraße baulich viel in Bewegung. Ein Quartett an Bauherren hat sich dem Quartier angenommen, um es – im wahrsten Sinn – herauszuputzen.

Stadtwerke haben ihr Kundencenter rundumerneuert

Stadtwerke-Mitarbeiterin Antje Kämpchen im neuen Kundencenter: Derzeit erfolgt der Kontakt allerdings digital oder per Telefon.
Stadtwerke-Mitarbeiterin Antje Kämpchen im neuen Kundencenter: Derzeit erfolgt der Kontakt allerdings digital oder per Telefon. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Die Stadtwerke, die an der Rü 27 bis 37 ihren Hauptsitz haben, waren schon länger nicht mehr so recht angetan von ihrem eigenen Kundencenter. Ihnen missfiel zum einen der technische Standard, doch der allein machte den Unzufriedenheit nicht aus. Dass die Besucher erst an einem Pförtner vorbeimussten, wenn sie einen Kundenberater sprechen wollten, das entspreche nicht mehr modernen Ansprüchen, hieß es.

Da lag der Gedanke an einen Umbau nahe. Die Außenfront wurde komplett erneuert, Kunden haben jetzt einen direkten Zugang von der Rü zu den Stadtwerke-Mitarbeitern in der Info-Zentrale. Dort finden im Übrigen Hausbesitzer und Mieter auch Anschauungsmaterial, von einer modernen Erdgasheizung bis zu einer Komplettlösung für den Heizungskeller.

Als OB Kufen bei der Eröffnung zu Gast war, kam er auch gleich auf die aktuelle und damit verzwickte Lage zu sprechen. Wegen Corona bleibt das Center geschlossen. Erst wenn die Pandemie einmal vorüber ist, werden die Stadtwerke dann die Präsenz vor Ort zeigen können, die ihrem Chef Lars Martin Klieve nach eigenem Bekunden am Herzen liegt. Rund 300.000 Euro hat im Übrigen der Umbau samt digitaler Technik gekostet. Eine Summe, die relativ zu sehen ist, wie Sprecher Dirk Pomplun meint - angesichts der Millionen-Ausgaben, um das Kanalnetz in Schuss zu halten.

Neue Geschäfte und neue Wohnungen

An der Rü 23 bis 25 laufen die Vorbereitungen für den Einzug des Herrenausstatters Klasmeyer.
An der Rü 23 bis 25 laufen die Vorbereitungen für den Einzug des Herrenausstatters Klasmeyer. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

In den Altbauten neben den Stadtwerken bis zur Ecke Baumstraße haben derzeit Handwerker das Sagen. Aber schon jetzt ist offensichtlich, dass hier dank der weißen, fast ein wenig vornehm wirkenden Fassaden auch eine ästhetische Verbesserung für die gesamte Straße erreicht wird.

Die zwei Ladenlokale, die dort entstehen, sind zum einen für den Herrenausstatter Klasmeyer bestimmt, der aus der Innenstadt zur Rü zieht, und zum anderen für einen namhaften Friseur. Wann die beiden Geschäfte eröffnen, dürfte wesentlich vom Ende des Lockdowns abhängen. Klasmeyer-Geschäftsführer Adrian Adolph sieht in dem Standort den entscheidenden Vorteil, dass er direkt an die Rüttenscheider Einkaufsmeile anknüpft, aber auch der Bezug zur Innenstadt gewahrt bleibt.

Architekt Sven van Gelder und ein weiterer Investor haben sich mit ihrem Unternehmen Rü Living darüber noch einem weiteren Gebäudekomplex angenommen, der gleich nebenan liegt und den sie von Grund auf sanieren lassen. 35 Wohnungen entstehen dort derzeit. Die Größen liegen zwischen zwischen 28 und 134 Quadratmetern. Die Wohnungen an der Rü sollen bis Ende März bezugsfertig sein, diejenigen an der Baumstraße voraussichtlich im September/Oktober. Rund 7,5 Millionen Euro kostet das gesamte Projekt.

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Ein Haus für eine Anwaltskanzlei mit 100 Beschäftigten

Die Rechtsanwälte Jochen Lehmann, Till Wegmann und Alexander Remplik leiten die traditionsreiche Großkanzlei Schmidt, von der Osten,Huber.
Die Rechtsanwälte Jochen Lehmann, Till Wegmann und Alexander Remplik leiten die traditionsreiche Großkanzlei Schmidt, von der Osten,Huber. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Der Bau auf der gegenüberliegenden Straßenseite, Rü 26, hat seine Stadtwerke-Vergangenheit inzwischen hinter sich gelassen. Auch hier waren mal Büros der städtischen Tochter untergebracht, bevor die Essener Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft einzog. Das Unternehmen „pi Verwaltung“ hat aus der Ursprungssubstanz ein komplett neues Ensemble geschaffen, das mit seinen fünf Abschnitten eine Verbindung zur Bismarckstraße herstellt. Die beiden Köpfe des Riegels, bei denen Sandstein zum Einsatz kam, umfassen je fünf Geschosse, in den mittleren Trakten sind es zwei.

Alleiniger Mieter des gesamten Komplexes ist die Großkanzlei SOH (Schmidt, von der Osten & Huber) mit rund 100 Mitarbeitern, davon 35 Rechtsanwälte. Schweren Herzens habe man vom Stammsitz am Haumannplatz Abschied genommen, sagt Anwalt Jochen Lehmann, schließlich sei die Kanzlei dort 75 Jahre zuhause gewesen. Doch es habe schlichtweg an Platz gemangelt. Die Wahl auf die nördliche Rü sei auch deshalb gefallen, weil sich dort derzeit einiges bewege.

Das Architektenbüro Brotrück Rusch beteiligt sich mit dem Projekt am aktuellen Architekturpreis der Stadt Essen. Ein repräsentativer Eingang für die Kunden, umfangreiches Raumprogramm, Photovoltaik, energetische Sanierung und eine Wendeltreppe sind nur einige Stichworte, mit denen der Charakter des Komplexes beschrieben wird.

Wohnungsriese baut direkt neben Essener Firmensitz

An dem Abzweig zur Folkwangstraße entsteht das Wohn- und Geschäftshaus von Vonovia.
An dem Abzweig zur Folkwangstraße entsteht das Wohn- und Geschäftshaus von Vonovia. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Bei Vonovia sind schon seit längerem die Würfel gefallen, dass Gelder in Projekte an der Rü fließen sollten. Zum einen ließ das Wohnungsunternehmen die Essener Niederlassung, in der 50 Mitarbeiter tätig sind, für 1,6 Millionen Euro sanieren, zum anderen entsteht derzeit gleich nebenan, Ecke Rüttenscheider Straße/Folkwangstraße, ein neues Wohn- und Geschäftshaus. Das Bürogebäude, das dort vorher stand und einer Vorgängerfirma gehörte, war ein Fall für die Abrissbagger. 23 Wohnungen sind nun in dem neuen Trakt vorgesehen, von S-Größe mit 35 Quadratmetern bis hin zu XL mit 156 Quadratmetern.

Zwei Ladenlokale werden ebenso dazu gehören. Wer dort einziehen wird, ist noch unklar. Ein Café, von dem vielfach die Rede ist, mochte eine Sprecherin allerdings nicht bestätigen.