Essen.. American Football ist eine der letzten Männerdomänen des Essener Sports. Zu aggressiv fürs „schwache Geschlecht“? Stephanie Weltmann machte den Selbstversuch bei den Assindia Cardinals. Eine schmerzhafte Angelegenheit.
Dass der Kopf auf den Boden knallt, merke ich gar nicht. Dafür aber den Regentropfen auf meinen Lippen. Ein Wimpernschlag. Dann setzt es ein: kein Schmerz, mehr ein dumpfes Anklopfen der Realität an meinem Hinterkopf. Wie ein Käfer liege ich auf dem Rücken. Nur dass ich nicht mit meinen Gliedern strample, sondern warte. Aufs Erinnern: Was war passiert?
„Frauen haben mittlerweile in jeder Sportart aufgeholt“
Auf der Suche nach der letzten Männerdomäne im Essener Sport musste der Mann vom Sportbund zwei Stunden lang recherchieren. Dann gab er die Nummer des Spartenleiters fürs Boxen durch. Hubert Rechisch dachte lange nach: „Frauen haben mittlerweile in jeder Sportart aufgeholt.“ Für die Damenwelt sei das eine Frage der Gleichberechtigung, sagt der Mann. „Im Fußball klappt das ja sehr gut.“ Trotz des verpassten Halbfinales der Nationalelf von Silvia Neid. Mit ovalen Bällen haben’s die Damen weniger: Eine Frauenmannschaft im American Football gibt es in Essen nicht.
Knapp ein Drittel der Mitglieder ist weiblich
Die „Jungs“ spielen in der German Football League (GFL), der ersten Bundesliga für American Football. Profis also, verpackt unter breiten Schulterpolstern, die sie noch größer und kräftiger erscheinen lassen. Mein Schulterpolster riecht nach Männerschweiß; nur mit Zieglers Hilfe will es passen. Am Spielfeldrand erklärt der Präsident die Regeln, fünf Sätze, viele Zahlen, nichts verstanden. Ich soll hinter den Quarterback? „Der gibt dir den Ball und dann ab durch die Lücke.“
Rund ein Drittel der Mitglieder des American Football Verband Deutschlands sind weiblich; am Spielbetrieb nehmen aber nur 16 Mannschaften teil. Die übrigen Frauen sind Cheerleader - wie Melissa Steindl. Die 15-Jährige steht seit 2006 für die Cardinals am Spielfeldrand, im Rock, zum Anfeuern. „Ich wollte immer mal spielen.“
Wie gemacht für Frauen
„American Football ist für jeden Frauentyp, ob klein oder groß, dick oder dünn“, sagt Franzi Luhn. Sie ist Vorsitzende der Bochumer Miners - einem reinen Damenverein. „Dass es Ligen für Frauen gibt, ist nicht bekannt genug“, erklärt sie den Männerüberhang im American Football. Für Werbung und Frauenförderung fehle vielen Vereinen das Geld. Also keine Frage des Geschlechts? „Nein. American Football ist ein harter, aber auch ein taktischer Sport. Für Frauen wie gemacht.“
Cheerleader Melissa lächelt kämpferisch zwischen den Schutzstreben des Helms. Als Halfback steht sie hinter mir. Uns gegenüber: Eine Mauer blauer Trikots. Da soll’s durch. Wie ging das Blocken noch gleich? Daumen und Zeigefinger zum Dreieck zusammenlegen und wegstoßen. Einmal schlucken und los: Ball greifen, Lücke suchen und rennen. Zwei, drei Meter - keiner tackelt? Greift an? Die Football-Spieler schauen dem weiblichen Vorstoß lächelnd nach: Sie haben nur Platz gemacht. „Wenn dann schon richtig!“
Wie ein Käfer auf dem Rücken
Richtig liege ich jetzt am Boden, wie ein Käfer auf dem Rücken. In die Lücke hatte sich eine mächtige blaue Wand geschoben: Thorsten Roderig, 1,96 Meter groß, 136 Kilogramm schwer, wie Wilfried Ziegler später sagt, zieht mich am rechten Arm hoch. Die Mannschaft applaudiert, einer hält die Hand zum Einschlagen hin. Feuertaufe bestanden - alles eine Frage der Taktik!
Nachtrag: Der Arzt attestiert mir eine leichte Gehirnerschütterung. Mit meinem Geschlecht habe das aber nichts zu tun. „Gegen Profis hätte jeder Mann eingesteckt.“