Essen. Seit einem Jahr wird in Essen gegen Corona geimpft. Ein Rückblick auf die verschiedenen Impfphasen – und was die Stadt vom RKI jetzt fordert.

Ein Jahr ist es her, dass die Impfkampagne in Essengestartet wurde. Direkt nach Weihnachten 2020 erhielt eine damals 87-jährige Bewohnerin des Haus Berge in Bergeborbeck die erste Corona-Schutzimpfung in Essen überhaupt. Es folgten zunächst vor allem Impfungen in Alten- und Pflegeeinrichtungen, um besonders gefährdete Personengruppen zu schützen, bevor im Februar, bei Eis und Schnee, das Impfzentrum in der Messe an den Start ging. Man erinnert sich: Die völlig überlastete Terminvergabe der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVNo) trieb Seniorinnen und Senioren und ihre Angehörigen am Anfang zur Weißglut.

Mittlerweile ist das Impfzentrum Geschichte, aktuell heißt die Maßgabe aus dem Rathaus, vor allem dezentral zu impfen. Längst sind auch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte Teil der Impfkampagne in ihren Praxen – und anderswo. Zwölf Monate nach dem ersten Piks im Haus Berge in Bergeborbeck haben in Essen insgesamt mehr als eine Million Spritzen ihren Weg in die Oberarme gefunden. Wie viele Essenerinnen und Essener aber genau gegen Corona geimpft sind, ist auch zum Ärger der Stadt Essen unklar, dazu aber später mehr.

Corona in Essen: Die Zahlen der bisherigen Impfkampagne

Aufgeschlüsselt liest sich die bisherige Essener Impfkampagne (Stand 27. 12.) so:

  • Erstimpfungen: 440.253
  • Zweitimpfungen: 410.941
  • Drittimpfungen: 200.783

Kurz vor Weihnachten schrieb Gesundheitsdezernent Peter Renzel auf seiner Facebook-Seite von einer starken Leistung: „Danke allen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und unserem städtischen Team der koordinierenden Impfeinheit für das überaus starke Engagement!“

Zum Jahrestag lohnt ein Rückblick auf die verschiedenen Phasen der Impfkampagne. Und da fällt auf, dass sich die Gegebenheiten in den letzten Monaten immer wieder geändert haben. Der Leiter der Essener Covid-Impfeinheit, Jörg Spors, fasste das am Rande der Impfaktion auf Zeche Zollverein am zweiten Weihnachtsfeiertag so zusammen: „Jede Impftaktik hat ihre Zeit.“

Impfzentrum Essen: Zum Ende herrschte teils gähnende Leere

In Zeiten von Impfstoffknappheit sei es folgerichtig gewesen, das Impfzentrum in der Messe zu betreiben, das am 8. Februar öffnete und nach 231 Tagen in Betrieb am 26. September seine Pforten schloss.

Leiter der Essener Covid-Impfeinheit, Jörg Spors: „Jede Impftaktik hat ihre Zeit.“
Leiter der Essener Covid-Impfeinheit, Jörg Spors: „Jede Impftaktik hat ihre Zeit.“ © FUNKE Foto Services | Uwe Möller

Zur Einordnung erläutert Spors, dass im Impfzentrum – das Ende Juli auch mit einer Datenpanne zu kämpfen hatte – die meiste Zeit in 15 Impfstraßen geimpft wurde. Am vergangenen Sonntag (26. 12.) wurde in Halle 5 bei der Aktion auf Zollverein, die am Sonntag (2. 1.) wiederholt werden soll – in insgesamt 14 Impfstraßen unter Volllast geimpft – am Ende des Tages waren 2004 Impfungen durchgeführt worden – dezentral und ohne ein personalintensives Impfzentrum im Rücken.

Corona in Essen: Zum Start des Impfzentrums wurden in der Messe in Rüttenscheid Menschen über 80 Jahren geimpft. Dieses Foto entstand noch in Zeiten des akuten Impfstoffmangels.
Corona in Essen: Zum Start des Impfzentrums wurden in der Messe in Rüttenscheid Menschen über 80 Jahren geimpft. Dieses Foto entstand noch in Zeiten des akuten Impfstoffmangels. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Vor allem in den letzten Wochen des Impfzentrums war im Sommer nach dem lang anhaltenden Run auf die raren Impftermine wenig los in der Messe. Ein Zeichen für Spors, dass man mit den aktuell und seit Mitte Juli stattfindenden dezentralen Impfaktionen in der Stadt richtig liege.

Den in manchen Augen zu spät gestarteten Impfbus verteidigt Stadtsprecherin Silke Lenz mit dem Hinweis auf die anderen gut laufenden Angebote. Es sei wichtig, vor Ort Aufklärungsarbeit zu leisten und Impfangebote zu machen. Von denen es dezentral aktuell tatsächlich eine Menge gibt.

Selbst der damalige ärztliche Leiter des Impfzentrums, Dr. Stefan Steinmetz – lange scharfer Kritiker der angekündigten Schließung des Impfzentrums – räumte nach den ersten Mitte Juli gestarteten Impfaktionen in den Stadtteilen ein: „Mehr als doppelt so viele haben sich impfen lassen, als ich eigentlich gedacht habe. Das hätte ich so nicht erwartet.“

Dr. Stefan Steinmetz, ärztlicher Leiter des Impfzentrums Essen.
Dr. Stefan Steinmetz, ärztlicher Leiter des Impfzentrums Essen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Trotzdem gab es nach Impfzentrum-Schließung vielfach den Wunsch, wieder feste städtische Impfstellen einzurichten. Und so wurden im Dezember erst drei, dann vier dauerhafte Orte aufgebaut, an denen regelmäßig geimpft wird – Mini-Impfzentren (siehe Infobox) wenn man so will. Aktuell wird dort und bei den anderen Aktionen zum Großteil geboostert.

Dezentrale Impfaktionen in Essen: Einen Impfbus gab es zunächst nicht

Doch: Weiterhin gibt es viele Menschen, die sich noch nicht gegen das Coronavirus haben impfen lassen. „Es ist unsere Aufgabe, Wege zu finden, wie wir mehr Menschen impfen können“, so der Leiter der Essener Covid-Impfeinheit, Jörg Spors. Deswegen sagte er am Sonntag (26. 12.), dass er sich am meisten über die Erstimpfungen freue.

Kein seltenes Bild dieser Tage: eine Schlange vor einer Impfaktion der Stadt Essen. Hier im Bild: die Aktion auf dem Zollverein-Gelände am zweiten Weihnachtsfeiertag. etwas mehr als 2000 Impfungen wurden durchgeführt – davon waren der Großteil Boosterimpfungen.
Kein seltenes Bild dieser Tage: eine Schlange vor einer Impfaktion der Stadt Essen. Hier im Bild: die Aktion auf dem Zollverein-Gelände am zweiten Weihnachtsfeiertag. etwas mehr als 2000 Impfungen wurden durchgeführt – davon waren der Großteil Boosterimpfungen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Um deren Zahl nach oben zu schrauben, wird seitens des Bundes und der Länder durch 3G-Regelungen am Arbeitsplatz oder 2G-Regeln im Freizeitbereich Druck auf noch Ungeimpfte ausgeübt. In der seit Dienstag (28. 12.) neu geltenden Coronaschutzverordnung wurde dieser noch einmal erhöht.

Nicht nur Druck soll indes helfen: Ein großes Problem sieht die Stadt darin, dass man nicht genau wisse, wie viele Menschen tatsächlich in Essen geimpft sind. Seit Wochen pocht die Verwaltung darauf, Angaben über Geimpfte seitens des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Verfügung gestellt zu bekommen – aufgeschlüsselt nach Postleitzahlen. Die Daten lägen schließlich vor. „Keine Kommune in Deutschland hat also verlässliche Informationen darüber, wie viele Bürgerinnen und Bürger tatsächlich schon geimpft sind“, schrieb Gesundheitsdezernent Peter Renzel. Das Problem: „Alle Essenerinnen und Essener, die sich in unseren Nachbarstädten oder sonstwo haben impfen lassen, tauchen in unseren Zahlen nicht auf.“

Mit dem Wissen darüber, wo genau die meisten ungeimpften Menschen leben, könnte man gezieltere Impfangebote vor Ort machen und Aufklärungsarbeit leisten.

>>> INFO: Wo in den nächsten Tagen seitens der Stadt geimpft wird

  • Bis Donnerstag (30. 12.) haben vier temporäre Impfstellen der Stadt täglich von 10 bis 16 Uhr geöffnet: Altenessen-Nord (Verwaltungsgebäude Marienhospital), Frohnhausen (Lighthouse, Liebigstr. 1), Innenstadt (Theaterpassage) und Werden (Kardinal-Hengsbach-Haus).
  • Am Freitag (31. 12.) sowie am 1. und 2. Januar finden dort keine Impfungen statt, geimpft wird vor Ort erst wieder ab Montag, 3. Januar.
  • Indes wird die erfolgreiche Impfaktion auf dem Gelände der Zeche Zollverein am Sonntag (2. 1.) wiederholt (11 bis 18 Uhr) – mit und ohne Termin kann man vorbeikommen.