Essen. Cool gab er sich, entspannt wirkte er und von Abschied kein Wort. Hätten nicht alle gewusst, dass Stefan Soltesz jetzt seine letzte Programmpressekonferenz im Aalto-Theater gab, es wäre alles wie immer gewesen. Alle wissen – natürlich auch der Maestro selbst –, dass am 21. Juli 2013 eine Ära endet.
Länger als Stefan Soltesz wirkte nur Gustav König als Generalmusikdirektor (GMD) in der Stadt (1943 - 1975). In zuvor nie gekannter Machtfülle steuerte Soltesz in Doppelfunktion als Opernintendant und GMD die Musik- und Bühnengeschicke, bei den Philharmonikern und am Aalto-Theater. Und jetzt? Vier Premieren, 15 Wiederaufnahmen, es geben zwei Regie-Altmeister ihr Aalto-Debüt.
Zwei Jahre Zeit, sich vorzubereiten
Das klingt sachlich, nach Macher, der bis zuletzt die Fäden in der Hand hält. Wird man nicht wehmütig, wenn man zum 16. und letzten Mal die Saison des Kulturflaggschiffs der Stadt ankündigt, das man selbst auf guten – bisweilen sogar preisgekrönten – Kurs gesteuert hat? „Ich hatte ja zwei Jahre Zeit, mich darauf vorzubereiten.“ Manchmal bleibt der Ungar mit dem wienerischen Zungenschlag kurz und knapp.
Es werde eine schöne letzte Saison. Gespart habe man da bestimmt nicht, weder bei Regisseuren, noch bei den Bühnenbildnern. „Sparen mussten wir vorher schon, Ausstattungs- und Gästeetats, weniger Personal. Aber das müssen ja alle in der Stadt, da sind wir keine Ausnahme“, sagt Soltesz. Über manches wundert er sich am Rande der Pressekonferenz dennoch. Zum Beispiel, dass es bald keinen Technischen Direktor mehr gibt, der für alle Häuser und die zentralen Werkstätten zuständig ist. Für die nächste Saison werde es vielleicht gehen, dann müsse der Nachfolger damit umgehen. Nachvollziehen kann der Theatermann Soltesz das jedoch nicht.
Nachfolger steht noch nicht fest
Auch, dass sein musikalischer Nachfolger noch nicht feststeht, verwundert Soltesz. Sein Nachfolger als Intendant (Hein Mulders) müsse mit dem doch verbindlich für Oper und Philharmoniker planen können. Er selbst hätte zwischen Ernennung und seinem Start 1997 drei Jahre Vorlauf gehabt.
Wagner schlägt Verdi im Aalto-Theater - zumindest in der kommenden Saison. Denn im Jubiläumsjahr zum 200. Geburtstag der beiden Operntitanen des 19. Jahrhunderts hat Essens scheidender Generalmusikdirektor und gleichzeitig Intendant der Aalto-Oper die Wagner-Dosis bewusst reduziert.
„Wir haben den kompletten Wagner gespielt, von Rienzi bis zum Ring und gerade die letzten beide Jahre waren sehr Wagner-lastig, jetzt müssen wir dem Publikum auch etwas anderes bieten“, so Stefan Soltesz. Nur der „Parsifal“ fehlte ihm noch. Mit der Inszenierung dieses kultgesättigten „Bühnenweihfestspiels“ gibt zugleich Joachim Schloemer sein Regiedebüt am Aalto-Theater.
Es wagnert ein wenig
Als Kundry ist die bekannte Mezzosopranistin Lioba Braun angekündigt. Daneben kehrt nur noch Barrie Koskys vielgepriesene Inszenierung von „Tristan und Isolde“ (erneut mit Evelyn Herlitzius) auf den Spielplan zurück, mit dem Soltesz sich zugleich von Essen verabschiedet.
Aalto-Spaziergang
Ein wenig wagnert es allerdings auch in Debussys „Pelléas und Melisande“, wenngleich auch auf subtil französische Art. Für diese erste Saisonpremiere im Oktober holt Soltesz Regie-Altmeister Nikolaus Lehnhoff erstmals ans Aalto-Theater und bietet mit Doris Soffel, Wolfgang Schöne und Alexander Marco-Buhrmester auch eine prominente Sängerriege auf.
Ob es dagegen bei nur vier Premieren wieder eine Strauss’sche „Ariadne auf Naxos“ sein musste, mag man anzweifeln. Hatte Soltesz diese Oper doch schon vor einigen Jahren auf dem Spielplan. Jetzt inszneniert Michael Sturminger (der bereits die „Csardasfürstin“ und „Eugen Onegin“ fürs Aalto schuf) diesen Zwitter aus Komödie und Tragödie.
Neuinszenierung der "Räuber"
Dagegen ist die Neuinszenierung von Verdis Frühwerk „Die Räuber“ („I Masnadieri“) nach Schillers gleichnamigem Drama nicht nur erstmals am Aalto zu erleben, sondern als eher selten aufgeführtes Werk zugleich ein Beitrag zum kommenden Verdi-Jahr. Für die Regie zeichnet wie bei so vielen anderen Verdi-Produktionen Hausregisseur Dietrich Hilsdorf verantwortlich. Die einzige Neuproduktion übrigens, bei der nicht Soltesz selbst sondern Srboljub Dinic die musikalische Leitung übernimmt. Der Serbe, der übrigens als möglicher Nachfolger Soltesz’ galt, gab dieses Saison einen beachteten Einstand mit Tschaikowskis „Eugen Onegin“.
Das Aalto-Ballett-Theater wird unter Intendant Ben van Cauwenbergh in der kommenden Saison gleich drei Neuproduktionen herausbringen. Los geht es am 3. November mit Heinz Spoerlis „Ein Sommernachtstraum“ zu Musik von Felix Mendelssohn-Bartholdy, Steve Reich und Philipp Glass. Es spielen die Philharmoniker unter Volker Perplies.
Es folgt die Uraufführung von „Othello“ in der Choreografie der Aalto-Tänzer Denis Untila und Michelle Yamamoto (9. Februar). Beide hatten bereits mit „Alice“ in „PTHA II“ bei den jungen Choreografen im Grillo-Theater erfolgreich zusammen gearbeitet.
Für die dritte Premiere „Deca Dance“ (27. April) holt Ben van Cauwenbergh den Israeli Ohad Naharin, der u.a. in New York bei Martha Graham studierte und seit 1990 die innovative Batsheva Dance Company leitet, ans Aalto.
Außerdem gelang es, die Tänzerstellen um eine Position auf nunmehr 29 aufzustocken. Dazu kommen zwei Praktikanten. Geplant sei, so Cauwenbergh, die Kompanie zur übernächsten Spielzeit auf 30 Stellen zu erweitern.