Essen.. Essens Sozialdezernent Peter Renzel spricht über Animositäten gegenüber Roma-Asylbewerbern, Hindernissen bei der Rückführung in die Heimatländer und warum Essen für Flüchtlinge so viel zahlen muss.
Herr Renzel, können Sie verstehen, wenn Bürger Angst haben vor einem Asylheim in der Nähe?
Ich verstehe, dass Bürgerinnen und Bürger Sorge haben, wenn in der Nähe Ihres Wohnortes eine Unterkunft für Asylbewerber eingerichtet wird. Dahinter steckt häufig eine Mischung aus negativen Erlebnissen, aber auch Unkenntnis und Gerüchten. Bei den bisherigen Informationsveranstaltungen ist es meines Erachtens gelungen durch gute und umfassende Informationen zumindest einen Teil der Sorgen zu nehmen. Dazu gehört auch, dass wir unsere Betreuung und unser Umfeldmanagement weiter verbessern müssen und zum Beispiel einen Sicherheitsdienst insbesondere für die Abendstunden und das Wochenende beauftragen wollen.
Es fällt auf, dass vor allem das Reiz-Wort „Roma“ Ängste auslöst. Wie ist das zu erklären?
Mit dem Begriff „Roma“ werden immer noch vielfach negative Ressentiments verbunden, die mit der Realität und dem Alltag nicht immer übereinstimmen. Andererseits gibt es aber Vorwürfe und konkrete Erlebnisse von Nachbarn der Übergangswohnheime und anderen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, dass Asylbewerber in unseren Übergangswohnheimen sich nicht an die Spielregeln eines gedeihlichen und friedlichen Zusammenlebens halten. Da wird aus den negativen Erlebnissen schnell auf die gesamte Bevölkerungsgruppe geschlossen. Deshalb wollen wir zukünftig uns noch stärker darauf konzentrieren, dass unsere Hausordnung von allen Bewohnern eingehalten wird. Dazu gehört auch die Erweiterung des schon erwähnte Umfeldmanagement an allen Einrichtungen.
Gibt es für diese Animosität einen Grund, der in der Kriminalitätsstatistik zu finden wäre?
Nein, aus der Kriminalitätsstatistik lässt sich dazu kein Grund ablesen. Die Statistik macht keinen Unterschied nach Roma und anderen Bevölkerungsgruppen.
Rund 150 der zurzeit in Essen untergebrachten Roma sind ausreisepflichtig, weil ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Die Stadt geht davon aus, viele nicht abschieben zu können. Warum?
Es werden häufig Abschiebehindernisse geltend gemacht, wie etwa Krankheit oder ein verlorener Pass. Das verzögert dann die Ausreise. Letztlich kehrt ein Großteil zum Frühjahr aber freiwillig wieder zurück in die Heimat.
Wie wäre eine Rückführung zu beschleunigen?
Wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mehr Personal – die sogenannten „Einzelentscheider“ – einsetzen würde, könnten die Asylverfahren auch viel schneller zum Abschluss gebracht werden. Im Moment dauert es einfach zu lange. Das verlängert leider auch den Aufenthalt in den Unterkünften in unserer Stadt.
Die Städte sind arm und müssen Millionen Euro für die Unterbringung von Flüchtlingen aufbringen. Warum ist das so?
Das steht so im Flüchtlingsaufnahmegesetz des Landes NRW. Die Gemeinden sind zur Aufnahme und Unterbringung verpflichtet. Als gerecht empfinde ich das nicht. Im letzten Jahr haben wir als Stadt Essen für die Leistungen nach dem Asylbewerber-leistungsgesetz insgesamt rund 13,2 Millionen Euro ausgegeben, das Land hat uns aber nur 1,1 Millionen Euro erstattet.
Was könnte denn konkret und zeitnah verändert werden?
Der Bund muss die Asylverfahren beschleunigen. Auch das Land NRW kann gestalten: Alle Flüchtlinge sollten so lange in landeseigenen Unterkünften untergebracht bleiben, bis Klarheit herrscht, ob der Asylantrag nicht zeitnah abgelehnt wird. Die Rückführung dieser Flüchtlinge in ihr Heimatland kann aus den zentralen landeseigenen Unterkünften viel schneller und reibungsloser organisiert werden. Alle anderen Flüchtlinge sollten weiter auf die Städte verteilt werden. So würden mit Einschränkungen auch Kosten gerechter verteilt. (j.m/F.S)