Moltkeviertel. Der Bürgerverein Moltkeviertel will die kleine Kapelle auf der Wiebeanlage restaurieren und sie wieder zu einem Ort der Besinnung machen. Grün und Gruga hat das Gotteshaus bereits von Sträuchern freigeschnitten, in Kürze wird die Außenfassade gereinigt. Bis zum Frühjahr sollen auch neue Fenster und eine neue Tür den Blick ins Innere ermöglichen.
Eine Trafo-Station? Ein Toilettenhäuschen? Jahrelang standen Besucher der Wiebeanlage zwischen Wallot-, Henrici-, Bandel- und Robert-Schmidt-Straße relativ ratlos vor dem kleinen, quadratischen, mit Sträuchern überwachsenen Steinbau am Rande der Grünfläche. Was kaum jemand vermutet: Das kleine Häuschen ist eine Kapelle, die aber schon lange nicht mehr genutzt wird. Das will der Bürgerverein Moltkeviertel jetzt ändern. Er will die Kapelle restaurieren und wieder nutzbar machen.
Die Parkanlage mit Spielplatz und Kapelle gehört der Stadt, letztere steht unter der Obhut der nahe gelegenen Kirche St. Hubertus und wurde zeitweise von einem Familienkreis der Gemeinde geschmückt, weiß Hildegard Saß (64) vom Bürgerverein Moltkeviertel. In St. Hubertus befinde sich inzwischen auch die restaurierte farbige Originalfigur aus der alten Kapelle, die in ihrer Einfachheit ein gutes Beispiel für Volksfrömmigkeit sei.
„Seit vielen Jahren wird die Kapelle nicht mehr genutzt, ist immer abgeschlossen. Sie war total zugewachsen“, sagt Christiane Becker (48) vom Bürgerverein. Als ersten Schritt zur Instandsetzung habe Grün und Gruga vor einigen Tagen das Bauwerk freigeschnitten. „Vorher haben es die Leute teils gar nicht wahrgenommen“, so Becker. Die nachgebaute Kapelle stehe zwar nicht unter Denkmalschutz, sei aber dennoch ein wichtiges historisches Zeugnis. „Schade ist, dass die Kinder gar nicht reinschauen können“, so Hildegard Saß. Das soll sich ändern. Der Bürgerverein will Fenster und Tür erneuern. Vorher wird Bauunternehmer und Restaurator Peter Gries (46), der bereits die Moltkebrücke säuberte, die Kapelle aus weichem Ruhrsandstein in den nächsten Tagen fachgerecht mit einem Niederdruck-Verfahren abstrahlen und so von Dreck und Schmierereien befreien. „Die gesamte Renovierung wird uns einen vierstelligen Betrag kosten“, sagt Hildegard Saß. Der Bürgerverein werde versuchen, das Geld über Spenden und Feste zusammenzubringen.
„Wir hoffen, dass im Frühjahr alles fertig ist“, sagt Christiane Becker. Eine Info-Tafel soll auf die Geschichte der Kapelle hinweisen. Auch eine Gebetsbank und ein „Sorgenkasten“, ein Behälter für Bitten der Bürger, sind geplant. Einige wolle der Pfarrer von St. Hubertus als Fürbitten übernehmen. „Und ein Kreuz soll zeigen, dass es sich um eine Kapelle handelt“, so Hildegard Saß.
Die Kapelle auf der Wiebeanlage ist eigentlich ein Nachbau. Dies hätten die Recherchen des Essener Historikers Klaus Lindemann ergeben. Die ursprüngliche Kapelle wurde bereits 1520 errichtet, dort, wo später die Bergerhauser Zeche Ludwig entstand. Im Mittelalter war gerade eine große Pockenepidemie zu Ende gegangen. Um Gott zu danken, errichtete man die Kapelle. In den folgenden 400 Jahren blieb sie Station auf dem Prozessionsweg.
„Später haben die Bergleute, die in die Zeche Ludwig einfuhren, dort gebetet, dass sie heil wieder ans Tageslicht kommen“, sagt Hildegard Saß vom Bürgerverein. Die Bergleute hätten die Anna-Selbdritt-Figur in der Kapelle verehrt. Diese zeige die drei Generation Anna, Maria und Jesus. Irgendwann sei die Kapelle verfallen, die Figur zerstört gewesen. Als die Zeche Ludwig immer mehr Platz brauchte - unter anderem für die Straßenbahn - habe die Stadt eine Ersatzkapelle errichtet - eben die in der Wiebeanlage, die seit 1927 an heutiger Stelle steht. Die heutige Figur sei eine preiswertere Replik. Die wertvolle alte Figur, die man irgendwann weiß überpinselt habe, habe der Pfarrer in den Keller gerettet. Inzwischen sei sie in Tirol restauriert, das abhanden gekommene Jesuskind ersetzt worden.