Essen/Gelsenkirchen..

Wilfried Fesselmann ist Mitglied der Opferorganisation SNAP, die jetzt Klage gegen den Papst eingereicht hat. Der Gelsenkirchener ist selbst als Kind in Essen von einem katholischen Geistlichen missbraucht worden.

Papst Benedikt XVI. soll auf die Anklagebank. Und zwar im Internationalen Gerichtshof (ICC) in Den Haag. Der Vorwurf: Er und die drei weitere Vatikanvertreter sollen Missbrauchstaten katholischer Geistlicher vertuscht haben. Die Klage stammt unter anderem von der Opferorganisation SNAP (Survivors Network of those Abused by Priests). Deutscher Vertreter von SNAP ist der Gelsenkirchener Wilfried Fesselmann (43). Er wurde selbst als Kind in Essen von einem katholischen Priester missbraucht. Im Interview erzählt er, warum er die Klage für längst überfällig hält.

Warum soll der Papst persönlich verantwortlich sein für das, was Ihnen und anderen angetan wurde?

Wilfried Fesselmann: Kardinal Ratzinger hat 1985 Pfarrer H., obwohl er von dem Verdacht gegen ihn wusste, versetzen lassen. Damit hat er einen Straftäter unterstützt und seine Taten vertuscht. Er hätte ihn schon damals suspendieren müssen, um andere Kinder zu schützen.

Wie sind Sie zu SNAP gekommen?

Ich bin selbst als Kind von einem Essener Pfarrer missbraucht worden. Damit bin ich aber erst im vergangenen Jahr an die Öffentlichkeit gegangen. Das hat so ein Medieninteresse ausgelöst, dass die Mitglieder von SNAP auf mich aufmerksam geworden sind. Bis dahin war ich ja in Deutschland ein Einzelkämpfer. Und ein Opfer alleine kann gegen die Kirche nichts ausrichten. In Amerika ist SNAP schon sehr gut organisiert, hier in Europa fängt es gerade erst an.

Geben Sie mit Ihrer Klage nicht der katholischen Kirche die Kollektivschuld für das, was einige Priester getan haben?

Nein, denn diese Priester arbeiten ja für die Kirche, und die hat keine Konsequenzen gezogen. Wenn ein Politiker dem Ruf seiner Partei schadet – und sei es durch privates Fehlverhalten – , wird er schließlich auch von ihr ausgeschlossen. Natürlich gibt es auch woanders Missbrauchsfälle, nicht nur in der katholischen Kirche. Aber wir von SNAP können nur für uns sprechen und nicht für die, die vielleicht vom Stiefvater oder dem Nachbar missbraucht worden sind.

Was wäre Ihrer Meinung nach die gerechte Strafe für den Papst und die drei anderen?

Dem Papst kann in seinem Alter leider nicht mehr viel passieren. Aber ich fände es gut, wenn die Kirchenvertreter von ihren Ämtern entbunden würden. Auch der Papst. Sie sind mitverantwortlich für die Taten ihrer Angestellten. Zwar behaupten sie immer, sie wüssten nicht, wo ihre Priester sind und was sie tun. Aber das kann nicht sein. Das ist doch so wie bei einem Fußballtrainer: Der weiß auch immer, wo jeder einzelne seiner Spieler gerade ist und was er tut.

Experten bezweifeln, dass Ihre Klage beim Internationalen Gerichtshof überhaupt zugelassen wird - eine Symbolaktion?

Wir haben am Dienstag beim ICC 20.000 Seiten mit Details zu hunderten Missbrauchsfällen abgegeben, und wir glauben, dass bei einigen dieser Fälle noch gute Aussichten bestehen. Wichtig ist für uns aber auch, dass der Papst endlich Stellung bezieht. Darum werden wir auch bei seinem Deutschlandbesuch Ende September Demonstrationen organisieren. In drei Monaten haben wir den nächsten Termin in Den Haag, dann sehen wir, wie es weitergeht.

Wie sieht es in Ihrem eigenen Fall aus? Hatten die Klagen gegen Pfarrer H., der Sie missbraucht hat, Erfolg?

Nein, da der Missbrauch schon 1979 geschehen ist, ist mein Fall verjährt. Aber ich klage jetzt gegen das Bistum Essen. Und zwar deshalb, weil sie damals systematisch Pfarrer H., einen bekannten Täter, versetzt haben. Damit haben sie dazu beigetragen, dass er noch zehn weitere Kinder missbrauchen konnte.