Essen.. Sechs Produkte umfasst das Angebot im “Knastladen“ des Essener Gefängnisses. Besonders beliebt: die Vogelhäuschen. Interessant und durchaus geeignet als Gabe unterm Weihnachtsbaum, ist auch der Meisenknödelhalter “Walter“. Die Verkaufszahlen sprechen für die ungewöhnliche Maßnahme.

Während für die einen die Geschenke-Suche bereits erledigt ist, geht sie für die anderen, die vielleicht Verzweifelten, gerade erst los. Keine Ideen für Passendes unter dem Weihnachtsbaum? Wie wäre es da zum Beispiel mit dem Meisenknödelhalter namens „Walter“ für 4,90 Euro oder dem Nistkasten „New Line“ in geschwungener Form für elf Euro? Beide Produkte stammen aus der Justizvollzugsanstalt an der Krawehlstraße in Rüttenscheid. Dort werden sie im Rahmen der Arbeitstherapie von Häftlingen hergestellt und über eine zentrale Internetseite aller NRW-JVAs verkauft.

Bestellungen aus ganz Deutschland

Schwere Jungs, die Vogelhäuschen bauen? Ein Scherz? Keineswegs, denn die Verkaufszahlen sprechen für die ungewöhnliche Maßnahme: Allein im vergangenen Jahr gingen laut Betriebsleiter Marcel Schultze über 600 Bestellungen aus ganz Deutschland ein: „Von der Nordsee bis ins tiefste Bayern“, erzählt der Vollzugsbeamte, während er die Arbeit seiner Schützlinge beäugt. Jeweils acht bis zehn Insassen leitet der 35-Jährige mit einem Kollegen vier Monate an, um durch eine regelmäßige Beschäftigung Struktur in ihren Alltag zu bringen und etwas Geld zu verdienen.

„Vogelhäuschen sind nicht das schwierigste vom Anspruch her“, erklärt Schultze, warum in der kleinen Schreinerei hinter Gittern ausgerechnet dieses Produkt gefertigt wird. Auf dem engen Gang stehen noch viele anderen Ideen aus Holz: eine Schubkarre, eine Windmühle für den Garten, ein Brunnen. Neueste Innovation aus der „Krawehle“ ist ein Halter für Kaffeekapseln (34,90 Euro), so wie sie Schauspieler George Clooney mit seinem Charme im Fernsehen bewirbt. „Nein, der war noch nicht da“, antwortet der Betriebsleiter lachend auf Nachfrage.

Strikter Wochenplan

Verkauft worden sei bisher keiner der Kapselhalter, aber darum gehe es nicht: „Wir sind kein Wirtschaftsbetrieb“, betont Schultze den pädagogischen Hintergrund. Die Insassen müssten sich für die Teilnahme bewerben und würden dann ausgewählt. „Wer es nötig hat oder bisher keiner regelmäßigen Arbeit nachging, hat größere Chancen.“ An einen strikten Wochenplan mit Werkunterricht, Beschäftigung, Training der sozialen Kompetenz, gemeinsamem Sport und Reflexionsgruppe müssen sich die Häftlinge halten. Mittzwanziger sind dabei, aber auch ältere „Knackis“.

In drei Phasen ist die Therapie unterteilt, die Motivations-, Beschäftigungs- und Werkphase. Kein eigenes Produkt aus letzterer ist dagegen die hölzerne Punktetabelle, die an der Wand hängt. „Die Teilnehmer werden für ihr Verhalten bewertet und bekommen Punkte“, klärt der Vollzugsbeamte auf. Zur Belohnung könnten die Männer diese dann in Kaffee oder Tabak umtauschen. Und die gelben Plastikkarten am unteren Ende? „Die gibt’s bei uns auch“, meint Schultze lachend, „das ist eine Verwarnung für schlechtes Benehmen“.

Weihnachtsschmuck für die JVA

Die aktuelle Staffel, der Betriebsleiter nennt die Teilnehmer „pflegeleicht“, sei schon in der Werkphase angekommen. Während der achtstündigen Arbeitszeit entstehen aber nicht nur die Nistkästen, die in den Verkauf gehen. Einer der Häftlinge sägt einen weihnachtlichen Lichterbogen aus Holz aus, ein anderer bemalt eine Tierfigur. „Nicht alles, was wir hier machen, landet auf der Internetseite. Der Weihnachtsschmuck bleibt im Haus“, erzählt Marcel Schultze.

Stolz sind die Teilnehmer jedenfalls auf ihre Leistungen, „besonders wenn die Kunden zufrieden sind“, sagt Häftling Ralf. Wie viele Vogelhäuschen schon durch seine Hände gingen, weiß er nicht: „Das waren schon einige, aber es macht einfach Spaß.“ Dass die von ihm und seinen Mitinsassen gefertigten Waren unter dem markigen Motto „Knastladen“ online vertrieben werden, stört ihn nicht: „Natürlich sollen die Leute, die hier sind, bestraft werden, aber die Gesellschaft sieht so, dass wir nicht untätig sind.“