Essen. Initiativen rufen dazu auf, bei zugeparkten Bürgersteigen, Sticker an die betreffenden Autos zu verteilen. Was der ADAC zu der Aktion sagt.

Manche Autofahrer dürften in jüngster Zeit etwas verdutzt gewesen sein, wenn sie an ihrer Windschutzscheibe einen kleinen Sticker mit den Worten fanden „Geh-Weg für uns“. Der Wagen stand dann mit großer Wahrscheinlichkeit so weit auf dem Bürgersteig, dass Eltern mit Kinderwagen, Rollstuhlfahrer oder Passanten mit Rollator nicht mehr vorbei passten.

Initiativen: Für viele Passanten bleibt auf den Bürgersteigen zu wenig Platz

Die Stickeraktion haben gleich drei Initiativen ins Leben gerufen, der Verein Fuss e.V., der Verkehrsclub Deutschland und der in Frohnhausen beheimatete Verein „Emma und wir“ mit der Inklusionsbeauftragten für den Stadtbezirk III, Maria Lüttringhaus, an der Spitze. In den vergangenen Jahren habe sich das Problem immer weiter verschärft, betont sie. Sicherlich bedingt durch die wachsende Zahl von Fahrzeugen werde der Parkraum geringer und die Autos würden immer mehr auf eine Art und Weise auf Fußwegen abgestellt, dass nur wenig Platz für Fußgänger bleibe. Dabei sollten eigentlich nach den städtischen Vorgaben 1,20 Meter frei sein.

Die Initiativen haben sich schon mehrfach in Stadtteilen wie Frohnhausen, Rüttenscheid oder Holsterhausen umgeschaut und festgestellt, dass sich Autofahrer nicht an das Mindestmaß halten. Bei der Stadt gingen aus der Bevölkerung im vergangenen Jahr 9000 Anzeigen wegen Falschparkens ein. In 70 Prozent der Fälle wurden Warn- oder Bußgelder verhängt, die übrigen 30 Prozent waren nicht unbegründet, hier fehlten allerdings oftmals Angaben wie Ort oder Zeitpunkt.

Stadt hat Freiwillige zum Fußverkehr-Check eingeladen

Im Frühjahr hatte der Rüttenscheider Raimund Lange sich an den Beschwerdeausschuss der Stadt gewandt und in einem Brief vor allem die Zustände in seinem Stadtteil kritisiert. Oftmals sei für Passanten kein Durchkommen. Abstandsregeln, wie sie in Coronazeiten gefordert seien, ließen sich überhaupt nicht einhalten.Anschließend befassten sich auch der Ausschuss für öffentliche Ordnung und der Ausschuss für Mobilität und Verkehr mit dem Thema.Der Rüttenscheider will auch an dem Fußverkehr-Check teilnehmen, den die Stadt für den 22. September plant. Mehrere Freiwillige sind an diesem Tag auf zwei Routen unterwegs, zum einen von der Innenstadt in die Nordstadt, zum anderen im Stadtteil Holsterhausen. Sie sollen sich den Zustand der Fußwege anschauen, Stolperfallen ausfindig machen oder auch die Parksituation in Augenschein nehmen.

Wenn aber auf einem Bürgersteig kaum Platz bleibe, sagt Maria Lüttringhaus, dann haben es Menschen wie Max Mühlenbeck schwer. Der 24-Jährige ist auf den Rollstuhl angewiesen und häufig unterwegs. Oftmals habe er Mühe, auf den Fußwegen voranzukommen, müsse im Zweifel auf die Straße ausweichen oder brauche auch dazu Hilfe, weil er das allein nicht schaffe, so der Frohnhausener. Solche Manöver seien meist gefährlich und führten auch zum Zeitverzug. Jemand wie er sei aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen auf Hilfe durch Pflegekräfte in regelmäßigen Abständen angewiesen. Wenn er durch zugeparkte Wege den Bus nach Hause verpasse, gerate er in die Bredouille.

ADAC sieht die Politik gefordert und appelliert an die Toleranz aller Beteiligten

Von ihren Touren durch die Stadtteile wissen die Inklusionsbeauftragte und Wolfgang Packmohr (Fuss e.V.) über Klagen von Eltern zu berichten, die es nur mit Mühe schaffen, sich mit ihren Kinderwagen an den Autos vorbei zu schlängeln. Auch hier sei das Ausweichen auf die Straße keine angemessene Lösung, betont Lüttringhaus.

Die Sticker verstehen die Akteure als einen Appell an die Autofahrer, das eigene Verhalten zu überdenken. „Wir wollen auch damit erreichen, dass die Öffentlichkeit noch stärker über das Parken auf den Bürgersteigen spricht“.

Auf Kritik stößt die Aktion indes beim ADAC. Sie helfe nicht wirklich weiter. Auf diese Weise würden wieder einmal das Auto und die Autofahrer „pauschal verteufelt“, so der Vorsitzende des Essener Clubs, Harald Schröer. Die Parkplatzsuche in der Stadt sei eine große Herausforderung, nach Feierabend beginne für viele Autofahrer „die ewige Suche nach einem freien Parkplatz, wenn sie nicht das Privileg einer eigenen Garage haben.“ Die Anzahl von 200.000 Verwarnungen durch das Ordnungsamt und rund 800 abgeschleppten Fahrzeugen sollte die Politik aufhorchen lassen. Noch mehr Härte gegen Autofahrer sei die falsche Antwort, betont Schröer.

Autos dürften nicht „aus unseren Wohn- und Geschäftsstraßen verdrängt werden“, hebt der Vorsitzende hervor. Nach seiner Ansicht soll es sich die Politik zur Aufgabe machen, mehr Parkraum zu schaffen und Parkraumkonzepte entwickeln. Dabei sei Kreativität gefragt. Warum werde beispielsweise nicht das Anwohnerparken auf Gehwegen dann ermöglicht, wenn auf den Gehwegen die Toleranzgrenzen für Fußgänger, Rollator- und Rollstuhlfahrer und Kinderwagen eingehalten werden können? Die Straßenverkehrsordnung lasse dafür genügend Spielräume. Angesichts der vorhandenen Probleme appelliert Schröer auch im Sinne der Autofahrer für mehr Toleranz und Verständnis.