Essen.. Die finanzielle Lage von Frauenhäusern ist oft prekär. Wie wichtig deren Arbeit aber ist, zeigt die Geschichte von Alexandra* aus Essen.
Alexandra (Name geändert) sitzt in einem Sessel in der Frauenberatungsstelle Essen. Die schmalen Hände der jungen Frau liegen gefaltet in ihrem Schoß. Immer wieder schaut sie auf ihre Fingernägel. Ein Foto? Alexandra geht zum Fenster, das Gesicht zum bewölkten Himmel, den Rücken zur Kamera. Die zierliche Russin soll nicht erkannt werden. Denn seit Ende 2015 lebt Alexandra im Essener Frauenhaus. Hier hat sie Zuflucht gefunden vor ihrem gewalttätigen Ehemann.
Den hatte sie 2014 über ein Online-Portal kennengelernt, erklärt Alexandra. Die kirchennahe Website erschien ihr seriös, war voller Geschichten von glücklichen Paaren. Natürlich habe sie auch die weniger glücklichen Geschichten gekannt, doch Alexandra war sich sicher: „In so eine Falle tappe ich nicht.“
Nach wenigen Treffen zieht Alexandra von Russland nach Deutschland, das Paar heiratet. Sie ist neugierig auf das Land, will die Sprache lernen, unabhängiger sein. Er will das nicht.
„Die Männer holen sich Frauen aus dem Ausland als Dienerinnen nach Deutschland“, erklärt Alexandra. Sie schaut aus dem Fenster.
Frauen sind besser informiert
Mit ihrem Wunsch nach Selbstständigkeit habe die Gewalt begonnen. Ihr Mann ist eifersüchtig, fängt an zu trinken. Zum Alkohol gesellen sich Tabletten. Er demütigt Alexandra – psychisch und physisch.
Es sind Szenarien wie dieses, vor denen das 2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz Frauen schützen will. Die Anzeigen wegen häuslicher Gewalt sind indes gestiegen. 2002 verzeichnete die Stadt Essen 554 Fälle, in 2014 gab es 802 Anzeigen. Ob daraus ein effektiver Anstieg von Gewalt gegen Frauen zu lesen ist, sei schwer einzuschätzen, erklärt Christiane Volkmer, Mitarbeiterin der Gleichstellungsstelle der Stadt Essen. „Die Frauen sind besser informiert und treten aus dem Dunkelfeld heraus. Das Tabu der häuslichen Gewalt ist etwas aufgeweicht.“ Dennoch sei das Thema nach wie vor mit Scham behaftet.
Mit ihrer Geschichte möchte Alexandra betroffenen Frauen Mut machen, aus diesem Dunkel zu treten. Als ihre Situation weiter zu eskalieren droht, ist es die Polizei, die ihr rät, zusammen mit ihrem Kind die Wohnung zu verlassen. Über einer Freundin findet sie schließlich Schutz im Essener Frauenhaus.
Kritik an Finanzierung von Frauenhäusern
Hier bietet das Team des Frauenhauses jährlich etwa 40 bis 60 gewaltbetroffenen Frauen Schutz und Unterkunft, Beratung und Begleitung. Die Frauen leben in kleinen Wohngemeinschaften und organisieren ihren Alltag eigenständig. „Wir bieten auch Frauengruppen an, in denen sich die Frauen stabilisieren und das Erlebte bewältigen können und wieder Zugang zu ihren Stärken finden. Es ist wichtig für sie, die Mechanismen häuslicher Gewalt zu erkennen und zu verstehen um sich vor weiterer Gewalt zu schützen“, erklärt Psychologin Adelheid Gruber. “Empowerment“ sei ein wichtiger Teil der Arbeit, damit die Frauen Autonomie zurückgewinnen und wieder selbstbestimmt handeln können.
Gleichzeitig kritisiert die Psychologin jedoch: „Die Finanzierung von Frauenhäusern ist absolut nicht bedarfsgerecht. Es gibt keinen gesetzlichen abgesicherten Anspruch für Frauen auf einen Aufenthalt im Frauenhaus.“ Laut Stadt Essen beträgt der aktuelle Zuschuss nach einer Erhöhung im Jahre 2013 etwa 230.000 Euro.
Für Alexandra ist das Frauenhaus ein wichtiger Schutzraum. Aus ihrer negativen Situation will sie auch positives ziehen. „Alles, was uns nicht umbringt, macht uns nur stärker.“