Essen.
Textpassagen eines Forschers der Uni Duisburg-Essen finden sich in der Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg. Der betroffene Text lautet „Die Europa-Debatte deutscher und französischer Intellektueller nach dem Ersten Weltkrieg“ und erschien bereits 1999.
Als das Telefon von Professor Volker Steinkamp klingelte, erreichte die Plagiats-Affäre um Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die Universität Duisburg. Ein Kollege war am Apparat und teilte dem Wissenschaftler mit, dass sich der Verteidigungsminister für seine Doktorarbeit auch bei Steinkamps geistigem Eigentum bedient habe. „Zunächst war ich gewissermaßen amüsiert darüber, die Leute sprachen mich darauf an“, sagt Steinkamp über seinen fremdverantworteten Popularitätsschub.
Bereits 1999 erschienen
Inzwischen habe er die betreffenden Textpassagen im Online-Portal „Guttenplag Wiki“, in dem Internetnutzer eifrig kopierte Textpassagen entlarven, nachrecherchiert. Das Ergebnis der Netz-Forscher: Auf über 70 Prozent der Guttenberg’schen Seiten finden sich abgekupferte Textelemente. Der im UDE-Fall betroffene Text lautet „Die Europa-Debatte deutscher und französischer Intellektueller nach dem Ersten Weltkrieg“ und erschien bereits 1999, acht Jahre vor Guttenbergs Promotion.
„Schnell wurde mir deutlich, dass auf zwei Seiten exakt mein Text auftaucht, mit nur ganz geringfügigen Änderungen“, erkannte Steinkamp. „Und eben diese kleinen, auch an anderen Stellen immer wieder auftauchenden Änderungen zeigen, dass es sich nicht nur um einen Lapsus handelt.“ Kurios: Steinkamp wird an anderer Stelle gar als Quelle erwähnt, jedoch, wie ein Wiki-Nutzer es formuliert, „editiert und bunt zusammengemischt“, somit „irreführend“.
Guttenbergs Täuschungsabsicht sei, so der Professor, dessen geistiges Eigentum gestohlen wurde, besonders angesichts der Vielzahl der gefundenen Textpassagen inzwischen „voll entlarvt“. Das sei „handfester Betrug“, der das Ansehen der Wissenschaft ernsthaft gefährde.
„Was ich aber bei meinen Studenten erlebe, ist im Vergleich harmlos“
Das Fehlverhalten des Ministers könne besonders für den wissenschaftlichen Alltag in der Lehre verheerende Folgen haben, befürchtet Steinkamp. „Plagiarismus ist ohnehin ein heikles Thema an unserer Uni. Was ich aber bei meinen Studenten erlebe, ist im Vergleich harmlos.“ Ohnehin müsse man unterscheiden; seine Studenten mogeln, wenn überhaupt, in den ersten Semestern. Der Politiker hingegen habe bei seiner Doktorarbeit betrogen. Wie könne man also jungen Studenten angesichts der bislang relativ milden Konsequenzen für den Politiker erklären, dass sie nicht betrügen dürfen? „Wenn wir geistiges Eigentum nicht schützen, können wir die Uni zumachen“, sagt Steinkamp.
Ohnehin wundert den Forscher, „wie lax die Menschen mit der Plagiatsaffäre umgehen“. Einen möglichen Grund sieht er in der allgemeinen, medial befeuerten „Guttenberg-Besoffenheit“. „Die Menschen wollen sich diese Figur nicht kaputtmachen lassen.“
Guttenberg präsentiert sich gern als umtriebiger Macher, aber auch als Familienmensch. In den sieben Jahren, die er an seiner Doktorarbeit geschrieben habe, hätte er stets sehr viel um die Ohren gehabt, sagte er als die Abschreibe-Affäre ans Licht kam. Für Steinkamp keine Entschuldigung: „Das entbindet nicht von der Sorgfaltspflicht. Er hätte ja nicht promovieren müssen.“