Essen.

Die RAG Montan Immobilien hat auf dem Kokerei-Gelände Zollverein am Wochenende einen 65 Meter hohen Rauchgaskamin gesprengt. Dafür engagierte sie den ältesten noch aktiven Sprengmeister Deutschlands.

Der Ausbau des Kokereigeländes Zollverein schreitet voran. Vis-a-vis der zukünftigen Zentrale der RAG Montan Immobilien – das Gebäude steckt gerade im Rohbau – legte am Samstag Deutschland ältester aktiver Sprengmeister Wilhelm Witzgall einen 65 Meter hohen Rauchgaskamin flach. Hier soll in den kommenden Jahren ein Büro- und Gewerbepark entstehen. Besucher und Schaulustige konnten diesmal nicht dabei sein.

Lulatsch fällt exakt ins Fallbett

Zielstrebig marschiert der Mann in der gelben Regenjacke auf seinen Transporter zu, bläst einmal lang in sein Signalhorn. „Gefahrenzone räumen“ signalisiert damit Sprengmeister Wilhelm Witzgall, ein kurzer Blick zurück, ob auch die wenigen Zuschauer von Berufs wegen sich auch tatsächlich alle auf dem zugewiesenen Platz rund 150 Meter entfernt eingefunden haben. Dann folgen zwei kurze Töne aus dem Horn und ein Knall, den man sich lauter vorgestellt hätte. Der 65 Meter lange Lulatsch fällt fast wie in Zeitlupe und rauscht mit ohrenbetäubendem Krachen in die extra für ihn aufgeschüttete Schutthaufen-Straße, das Fallbett. Das war Maßarbeit.

Für den 75-jährigen Sprengmeister aus Iserlohn ist das Ganze natürlich längst Routine. „Das war der 123. Schornstein“, berichtet er. Schon mehrere Industrieanlagen hat er dem Erdboden gleich gemacht. Das rote Knöpfchen auf dem „Donnerkasten“, dem elektrischen Zündkasten, der mit dem explosiven Stoff verdrahtet ist, drückt er immer noch selbst. Ein paar Mal an der Kurbel drehen, dann ein Tippen mit der Fingerspitze – schon werden aus 800 Tonnen Ziegelstein ein 3,5 Meter hoher Haufen Schutt.

„Der wird noch auf Schadstoffe überprüft und dann wohl für den Untergrund verwendet“, berichtet Rainer Peters, Projektleiter von der RAG Montan Immobilien. Viel wird man wohl nicht finden, der Kamin war in den vergangenen Wochen aufwendig von seinen Asbest-Innenleben befreit und von Schadstoffen gereinigt worden. Auch den Untergrund muss man in diesem ehemaligen „weißen“ – chemischen – Bereich der Kokerei noch einmal untersuchen, aber nur dort, wo die Gebäude standen. Der Rest ist bereits für gut befunden worden und kann bebaut werden.

„Wir befinden uns hier in dem Bereich von Zollverein, der nach dem 2001er Masterplan von Rem Koolhaas für eine bauliche Entwicklung vorgesehen wurde. Der Rauchgaskamin von 1974/75 stand nicht unter Denkmalschutz, die Sprengung war mit zuständigen Behörden von Stadt und Land abgestimmt“, so Peters. Weitere Gebäude werden hier nicht fallen. Aber gebaut wird trotzdem, weshalb die RAG Montan Immobilien diesmal keinen öffentlichen Aussichtsplatz anbieten konnte. Schade eigentlich. Alte Industrieanlagen, die gesprengt werden, sind ja mittlerweile eine Seltenheit.