Essen. Rund 100 Millionen Euro, so schätzen Branchen-Verbände, würden jährlich auf den NRW-Trödelmärkten mit Neuware umgesetzt. Landesregierung und Verbände sehen den örtlichen Einzelhandel gerade in Essen benachteiligt. Doch längst hängen hunderte Jobs am Neuwarenverkauf auf Trödelmärkten.

Ausrangierte Akku-Schrauber, getragenes Schuhwerk - auf dem Trödelmarkt am Real-Parkplatz in Altendorf ist dies nahezu der einzige Stand mit Second-Hand-Ware. Der große Rest ist Neuware. Ein Bild, das sich sonntags auf vielen Trödelmärkten in Essen bietet. Die rot-grüne Landesregierung will das ändern, und die CDU sieht es ähnlich: „Weder brauchen wir eine weitere Konkurrenz zum stationären Einzelhandel, noch darf der Sonntagsschutz weiter unterlaufen werden“, sagt der Essener CDU-Landtagsabgeordnete Thomas Kufen.

"Hier bekomme ich gute Qualität für wenig Geld“

Ließe sich das durchsetzen, könnte ein Großteil der Freiluft-Discounter einpacken. Fünf Boxershorts zu 10 Euro verkauft ein Kölner Händler auf dem Essener Trödel, „70 Prozent des Textilien-Umsatzes mache ich am Sonntag“, sagt der Mann, der seinen Namen nicht nennen will. „Wenn das verboten wird, bin ich pleite.“ Und nicht nur er. Einen Steinwurf entfernt verkauft eine Uhrenhändlerin. „Wir sind mit den Ständen nur samstags und sonntags unterwegs. Unter der Woche lohnt es sich nicht“, sagt sie. Da reicht Kundin Nicole Klein 15 Euro für eine Uhr über die Theke. Ja, sie gehe oft auf Trödelmärkte – auf der Suche nach Schnäppchen, nach Neuware. „Ohne wäre der Markt hier unattraktiv.“

Ein paar Meter weiter packt Nicole Dieringer Wurst und Käse in einen Einkaufs-Trolley, „ich muss halt aufs Geld gucken und hier bekomme ich gute Qualität für wenig Geld.“ Einmal im Monat sei sie mindestens hier. An Trödelware hat sie dabei kein Interesse.

"Marktprivilegien"

Rund 100 Millionen Euro, so schätzen Branchen-Verbände, würden jährlich auf den NRW-Trödelmärkten mit Neuware umgesetzt, ein Großteil davon an den Sonntagen. Was den Chef des Essener Einzelhandelsverbandes, Marc André Heistermann, ärgert: „Der stationäre Einzelhandel muss sich an das Ladenöffnungsgesetz und verschiedene Arbeitnehmerschutzgesetze halten. Bei Sonntagsmärkten hingegen legt die Kommune über eine Satzung die Märkte fest.“Und eben diese Marktprivilegien führten die Gesetze, an die sich der örtliche Einzelhandel halten müsse, ad absurdum.

Frank Tiemann verneint das: „Natürlich werden wir auf Märkten von Ordnungsämtern und Veterinärbehörden kontrolliert“, sagt der Wursthändler, der verschiedene Märkte in der Gegend auch an Sonntagen ansteuert. Zwar räumt er ein, keine Kosten für ein Ladenlokal zu haben, „aber wir haben hohe Anfahrtkosten, müssen jeden Tag auf- und abbauen und dafür beschäftigen wir Personal.“

Handel nimmt Überhand

Dass der Handel mit Neuware immer mehr Überhand nimmt, räumt er dennoch ein, „da will halt jeder ein Stück vom Kuchen abhaben.“ Oder zumindest im Kleinen Umsatz machen. „Wir haben uns mal nach einem Ladenlokal umgesehen“, sagt Akhta Riaz, „doch wer hier kauft, will alles billig. Von dem was wir umsetzen, können wir keinen Laden bezahlen.“

Ein wasserdichtes Gesetz, wie es der Landesregierung vorschwebt, dürfte schwer durchzusetzen sein. Schließlich träfe es alle Neuwaren-Händler, auch die, die alljährlich die Weihnachtsmärkte an den Adventssonntagen bespielen. Und da geht es inzwischen insgesamt um Hunderte Jobs - allein in Essen.